Erstellt am: 8. 1. 2014 - 13:55 Uhr
The daily Blumenau. Wednesday Edition, 08-01-14.
Auch 2014, wie schon seit der Nationalrats-Wahl online: der Versuch das Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Und das mit Items aus diesen Themenfeldern.
#fußball #homosexualität #outing
Als Zwinkerzwinker-Gerücht kenne ich die Geschichte schon seit Jahren; und weil sie aus der deutschen, hochmachistischen Sportjournalisten-Szene stammt, kam es auch mit der entsprechenden widerwärtigen Begleit-Musik daher. Dass ausgerechnet der Kicker mit dem härtesten Bums, Thomas Hitzlsperger, den sie drüben in England, wo sie noch dazu den rauhesten Fußball spielen, ob seiner hochklassigen Schuß-Gewalt "The Hammer" nennen, höhöhö...
Nun hat sich Hitzlsperger, der kraftvolle Box-to-Box-Mittelfeldspieler, der bei Aston Villa groß wurde, bei Lazio, Stuttgart, West Ham und natürlich in der deutschen Nationalmannschaft spielte (und das nicht zu knapp: über 50mal), geoutet.
Und das ist immer noch eine Besonderheit.
Im letzten Reservat eines hysterischen Männlichkeitswahns, im Sport, noch dazu im massendienstleistenden Fußball, ist er der erste Akteur, der über Prominenz und globale Bedeutung verfügt, der sich drübertraut, der sich äußert, "weil ich die Diskussion über Homosexualität unter Profisportlern voranbringen möchte", wie es in der morgen erscheinenden Ausgabe der Zeit sagt.
Wie schwierig die Situation im Vergleich zur Kunst oder Politik ist, zeigt die Tatsache, dass Hitzlsperger bis nach Beendigung seiner Karriere warten musste, um das Wagnis einzugehen. Die weniger prominenten Kicker, die sich in den letzten Jahren geoutet hatten, bekamen danach nämlich keine relevanten Jobs mehr.
Toleranz, wie sie dem DFB (der in dieser Hinsicht weltweit vorbildlich agiert) vorschwebt, ist zwar in den Sonntagsreden vieler vorhanden - in der Praxis ist ein Outing eines Aktiven aber gleichbedeutend mit seinem Karriere-Ende, einem Arbeitsverbot; im konkreten Umfeld (wo außer in St.Pauli würde Hitz jetzt einen Job im Fußball-Bereich bekommen?), in einer medial dominierten Öffentlichkeit (was ist nach den Talkshows und nach der Autobiografie?)
Da schwingen automatisch diverse Vorurteile mit, da platzt der homophobe Kern der meisten Menschen auf. Denn dazu braucht es nicht viel: Die Angst vorm Schwulen an sich sitzt ganz dicht unter einer sehr leicht zu knackenden Oberfläche.
Als etwa ÖSV-Präsident Schröcksnadel, ein von der Republik hochgeehrter Mann, der es versteht, Business und Sportfunktionärstum profitabel zu verbinden, unlängst im Standard zu den Menschenrechtsverletzungen in Russland befragt wurde (dort finden in wenigen Wochen die olympischen Winterspiele statt; Österreichs Wirtschaft hat ebenda vielerlei Interessen - Putin und die österreichischen Ski-Gewaltigen sind langjährige Partner), war ihm neben einer absurden, kindergartengleichen Trennung von Politik und Sport auch folgende höchst pampiger Aussage zu entlocken: "Soweit ich weiß, ist Homosexualität in Russland nicht verboten. Es ist nur verboten, offensiv dafür zu werben. Ich will das nicht gutheißen. Aber mir ist es auch lieber, es wird für Familien geworben, als es wird für Homosexualität geworben."
Und weil diese (in der Öffentlichkeit eh schon nur vorsichtig angedeutete) Homophobie der Schröcksnadels dieser Welt, die sich am virtuellen Stammtisch zu brüllendem Hass und menschenverachtender Ausgrenzung steigern, der Mainstream und immer noch das gesellschaftliche Leitmotiv sind, ist die Watschn, die Hitzlsperger genau diesen Unmenschen versetzt, eine gewaltige. Denn in deren eingeengter Wahrnehmung hat er etwas vorgespielt, die Insignien der Männlichkeit entweiht.
Die Rache dieses homophoben Mainstreams wird hart und bitter sein.
Sie wird sich etwa so äußern: kein offenes schlechtes Wort über Hitzlsperger; nur ein paar Anmerkungen zur Überkompensation durch bewusst gesetzte Härte. Dafür aber heftiges Bohren in seiner Vergangenheit und Gegenwart; eine endlose Liste an Verdächtigen, mit denen The Hammer zu tun hat/te, die allesamt unters Boulevard-Feuer geraten werden; endlose Listen an weiteren haltlosen Verdächtigungen; das Aufwärmen aller halbseidenen Geschichten der letzten 30 Jahre; die noch obszönere Lauer-Umkreisung der DFB-Trainertruppe; und die Schaffung eines Klimas, in dem es für den zweiten, dritten, zehnten, der sich outen will, noch schwieriger wird (weil da die wirtschaftliche Basis, auf der der Erste noch existieren wird können, auch noch wegfällt), und für Aktive noch unmöglicher wird als bisher.
Von dem Dreck, der in Foren (auch in denen seriöser Medien) ausgeschüttet werden wird, möchte ich gar nicht erst anfangen.
Das andere, positive Szenario, dass sich nämlich eine liberale Zivilgesellschaft mit verantwortungsvoll agierenden Sportverbänden und politisch Verantwortlichen kurzschließt, das Outing positiv besetzt und optimistisch kampagnisiert, ist zwar ebenso möglich - irgendwie fehlt mir aber der Glaube daran.
Da es in Österreichs Medien erschreckend wenige Analysen und Kommentare zur Meldung gab, sticht dieser Beitrag auf 90minuten.at besonders hervor.
Aber vielleicht denke ich in allzu österreichischen, schröcksnadeligen Maßstäben.
Bloß: die entscheidenden populistischen Player, die drei von der Tankstelle der hirnlosen Sprüche, die Chefs bei Bayern München, sind da ja auch nicht viel besser und werden die jetzt sicher gesetzten Bemühungen wohl in die scheinmoralische Steinzeit zurückbomben, der sie geistig entstammen.
Das Schröcksnadeltum ist eben bereits überall. Und das Hitzlspergertum steht erst in den Startblöcken.