Erstellt am: 7. 2. 2014 - 11:18 Uhr
Maximo Park: "Too Much Information"
Maximo Park aus dem nordostenglischen Newcastle begeisterten im Jahr 2005 mit ihrem frischen britischen Indierock-Sound, der von allerlei Altvorderen beeinflusst war - von Postpunk-Bands über die Smiths, aber trotzdem so eigenständig klang. Allein der regionale Akzent von Sänger Paul Smith und seine Bühnenpräsenz machten Maximo Park zu etwas Besonderem. Das Quintett war eine der ersten Bands - etwa neben Bloc Party, mit denen der junge Brite Paul Epworth sich einen Ruf als einer der neuen englischen Popmusikproduzenten machte. Bloc Party sind heute zerstritten und liegen auf Eis, Zukunft ungewiss; man möchte nicht aufgeben, schafft es aber irgendwie nicht mehr so recht, miteinander auszukommen. Auch Maximo Park sind schon einmal beinahe vor der Auflösung gestanden, nämlich vor dem letzten Album, "The National Health", das noch keine zwei Jahre her ist. Die guten Band-Vibes, die dann doch wieder herrschten, nutzten Maximo Park dann gleich geschickt für eine weitere Runde, deren Ergebnis nun diese Woche erschienen ist, das Album "Too Much Information".

Universal
Pop, pop, pop....Pop Music
Die großen "bad vibes", wie etwa bei Bloc Party, gab es bei Maximo Park eigentlich gar nicht, sondern es war eher der Beginn eines Auseinanderdriftens in Freundschaft. Weil das aber letztlich doch einfach noch zu früh gewesen wäre, rissen Maximo Park sich zusammen, to give it a go again, wie man in England sagen würde. "The National Health" war, wie gesagt, das Ergebnis. Auf jenem Album ging die Gitarrenpopband Maximo Park auch hin zu elektronischen Sounds, die zum Teil auch am neuen Album wieder da sind bzw. noch stärker präsent sind. Interessant auch: Die Indiepopper Maximo Park waren die erste Gitarren-Band auf dem nordenglischen Elektronik-Plattenlabel Warp Records, bevor sie einen Vertrag bei der großen Popindustrie erhielten, den sie auch nach wie vor haben. Die Single "Brain Cells", der Vorbote zum neuen Album, ist zwar in Großbritannien nicht in die Charts eingestiegen, ein Renner auf z.B. Festivalbühnen sind Maximo Park aber allemal noch. Obwohl Paul Smith eigentlich, wie Bandkollege Lucas Whooller sagt, "a poet" ist, aber einer, der auf der Bühne Luftsprünge macht, mit den Augen rollt und sich dann den Hut zurechtrückt.
"Too Much Information", ein grundsätzlich sehr zeitgemäßer Titel übrigens, ist zusammen mit dem Brüderpaar Brewis entstanden, in Sunderland, nahe Newcastle, wo Paul Smith herkommt. David und Peter Brewis betreiben die (unterschätzte) Band Field Music und sind absolute Auskenner, was das Werken im Aufnahmestudio betrifft. Im Studio der Brewis-Brüder hat "Too Much Information" auch seinen Ausgang genommen, erst als Mini-Album, eine sogenannte EP, die dann jedoch rasch zum Longplayer wurde.
Paul Smith:
"Our lyrics and our music will never be too-cool-for-school - we are an emotional band, even if it might be too much information for some."
Maximo Park erzählen wieder eine Menge Stories, die Momentaufnahmen des Lebens sind - Geschichten flüchtigen und zerbrechlichen Inhalts, abgemischt in New York vom US-Producer Nicolas Vernhes. Er war etwa schon im Studio mit den Dirty Projectors oder auch Deerhunter. Von dieser Ecke weht also der neue Maximo-Park-Wind her. Eine kollektive Lieblingsplatte der Band der letzten Zeit ist das Deerhunter-Album "Monomania" - eine rohe, kraftvolle Platte, die jedoch gleichzeitig eine gewisse Lockerheit ausstrahlt. In diese Richtung wollten Maximo Park auch gehen, ohne dabei nicht mehr Maximo Park zu sein.
Das nächtliche Electropop-Feeling auf "Brain Cells" kommt übrigens von einem gewissen Dave Okumu von der Londoner Band The Invisible, die ihre Musik beim Ninja Tune Plattenlabel veröffentlicht. Dave Okumu ist aber etwa auch am atmosphärischen Sound der britischen Popsängerin Jessie Ware beteiligt. Und auch Karin Dreijer Anderssons Projekt Fever Ray hörte Paul Smith gerade viel, als "Brain Cells" entstanden ist.
Downbeat Disco
Maximo Park spielen am 15.Februar 2014 im Flex in Wien.
Im - hitverdächtigen - Electropop-Song "Leave This Island", der neuen Single, singt Paul Smith: "So we watched the water swell from a Scottish hotel...Let me know when you want to leave this island."
In eigentlich jedem Songtext von Paul Smith gibt es ein "you", meist in Gestalt einer jungen Frau. Lydia aus "Lydia, The Ink Will Never Dry" ist letztlich aber nicht das Mädchen von Nebenan ("near the Palace Hotel, where you used to dwell"), sondern die amerikanische Schriftstellerin Lydia Davis, deren Kurzgeschichten der junge Paul Smith einst in der Bibliothek seiner Heimatstadt kennenlernte; er war begeistert von den Gedichten von Lydia Davis, die oft nur einen Absatz lang sind, aber soviel aussagen und eine ganze Welt kreieren. Aber nicht nur die Texte der Ex-Frau von Paul Auster begeistern Paul Smith, sondern etwa auch die von Don DeLillo, der als Inspiration für den Song "Drinking Martinis" dient. Aber auch der afro-amerikanischen, feministischen Dichterin Audre Lorde, die bis zu ihrem Krebstod - Anfang der 1990er Jahre - in einer Bibliothek in New York arbeitete, widmet sich Paul Smith und setzt ihr mit "Her Name Was Audre" ein Denkmal; ein Song im Gewand von Punkrock, wie ihn die legendäre kalifornische Band The Minutemen einst spielte. "Her Name Was Audre" ist vielleicht das beste Lied am Album, wo Maximo Park genau das tun, was sie immer am besten konnten: einen sofort mitreißen.
P:S.: Marketing-Detail am Rande: Es gibt jetzt ein Bier von Maximo Park. Bei den Konzerten der Band soll es zu erstehen sein. Eigentlich sind Maximo Park ja keine typischen englischen "beery lads", sondern man bringt Paul Smith mit seiner Liebe zu Paris ja eher mit rotem Wein in Verbindung. Wie auch immer: Cheers!
Auch sehr hübsch: das langsame "Where We´re Going", oder das sehnsuchtsvolle, sommerliche "Midnight On The Hill". Insgesamt ist der Sound von Maximo Park jetzt eher fast wie der von US-Bands wie Yeasayer oder den Chromatics und weniger britisch, außer man denkt vielleicht an The Hurts, und ein wenig Echo des unschuldigen, bambiäugigen 1980er Jahre Indiepop aus England steckt auch drinnen in diesem neuen Album von Maximo Park. Also, bitte, Paul Smith & Co, auch in Zukunft noch ein wenig weitermachen, ok? Und wenn dann doch einmal die Zeit gekommen ist für Maximo Park, um auseinanderzugehen - man kann sich ja irgendwann wieder zusammenfinden, dann sollte Paul Smith unbedingt ein Literatur-Professor werden, Moderator einer sehr eklektischen Musiksendung bei BBC-Radio-6 in Großbritannien ist er ja bereits.