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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

24. 1. 2014 - 22:49

The daily Blumenau. Friday Edition, 24-01-14.

Lose-Lose-Lose.

Auch 2014, wie schon seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themenfeldern.

#politik #demokultur #polizei

Es ist recht egal, was sich heute noch rund um den Akademikerball, die Gegenproteste und die Polizei-Anwandlungen an Eskalation abspielen wird; Sieger und Verlierer stehen bereits fest. Weil es sich um eine mehr als klassische Lose-Lose-Lose-Situation handelt. Weil kein einziger Player in dieser zugegeben vertrackten Situation einigermaßen strategisch sinnvoll handelt.

Die FPÖ kriegt die Veranstalter aus ihren eigenen Reihen nicht in den Griff und vergeigt somit eine fette Chance auf dem Schritt zur Normalität.
Die Protestanten können den Schwarzen Block und die seit dem Ende der Opernball-Demo quasi arbeitslosen Demo-Touristen, die aber so gerne nach Wien kommen, nicht abschütteln.
Und die Polizei glaubt die Gelegenheit nützen zu können um Hamburger Verhältnisse zu schaffen.

Dazu kommen diverse Begriffsverwirrungen und die jedes Jahr selbe Diskussion um die Verbindungsbrüder. Nein, nicht alle Burschenschaften sind schlagend und somit selbstbekennend nationalistisch, mehrheitlich sind sie einfach nur stockkonservative Biertrinker oder opportunistische Karrieristen. Und ja, der Ball des Wiener Korporationsrings, den die Wiener FPÖ ausrichtet und der vom Graf-Flügel der Partei geschützt wird, benutzt diese Diversität, um mit seiner Renommier-Veranstaltung eine Art Wiener Kongress der deutschsprachigen Rechtsaußen-Akademiker abzuhalten; und somit die durchaus beachtliche führende Rolle der österreichischen rechten Recken in den bundesdeutschen Reihen zu stärken.

Das ist durchaus unappetitlich, aber demokratisch auszuhalten; selbst die symbolische Instrumentalisierung der Hofburg (Eingang Heldenplatz, wegen Hitlers Eintritts-Rede 38 den Deutsch-Österreichern dieses Schlags natürlich wichtig).

Ebenso demokratisch aushalten sollten die Veranstalter die Proteste genau dagegen – aber hier setzt die Spirale der Weinerlichkeit und ihres liederlichen Bruders, der künstlichen Empörung ein.

FP-Funktionäre sehen sich da gern gleich als verfolgt, als „die Juden von heute“. Das wiederum giftet zurecht die Protestierer, die ja genau gegen derlei Ewiggestrigkeit und Nazismus-Nähe überhaupt erst antreten. Das allerdings mit einer Problem-Beule: dem schwarzen Block, der anarchistisch geprägten Hooligan-Touristen, die seit dem wenig gloriosen Ende der klassisch-rituellen Opernball-Demo mit dem WKR-Ball (wie der Akademiker-Ball bis vor ein paar Jahren hieß) endlich wieder einen Wien-Termin in ihrem prallen Kalender haben.
In der Folge werden sich die einen immer auf die Gemeinheit der anderen berufen, um ihren Standpunkt mit aller Beharrlichkeit zu vertreten, ja auszubauen.

Mittlerweile haben es die Veranstalter der Demonstrationen aufgegeben sich von den (schon im Vorhinein) Gewaltbereiten abzugrenzen. Gegen das taktisch geschickte Unterlaufen dieser Kräfte hat eine Demo-Orga (zumindest in Österreich) keine Chancen.
Also sind auch ihre Gewaltfreiheits-Bekundungen und Distanzierungen nur noch routiniert abgespulte Rituale; und hinterlassen bei Uninformierten einen unguten Eindruck.

Auf einen unguten Eindruck hat es die FPÖ jahrzehntelang angelegt: die Öffentlichkeits-Wirksamkeit des Balls wurde genutzt um den 10% Wählerinnen-Bodensatz, der sich immer noch einen kleinen Hitler wünscht, zuzuzwinkern. Strategisch gesehen ist das aber eine Klientel, die die FPÖ sowieso recht sicher hat. Will man sich in fünf Jahren für Regierungstauglichkeit anstellen, dann ist derartiger Schmuddelkram, der ja auch die internationalen Medien anlockt und spotten lässt, kein Renommee. Mittelfristig jedenfalls ist die Aufregung um den Akademikerball etwas, was die FP-Spitze loswerden will, sagt zb der Politwissenschafter Reinhard Heinisch heute in FM4-Reality Check

Heuer kommt zu den beiden traditionellen Loser-Partien, die außer über alljährlich noch weiter verhärtete Fronten genau gar keinen strategischen Gewinn aus ihren Taten ziehen, noch eine dritte Partei dazu: die Wiener Polizei. Mit ihrer in den letzten Tagen sattsam durchleuchteten hoch problematischen Vermummungsverbot und mit einer grotesk ausgeweiteten Sperrzone gehen die Verantwortlichen weit über die Rolle einer dem Allgemeinwohl verpflichteten Exekutive hinaus: man wird selber zum Player.

Es sind wohl die jüngsten Hamburger Erfahrungen, die der Wiener Polizei den Anstoß zu diesem grotesken Vorgehen lieferten. Nur ist die Hamburger Autonomen-Szene real und die Wienerische eher Folklore - der Handlungsanlass ist also nichtig.
Die Parallelen sind andere: sowohl Hamburg als auch Wien werden zwar sozialdemokratisch regiert – die Polizei ist aber an beiden Orten politisch gänzlich anders orientiert. In Hamburg wirkt die Rechtsaußen-Hinterlassenschaft der gruseligen Schill-Ära noch nach; in Wien hat sich in den letzten Jahren die FP-Gefolgschaft deutlich vermehrt.

Dass sich die Hardliner nun ausgerechnet anlässlich des Akademikerballs in dieser strategischen Grundsatzentscheidung durchgesetzt haben, ist einerseits pikant – andererseits aber auch der erste Schritt in eine diffuse bürgerverachtende Entfremdung. Nach den Peinlichkeiten und dem argumentativen Ballawatsch wäre es ein Wunder, wenn die politisch Verantwortlichen diese Versuche nicht sofort zurückpfeifen würden. Also auch hier: nur Verlierer.

Was tun? Es gibt keine zufriedenstellende Lösung im Dilemma der einander widerstrebenden Thesen von ‚übertriebener Bekanntmachung durch Empörung‘ und ‚unzulässiger Gutheißung durch Ignoranz‘. Im Repertoire des digitalen Widerstands der 21. Jahrhunderts finden sich aber auch dazwischenliegende Tools und Maßnahmen, die den jeweiligen Hardliner-Gruppen den Spaß an ihrer Provokation nehmen könnten.