Erstellt am: 26. 12. 2013 - 13:57 Uhr
Vom Bank-Crash zum Bank-Bash
Rewind 2013
Der FM4 Jahresrückblick
In den letzten Jahren schienen Banken nicht nur "too big to fail", sondern auch "too big to jail" zu sein: Die Versuche von geschädigten KundInnen und Behörden, Banken vor Gericht einen schuldhaften Beitrag zur Krise nachzuweisen, waren in den Vorjahren mäßig erfolgreich.
Doch im zweiten Halbjahr 2013 ging es plötzlich Schlag auf Schlag: Im Oktober musste JP Morgan wegen Handelsmanipulationen in den USA und Großbritannien eine Milliarde Dollar zahlen. Gleichzeitig einigte sich die Firma mit dem US-Justizministerium auf 13 Milliarden Dollar, um sich vom Vorwurf der Irreführung von AnlegerInnen freizukaufen. Weitere Prozesse sind noch im Laufen. Die Bank of America hat seit Ausbruch der Krise 45 Milliarden Dollar an Straf- und Vergleichszahlungen in diversen Prozessen rund um die Krise geleistet. Im Dezember verhängte die EU-Kommission eine Kartellstrafe in Höhe von 1,7 Milliarden Euro über Barclays, Deutsche Bank, Royal Bank of Scotland, Société Générale, UBS, Citigroup und JPMorgan wegen der Manipulation des Libor, eines zentralen Referenzzinssatzes. Lloyds wurden 18 Millionen Pfund an die Behörden aufgebrummt, weil sie ihre MitarbeiterInnen zur Irreführung der Kundschaft ermutigt hatten. Die Royal Bank of Scotland wiederum unterhielt Geschäfte mit Kundschaft in Ländern, die Sanktionen unterliegen (Iran etc.), und musste deshalb eine Strafe von 100 Millionen Dollar zahlen. Die Deutsche Bank musste in den USA 6,5 Millionen Dollar wegen fehlerhafter Bilanzierung hinblättern, und 1,4 Mrd. wegen Irreführung mittlerweile verstaatlichter Hypothekengarantierer. In Island und Österreich setzte es Haftstrafen für die Ex-Vorstände der jeweils größten Pleitebanken (Kaupthing und Hypo Alpe Adria).
APA / Gert Eggenberger
Ohrfeige mit Anlauf
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Warum jetzt auf einmal? Erstens brauchen Ermittlungen gegen Großbanken in komplizierten Geschäftsfällen Zeit. Zweitens haben Beamte in den USA erst unlängst einen obskuren Paragrafen ausgegraben, der Schuldsprüche gegen Banken leichter macht. Drittens konnte bei Ausbruch der Krise noch das Argument gelten, dass das System erst mal mit staatlichen Rettungsmaßnahmen stabilisiert werden muss, um nicht die Gesamtwirtschaft in den Abgrund zu reißen. Nachdem die Banken mittlerweile fünf Jahre lang Gelegenheit hatten, mit staatlicher Hilfe wieder auf die Beine zu kommen, kann es hingegen jetzt als zumutbar gelten, zur Abrechnung zu schreiten.
Anbruch der Abrechnung?
Auch neueste EU-Beschlüsse gehen in diese Richtung: Spätestens ab 2016 gelten neue Regeln bei künftigen Bankenrettungen. Bevor eine Bank auf Staatskosten aufgefangen werden kann, sollen in der Regel zuerst Aktionäre und Anleihegläubiger zum Handkuss kommen. Was bislang nur ein Einzelfällen geschah, wurde in den letzten größeren Fällen von Bankenrettungsaktionen 2013 (Zypern und Slowenien) bereits systematisch umgesetzt.
In allen Euroraum-Staaten wird ein von Bankenabgaben finanzierter Fonds aufgebaut, der künftige Bankenrettungsmaßnahmen finanzieren helfen soll. In der Bankenwelt ist der Aufbau der Bankenunion 2014 das alles beherrschende Thema. Künftig werden für die größeren Banken auch nicht mehr nationale Aufseher über die Frage "Retten oder zusperren?" entscheiden, sondern die EZB als oberste Bankenaufsicht. Mit der größeren Distanz zwischen Aufsicht und Beaufsichtigten ist die Hoffnung auf mehr Kompetenz und weniger Nachsichtigkeit verbunden. Ihren Amtsauftakt feiert die EZB im November 2014 mit einem groß angelegten Bilanzen-Check ("Asset Quality Review"). Dieser könnte zur einschneidenden Zäsur werden. Nach sechs Jahren am Tropf der Staatshilfen werden die Bilanzen der Banken auf Herz und Nieren geprüft. Wer dabei mit dem Attest "nicht mehr genesungsfähig" herauskommt, wäre reif für die Abwicklung. Sofern die Prüfung scharf ausfällt, könnte dies der Startschuss für eine großangelegte Bereinigung des aufgeblähten Bankensektors werden.
APA
Alte offene Rechnungen
Die mögliche Verhinderung künftiger Krisen und der damit verbundenen Kosten und die Bestrafung von Verantwortlichen der letzten Krise sind freilich nichts, was in nennenswertem Ausmaß die bereits aufgelaufenen Krisen-Rechnungen begleichen hilft. Während die Massenverarmung an der Südperipherie der EU munter vorangetrieben wird, verweigern sich die Vermögensbesitzenden nach wie vor beharrlich der Einsicht, dass sich die Zeiten auch für sie ändern könnten.
Österreich blockiert nach wie vor eine EU-Regelung zur umfassenden grenzüberschreitenden Besteuerung von Zinserträgen. Vorschläge von internationalen Organisationen für Vermögensbesteuerung zur Absenkung der krisenbedingt gestiegenen Staatsschulden werden nach wie vor empört zurückgewiesen. Empört sind auch viele SparerInnen, die sich in ihrem gefühlten Recht auf automatische Vermögensmehrung geprellt fühlen, weil die aktuellen Zinsen für risikoloses Anlegen teilweise unter der Inflationsrate liegen.
Aber aus Geld deutlich mehr (oder weniger) Geld machen lässt derzeit sich nur mit hochriskanter Spekulation, wie etwa der medialen Lieblings-Finanzachterbahn des Jahres 2013, Bitcoin. Fette Zinsen auf gewöhnliche Sparguthaben kann es nur geben, wenn es massenweise profitable Wirtschaftsprojekte gibt, die die BetreiberInnen mit neuen Krediten finanzieren und dafür gute Zinsen zahlen. Keine dieser Bedingungen liegt vor: Trübe Wirtschaftsaussichten, zurückhaltende KreditnehmerInnen, zurückhaltende Banken kennzeichnen die Lage in Europa, solange angelaufene Altschulden aufs Börsel und aufs Gemüt drücken. Sparen und Wirtschaftsaussichten durch Deregulierung verbessern ist nach wie vor das Hauptrezept im offiziellen Krisenbewältigungs-Kochbuch, während die Optionen koordinierte Schuldenstreichung oder Vermögensbesteuerung den Randstatus von Geheimrezepten in den Expertenburgen und den Armenküchen fristen. Wer sie zum Gegenstand politischer Debatten macht, kann sich auch 2014 öffentlicher Aufmerksamkeit sicher sein.