Erstellt am: 25. 11. 2013 - 17:47 Uhr
"Vollkommene Fehleinschätzung des Deals"
Am Wochenende konnte der jahrelange Streit um das iranische Atomprogramm in Genf beigelegt werden. Den UNO-Vetomächten und Deutschland ist es gelungen, eine erste Vereinbarung mit dem Iran über dessen umstrittenes Atomprogramm zu treffen. Teheran verpflichtet sich dabei, die Urananreicherung bei fünf Prozent zu deckeln, im Gegenzug werden Sanktionen gegen den Iran gelockert. Nach Angaben eines westlichen Diplomaten soll der Iran Zugang zu 3,11 Milliarden Euro an Devisen erhalten. Die Übereinkunft gilt zunächst für ein halbes Jahr und stößt vor allem in Israel auf große Skepsis. Israel befürchtet, dass der Iran auch nach der Einigung versuchen könnte, in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen.
Der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif, der bei den Atomverhandlungen in Genf anwesend war, begrüßte die in dem Abkommen erzielte Anerkennung des Irans auf Urananreicherung. Die Anlagen in Natanz und Fordo, sowie der Schwerwasserreaktor Arak sollen ihre Arbeit fortsetzen können.
Für US-Präsident Obama ist das erzielte Übereinkommen ein "wichtiger erster Schritt" in Richtung einer umfassenden Lösung. Zum ersten Mal in fast einem Jahrzehnt werde das iranische Nuklearprogramm eingefroren und in Schlüsselteilen sogar zurückgefahren, unterstrich Obama.
APA/EPA/KEYSTONE/MARTIAL TREZZINI
Der wissenschaftliche Direktor der NGO "Stop The Bomb" und Politikwissenschafter an der Uni Wien Stephan Grigat kritisiert jedoch das Atomabkommen als Kniefall vor dem iranischen Regime. Robert Zikmund hat mit ihm gesprochen.
Interview mit Stephan Grigat von "Stop The Bomb"
Robert Zikmund: Es gibt eine Pressemitteilung des österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer , der meint, das Abkommen ist ein Sieg der Vernunft. Wie bewerten Sie diese Aussage? Warum sagt er das und stimmt das überhaupt?
Stephan Grigat: Ich denke, dass das eine vollkommene Fehleinschätzung dieses Deals ist, der gestern in Genf unterzeichnet wurde. Ich glaube ganz im Gegenteil, dass das ein ausgesprochen schlechter und fataler Deal ist, der, wenn es ganz schlimm kommt, sogar katastrophale Auswirkungen haben kann. Man kann tatsächlich davon ausgehen, dass wenn die Mullahs im Iran den Genuss alkoholischer Getränke nicht schon längst unter Strafe gestellt hätten, dass sie tatsächlich gestern nach Abschluss dieses Deals zur Abwechslung mal nicht ein paar Oppositionelle sondern ein paar Sektflaschen geköpft hätten.
Der oberste geistliche Führer im Iran Ali Chamene’i, der eigentlich wichtige starke Mann, der Israel zum Beispiel als herauszuschneidendes Krebsgeschwür bezeichnet und der übrigens den Holocaust bis zum heutigen Tag auf seiner Website als Mythos bezeichnet, genau dieser Ali Chamene’i hat sich vollauf zufrieden mit diesem Genfer Atomabkommen gezeigt. Und ich denke leider völlig zurecht. Die Vereinbarung, die dort unterzeichnet wurde, akzeptiert den Schwerwasserreaktor in Arak, also ein Reaktor, von dem selbst die iranischen Märchenerzähler überhaupt nicht sagen können, was seine Rolle in einem zivilen Atomabkommen sein soll, und dieses Abkommen gestattet die Fortsetzung der Urananreicherung. Das heißt, die Infrastruktur des Nuklearprogramms bleibt vollständig intakt. Es wird keine einzige der rund 20.000 Zentrifugen im Iran verschrottet werden.
Warum glaubt denn der Westen diesen Imagewechsel des Irans? Warum zeigt er hier so wenig Skepsis? Welche Interessen stecken da dahinter, oder ist es einfach Naivität?
Zum einen ist es offensichtlich wirklich die Weigerung eine harte echte Konfrontation mit dem iranischen Regime riskieren zu wollen, aber selbstverständlich ist das auch eine sehr geschäftstüchtige Überlegung, die dahintersteht. Das kann man durchaus auch am österreichischen Beispiel sehen, auch wenn Österreich nicht unmittelbar in diese Verhandlungen involviert war. Dass es von Seiten des iranischen Regimes nun überhaupt Interesse an so einem Abkommen gab, das ist letztenendes nur jenen Sanktionen geschuldet, gegen die sich bekanntlich die österreichische Bundesregierung jahrelang gesträubt hat. Und umso absurder ist es natürlich, gerade jetzt diese Sanktionen bereits zurück zu nehmen und das Regime auch noch für seine jahrelange Taktik - also eine Taktik des Lügens, des Täuschens und des Zeit-Schindens - mit Milliardenzahlungen zu belohnen. Und ich fürchte, dass es nach dem Abkommen sehr unwahrscheinlich ist, dass der Sanktionsdruck noch einmal erhöht werden kann, was aber zwingend erforderlich wäre.
Man sieht ja hierzulande, wie Unternehmen wie beispielsweise die OMV, die bereits während der Amtszeit von Ahmadinedschad ein 22 Milliarden Euro Deal mit dem iranischen Regime abschließen wollte, wie solche Unternehmen wie die OMV jetzt schon wieder in den Startlöchern scharren. Und Anfang Dezember soll nun auch eine österreichische Wirtschaftsdelegation in den Iran reisen, womit Wien wieder einmal die Avandtgarde-Rolle bei der Hofierung dieser teheraner Machthaber spielt.
FM4 Reality Check
Über die Eckpunkte des iranischen Atomabkommens und die Beziehung Teherans mit dem Westen berichtet FM4 Reality Check.