Erstellt am: 9. 1. 2014 - 16:35 Uhr
"Das Thema ist für jeden ein rotes Tuch"
Der Münchner Thomas Hitzlsperger hat sich vor vier Monaten aus dem öffentlichen Leben als Profifußballer zurückgezogen. Im Interview mit der deutschen ZEIT spricht er erstmals offen über seine Homosexualität.
"Es gehört viel Mut dazu, uns mitzuteilen, was uns eigentlich gar nichts angeht. Es bräuchte mehr Sportler wie Thomas Hitzelsperger." So kommentierte gestern Esther Schapira vom Hessischen Rundfunk das Outing des ehemaligen Nationalteam und VfB Stuttgart Spielers Thomas Hitzelsperger. Aber warum braucht es so viel Mut, wo doch etwa Deutschland seit Jahren einen offen-schwulen Außenminister hatte? Ich habe mit dem 33jährigen Manuel Ortlechner darüber gesprochen. Er ist Kapitän der Wiener Austria und Spieler im Nationalteam.
FM4: Philipp Lahm hat ja gesagt, er würde niemandem dazu raten, sich zu outen. Kannst Du das nachvollziehen? Was wäre, wenn das ein aktiver Spieler der Bundesliga gewesen wäre? Was würdest Du einem befreundeten Spieler raten?
Manuel Ortlechner: Das ist eine gute Frage – denn natürlich haben wir auch intern jetzt sehr viel über dieses Thema gesprochen. Du merkst ja selber auch: die Sportler machen das meistens nach der aktiven Karriere – egal ob im Fußball oder in anderen Sportarten – weil sie einfach wirklich fürchten, dass das zu Problemen führen könnte. Das ist eigentlich sehr schade. Ich sage Dir trotzdem: Ich würde auch den wenigsten dazu raten. Man muss dazu nämlich ein gefestigter Charakter sein – die wenigsten wissen, was in weiterer Folge auf einen hereinprasseln kann. Man merkt das in Österreich ja auch an den Statements von Seiten der Politik und Co.: es gibt nämlich lustigerweise keine. Das Thema ist für jeden ein rotes Tuch, keiner will es angreifen. In Österreich hat es gerade unter den aktiven Spielern so einen Fall noch nicht gegeben. Empfehlung würde ich also eher keine aussprechen, weil man nicht weiß, welche Dynamik sich in weiterer Folge entwickeln kann.
Manuel Ortlechner
Wie wäre das bei euch in der Austria? Wo glaubst Du, würde es Probleme geben – im Verein?
Dort mit Abstand am wenigsten. Ich denke eher im Fanbereich. Weil ich gerade in der Vergangenheit immer wieder Probleme erlebt habe (in der Austria, aber auch in anderen Klubs) – wo es in die rechte Richtung gegangen ist, wo ich einfach weiß, dass das ein Problem werden könnte… Wobei man nicht alles über einen Kamm scheren kann: Ich habe andererseits auch gehört, dass es bei Stuttgart, wo Hitzlsperger lange gespielt hat, Fanclubs gibt, die sein Outing sehr positiv aufgenommen haben. Man kann eben natürlich nicht alle über einen Kamm scheren, aber ich weiß, dass es Gruppen innerhalb der Fans gibt, wo es ein Problem werden könnte. Natürlich kann ich aber auch nur den Konjunktiv strapazieren: Ich weiß auch nicht. Jedenfalls sehe ich da eher Probleme als „intern“ im Klub.
Gibt es glaubst Du auch Trainer, die ein Problem damit hätten?
Glaub ich weniger, eher nicht.
In der NBA hat es einmal einen aktiven Spieler gegeben (der Center Jason Collins), der erklärt hat, dass er schwul ist. Da hat dann Kobe Bryant erklärt, er habe überhaupt kein Problem damit, und die Sache war gegessen.
Das find‘ ich super.
Wie wäre es, wenn Messi erklärt, „ich bin schwul“ – was müsste in den nächsten Monaten passieren, damit sich an den zu erwartenden Reaktionen etwas ändert?
- Das letzte Tabu: Kommentar von Martin Blumenau
Es ist grundsätzlich jeder Beteiligte im Fußballgeschäft gefragt, damit positiv umzugehen. Es liegt ja nicht nur an den Mitspielern und an Kollegen – es ist natürlich ein positiver Boost, wenn die positiv Stellung beziehen – aber insgesamt ist jeder gefragt, auch der Fan im Stadion, der merkt, „hey, der neben mir schreit ‚schwuler irgendwas‘“, zu reagieren, zu sagen, „hey komm, das ist doch völlig egal und Privatsache“. Jeder einzelne hat also die Chance, hier positiv einzuwirken.
Es gibt ja im Sport immer wieder Aktionen gegen Rassismus. Könntet’s Ihr (als Austria) euch genauso eine Aktion gegen Homophobie vorstellen?
Klar.
Es ist aber nichts in die Richtung geplant, oder?
- FairPlay ist eine österreichweite Initiative, die in Kooperation mit Verbänden, Vereinen, SpielerInnen und Fans, das integrative Potenzial des (Fußball)sports nutzt, um gegen Diskriminierung im (Fußball)sport anzukämpfen
Nein, weil das Thema jetzt natürlich auch neu aufbricht. Aber alleine wie ich mich heute mit unserem Pressesprecher ausgetauscht habe, haben wir gemerkt, dass in dieser Hinsicht noch viel Aufholbedarf besteht. Wir sind zwar vor zig Jahren schon auf den Mond geflogen, aber in dieser Hinsicht sind wir immer noch sehr weit hinten und natürlich kann man da noch viel mehr tun. Wenn wir ehrlich sind, ist ja bisher so gut wie gar nichts passiert. Man könnte die Bühne Fußball in dieser Hinsicht noch viel mehr nützen.
Auch die österreichweite Initiative FairPlay macht sich Gedanken zum Outing von Thomas Hitzelsperger. Nikola Staritz ist sich nicht so sicher, ob das Haupt-Hindernis am Weg zum Outing vor allem bei den Fans liegt: