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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

13. 1. 2014 - 12:19

Immer mehr Druck auf Obama wegen NSA-Skandals

Mittlerweile sind zwei Dutzend Klagen anhängig, immer mehr konservative US-Politiker sprechen sich öffentlich und lautstark gegen die NSA-Rundumüberwachung aus.

US-Präsident Barack Obama wird am kommenden Freitag die neuen Rahmenbedingungen für den Geheimdienstkomplex der USA bekanntgeben. Das hatte ein Sprecher des Weißen Hauses am Freitag angekündigt. Erwartet werden mehr als nur kosmetische Änderungen, denn die US-Regierung kommt auch im eigenen Land immer stärker unter Druck. Am Sonntag forderte der republikanische Senator John McCain einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur "kaputten NSA".

Mittlerweile sind nicht nur 24 Klagen gegen die NSA-Spionage anhängig, auch der politische Druck hatte über die Jahreswende hinaus unvermindert zugenommen. Die jüngste Klage der American Civil Liberties Union wurde erst am 30. Dezember eingereicht, wie die Begehren von Microsoft, Google und Yahoo zielt sie auf die Veröffentlichung geheimer Anordnungen des US-Justizministeriums ab, auf denen die Rundumüberwachung durch die NSA basiert. Die Bruchlinien ziehen sich dabei quer durch beide Parteien sowohl im US-Kongress wie auf Ebene der Bundesstaaten.

Polizeiwagen vor NSA-Gebäude

APA/EPA/JIM LO SCALZO

Kein Strom mehr für die NSA

Symptomatisch dafür ist ein aktueller Gesetzesantrag, den Ted Lieu (Demokraten) und Joel Anderson (Republikaner) ebenfalls vergangene Woche im Senat Kaliforniens eingebracht hatten. Kernelement der "Senate Bill 828" ist ein generelles Verbot für alle Behörden des Bundesstaats Kalifornien, mit nationalen Behörden, die ohne Gerichtsbeschluss flächendeckend Daten abgreifen, in irgendeiner Form zusammenzuarbeiten.

In Europa rumort es nun ebenfalls auf höchster poltischer Ebene, die Bruchlinien verlaufen hier sowohl zwischen EU-Parlament und Ministerrat, wie entlang der großen Fraktionen.

Kommunale Wasser- und Ѕtromversorger in Kalifornien dürften dann etwa NSA-Rechenzentren nicht mehr mit Wasser und Strom beliefern. Die Argumentation des Antrags bezieht sich auf den vierten Zusatz zur US-Verfassung, der die Privatsphäre der Bürger gegen willkürliche Durchsuchungen schützt. Der flächendeckende Abgriff der Metadaten aller Telefonate amerikanischer Bürger durch die NSA sei ein eklatanter Verstoß gegen die Verfassung, hieß es seitens der Senatoren.

Widersprüchliche Urteile

Genau dazu liegen zwei widersprüchliche Urteile vor, die wiederum beide angefochten wurden. Im Fall der Sammelklage des konservativen Aktivisten und Anwalts Richard Klayman gegen die US-Regierung inklusive der NSA-Spitze und dem Telekomunternehmen Verizon zur Metadatensammlung gab der Bezirksrichter den Klägern recht.

Die Liste mit den Klagen gegen die NSA wird immer länger. Da sich gerade die neueren Verfahren, die in diesen Wochen beginnen werden, auf geheimgehaltene Dokumenten beziehen, zeichnen sich weitere Enthüllungen ab.

Bei der Klage der American Civil Liberties Union (ACLU) gegen Geheimdienstkoordinator James Clapper et al. in derselben Angelegenheit kam vor einem anderen Bezirksgericht das Gegenteil heraus. Die Klage der ACLU wurde abgewiesen. In beiden Fällen wurde sofort Berufung eingelegt, Beobachter rechnen damit, dass der Oberste Gerichtshof der USA damit befasst werden wird.

Dürftige Rechtsgrundlagen

Die Rechtsgrundlage für die Rundumüberwachung sowohl der Telefonie wie - davon abgeleitet des Internets - in den USA ist nämlich denkbar dürftig. Die Datenabgriffe der NSA fußen auf einer Anweisung des damaligen Präsidenten Ronald Reagan aus dem Jahr 1981. Diese "Executive Order 12.333" wiederum beruht auf einem Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1979.

