Erstellt am: 23. 2. 2014 - 12:47 Uhr
Der Wolf im Trenchcoat
Die Figuren aus Märchen, Sagen und Geschichten haben aus ihrer Welt flüchten müssen und leben jetzt in New York, wo sie sich als normale Menschen ausgeben und sich mit nur allzu menschlichen Problemen herumschlagen müssen. Das ist die Ausgangsstory von "Fables", der erfolgreichen Comicserie von Bill Willingham, die seit 2002 regelmäßg erscheint und bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde.
Der Reiz des Comics entsteht dabei dadurch, dass die unschuldigen Märchenfiguren wie Schneewittchen oder Pinocchio mit durch und durch menschlichen Zügen und Schwächen ausgestattet sind. Pinocchio zum Beispiel empfindet unbändigen Hass auf die Fee, die ihn zu einem Menschenjungen gemacht hat, weil er deswegen dazu verdammt ist, für immer in einem Kinderkörper zu leben und dadurch niemals richtig mit einer Frau zusammen sein kann.
Die Geschichten in Fables lassen sich am ehesten mit Krimis vergleichen. Eine der zentralen Figuren ist Bigby Wolf, der Sheriff der Fablecommunity. Er war vormals der große böse Wolf, doch nach der Flucht in unsere Welt wurde in einer Generalamnestie allen Märchenwesen jede Untat erlassen. Jetzt ist er der rechtschaffene Arm des Gesetzes (kann sich dabei aber wenn nötig jederzeit in seine furchteinflößende Wolfsgestalt zurückverwandeln).
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Das Comic als Game
Die Telltale Adventure-Serie "The Wolf Among Us" basiert auf Fables, spielt allerdings zeitlich zwanzig Jahre bevor der erste Teil der Comics einsetzt. Daher kann auch jeder, der mit den Comics nicht vertraut ist, dem Spiel ohne Probleme folgen. Und wer Fan des Comics ist, trifft auf die bekannten Figuren und erfährt zusätzlich einiges über ihre Vorgeschichte. Man lernt aber auch Charaktere kennen, die in der Comicserie nicht vorkommen.
Der Entwickler Telltale ist in dieser serienartigen Gameform ja bereits routiniert, da das Studio in der Vergangenheit auch schon Erfolge mit den Serien "The Walking Dead" oder "Sam & Max" verbuchen konnte. "The Wolf Among Us" ist als Serie in fünf Teilen angelegt, von der bisher die ersten zwei Episoden erschienen sind. Der Abstand zwischen den Releases beträgt jeweils zirka ein halbes Jahr. Im ersten Teil passieren gleich zwei mysteriöse Morde. In beiden Fällen sind die Opfer weibliche Mitglieder der Fablecommunity und beiden wurde der Kopf abgetrennt. Nun liegt es an uns als Sheriff Bigby, den Schuldigen zu finden und die Morde aufzuklären.
Das Adventure besteht aus drei Spielelementen. Den größten Teil machen die Dialogszenen aus: filmische Szenen, die nur dadurch unterbrochen werden, dass wir manchmal zwischen diversen Textzeilen bzw. Verhaltensweisen wählen müssen. Welche Frage stellen wir dem Verdächtigen? Wie reagieren wir auf die Drohung? Hauen wir einfach drauf oder sind wir lieber freundlich?
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Für diese Entscheidungen haben wir immer nur ein paar Sekunden Zeit, sonst entscheidet das Spiel für uns. Unsere Entsheidungen wirken sich auf den weiteren Spielverlauf aus (wie wir das schon aus Story-Games wie "Heavy Rain" kennen). Wie stark diese Auswirkungen sein können oder ob der Spielverlauf nicht doch sehr linear ist und uns die Handlungsfreiheit nur vorgetäuscht wird, wird sich im Laufe der fünf Episoden von "The Wolf Among Us" noch herausstellen. In der zweiten Episode mussten wir allerdings schon mit einigen Entscheidungen leben, die wir im ersten Teil getroffen haben.
Ein weiteres Element des Gameplays sind die Kampfszenen. Dabei geht es vor allem darum, möglichst schnell die angegebenen Tasten zu drücken. Das ist keine besondere Herausforderung, aber zumindest sind diese Szenen nicht langwierig. Die Story steht im Vordergrund. Die Kampfszenen lockern die vielen Dialoge auf. Der dritte Bestandteil des Spiel besteht daraus, dass man sich in manchen Räumen frei herumbewegen kann um sich umzusehen und nach Hinweisen zu suchen.
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Auch wenn die Grafik von "The Wolf Among Us" nicht die aufregendste ist, so sind die Figuren aus dem Comic doch überzeugend umgesetzt. Vor allem die Musik und die fantastischen Synchronsprecher schaffen eine Atmosphäre ganz im Stil des Film Noir, was gut zur Comicvorlage passt. Als großer Fables-Fan bin ich zugegebenermaßen zu voreingenommen um bewerten zu können, wie jemandem das Spiel gefallen wird, der mit der Comicserie gar nichts am Hut hat. Möglicherweise habe ich aufgrund meiner Begeisterung den einen oder anderen blinden Fleck, was die Häufigkeit der Dialoge oder die extrem einfach zu lösenden Aufgaben angeht. Deswegen kann ich nicht uneingeschränkt empfehlen, "The Wolf Among Us" unbedingt zu spielen. Was ich allerdings uneingeschränkt empfehlen kann ist, die Fables-Comics zu lesen und in Kombination damit dann das Spiel zu spielen.