Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Sehr gediegen"

Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

30. 11. 2013 - 13:51

Sehr gediegen

Nun ist es also raus, das Jugendwort des Jahres. Es heißt "Babo" .

Wer zu erst einmal nicht weiß, was "Babo" heißen soll, braucht sich nicht zu grämen. Selbst echte Jugendliche rätselten beim Jugendwort des Jahres 2012 "Yolo" erst einmal nach dem Sinn. Yolo = "You only live once", heute ist es allen klar. Wie jedes Jahr fragt man sich, wie dieses angebliche Jugendwort des Jahres ermittelt wird. Stehen etwa Jugendforscher in langen Trenchcoats und mit dunklen Sonnenbrillen auf den Schulhöfen und machen lange Ohren, um irgendwo die neuen Jugendtrendworte aufzuschnappen? Dem ist leider nicht so, der Langenscheidt-Verlag betreibt keine Feldforschung, sondern bildet alljährlich eine Kommission, die über das Jugendwort berät, und Vorschläge macht. Über diese wird dann von echten Jugendlichen abgestimmt.

Jugendworte

Langenscheidt

  • Yolo wurde 2012 zum Jugendwort des Jahres gekürt

"Babo" ist eine kleine Sensation. Denn kam das Jugendwort des Jahres bislang häufig aus dem Englischen, geht die Auszeichnung nun zum ersten Mal an ein aus dem Türkischen stammendes Wort. "Babo" steht für "Boss" oder "Anführer". Zur Wahl standen außerdem "Fame", "gediegen" "in your face" und "hakuna matata". Letzteres ist swahili, bedeutet so viel wie "kein Problem, alles klar" und ist wohl durch das Disney- Musical "König der Löwen" bekannt geworden und nun angeblich als Jugendwort in aller Teenager Munde.

Während man "Fame" auch als älterer Mensch von dem gleichnamigen Tanzfilm und den Aussagen sich selbstüberschätzender Jugendlicher ("Isch bin Fame") her kennt und sich auch die Bedeutung von "Into your face" recht schnell erschließt, wundert man sich über Platz 4: "gediegen". Denn bislang war doch "gediegen" die Bezeichnung für ein allzu ordentliches, großbürgerliches oder hochkulturelles Ambiente, vielleicht mit "spießig", "langweilig" oder "altmodische Eleganz" übersetzbar. Aber "tempi passati!" wie es schon in der lateinischen Jugendsprache hieß, "gediegen" ist 2013 das Synonym für "super, cool, lässig".

Bekannt wurde "Babo", das taufrische Jugendwort des Jahres durch den Song "Chabos wissen, wer der Babo ist", ein Hit des Offenbacher Rappers Haftbefehl, mit bürgerlichem Namen Aykut Anhan, angeblich der Shootingstar der deutschen Straßenrap-Szene. Die Jugendwort-Jury fand vor allem bemerkenswert, wie selbstverständlich multi-kulturell und vielsprachig der Alltagsjargon der heutigen Jugend geprägt ist. Schon im Januar dieses Jahres hatte das das Sprachrohr der deutschen Jugendkultur, die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" behauptet: "'Chabos wissen, wer der Babo ist' könnte bald zum geflügelten Wort werden, wenn man Machtverhältnisse in einem Atemzug klären will".

Tiefergehende Sprachrecherchen haben allerdings ergeben, dass "Babo" von vielen Türken gar nicht als türkisches Wort erkannt wird. "Babo" ist eine regionale Form von "Baba", dem standard-türkischen Wort für "Vater". Es wird vor allem in Ost-Anatolien benutzt und ist schon dort unter jungen Männern zum Slangausdruck für "Chef, Durchblicker" geworden. Türkische Großstädter kennen es aber nicht. Wer nun mit dem Begriff "Babo" wenig anfangen kann und an dessen Berechtigung als Jugendwort zweifelt, sollte bedenken, dass die Jugendworte der letzten Jahre doch generell sehr ausgedacht wirkten. "Yolo" (2012) kam wenigstens noch in einem Song vor, bei "Swag" (2011) und "Niveaulimbo" (2010) geht man heute davon aus, dass diese Worte niemals von einem jugendlichen Menschen ausgesprochen wurden. 2009 gewann "hartzen", was man immerhin als Verb zum allgemein verbreiteten "Hartzer" (Empfänger von Sozialleistungen) anerkennen muss, die "Gammelfleischparty" (2008) als Synonym für Ü-30-Partys, war wohl reine Erfindung eines pfiffigen Jugendsprachforschers.

Haftbefehl

Haftbefehl

Er hat "Babo" groß gemacht: der deutsch-kurdische Rapper "Haftbefehl"

Die Jugendversteher von der Firma Telekom haben ebenfalls eine Umfrage gestartet – auf ihrer Webseite konnten Besucher Vorschläge für ihr Jugendwort des Jahres einreichen und darüber abstimmen. Und kurioserweise führte die Abstimmung bei den angliszismenhörigen Sprachpanschern der Telekom zu äußerst sprachkreativen Ergebnissen. Zwar lagen auch hier "Babo, Hakuna matata, fame, in your face, gediegen" vorne, die Abstimmung brachte aber auch das sinnreiche "YOLBE" (You only live bis Elternsprechtag) hervor. Nummer 1 bei der Telekom war der "Gehirnfasching" ein Ausdruck für "abwegige Ideen haben". Das "Eckenkind" (Person ohne Freunde) blieb leicht hinter dem "Assizwerg" (ungezogenes Kind) zurück. Das schönste Jugendwort des Jahres, die "TMI-Hose" (too-much-information-Hose), erreichte aber lediglich 2,9% der Stimmen.