Die Erkenntnis, dass die Metadaten etwa eines Telfonanschlusses in Summe weit mehr Erkenntnisse über die sozialen und beruflichen Kontakte, Gewohnheiten und Vorlieben eines Menschen aussagen, als die Telefongespräche selbst, setzt sich nun langsam durch. Was Metadaten der NSA verraten.

Das sagt sinngemäß, ein Teilnehmer am öffentlichen Telefonnetz könne keinen Schutz seiner Daten erwarten. Das Verfahren hatte sich allerdings keineswegs auf Geheimdienstspionage bezogen, sondern auf den Verkauf von Namen, Adressen und Rufnummern durch AT&T etwa an Telefonmarketer. Weil dieser Fall aus einer Zeit stammt, in der es nur Festnetztelefonie gab, war die NSA auch nie autorisiert, Standortdaten von US-Bürgern aus dem Mobilfunk zu verarbeiten. Weitere von den Interkonzernen eingereichte Klagen beziehen sich ebenfalls auf diese Metadaten (siehe unten).

US Präsident Obama

APA/EPA/MICHAEL REYNOLDS

Botschaft nach Deutschland

Einen Tag nach der Ansage, dass der Präsident nun handeln werde, trat Richard Clarke, einer der fünf Experten von Präsident Obama zur Reform des Geheimdienstwesens am Samstag vor die Kameras des ZDF. Clarke sagte der deutschen Öffentlichkeit, die Reformen sollten "genügend Barrieren aufbauen", um zu verhindern, dass die USA "ein Polizeistaat" würden, auch wenn die technischen Möglichkeiten dafür vorhanden seien.

Clarke sprach dabei direkt die Metadatensammlung an: "Wenn die NSA alle Daten von jedem Telefonanruf behält, macht sie das verdächtig. Man fragt, warum brauchen sie all die Daten, warum sammeln sie die Daten von mir? (...) Die Antwort ist einfach. Sie müssen das nicht machen. Sie müssen nicht die Daten von jedermann in den NSA-Computern speichern." Ähnliches war schon davor mehrfach aus US-Regierungskreisen verlautet. Die Metadaten sollten nicht mehr zentral in Datenzentren der NSA gespeichert werden, sondern bei den Telekoms verbleiben.

Das Interview mit Sicherheitsberater Richard Clarke wurde am Samstag im "Heute Journal" des ZDF ausgestrahlt. Clarke war 2003 als Sicherheitsberater von George W. Bush zurückgetreten, weil er sowohl dem Irakkrieg wie der ausufernden NSA-Überachung ablehnend gegenüberstand.

Die Internetkonzerne

Parallel zur Ankündigung fand am Freitag ein Treffen hochrangiger Beamter des Weißen Hauses mit Vertretern der US-Internetindustrie statt. Mit ziemlicher Sicherheit wurden die Delegierten von Google, Yahoo und Co dabei schon über die Grundzüge der Geheimdienstreformen unterrichtet. Diese Internetkonzerne hatten ebenfalls im Dezember separat Klagen auf Veröffentlichung der Verordnungen ("National Security Letters") des Justizministeriums eingereicht.

Die anhängige Klage im Falle Klayman ist eine sogenannte Sammelklage, der sich jeder Kunde des Telekomriesen Verizon anschließen kann, der Streitwert ist drei Milliarden Euro. Der konservative Senator Rand Paul sammelt seit einer Woche Unterstützer für eine zweite derartige Klage. Zu erwarten ist, dass die geforderte Summe in ähnlichen Dimensionen angesiedelt ist.

Sollte der Gesetzesantrag im kalifornischen Senat angenommen werden, tritt das Verbot der Zusammenarbeit mit der NSA umgehend in Kraft.

Er stimme mit der NSA durchaus überein, dass die Welt gefährlich sei, sagte der kalifornische Senator Ted Lieu zu seinem Gesetzesantrag. Deshalb hätten auch die Gründerväter der USA die "Bill of Rights" verabschiedet: "Sie haben die Größe der Gefahr verstanden, die von einer außer Kontrolle geratenen Regierung ausgeht."