Erstellt am: 25. 11. 2013 - 17:19 Uhr
Flimmern
fm4.ORF.at/flimmern
Der assoziative Wochenrückblick von Natalie Brunner
Nicht nur Walter White und New Mexico, auch Nord-Korea hat dem Hörensagen nach ein Crystal Meth Problem.
Meth Labs zu bauen scheint tatsächlich nicht so schwer zu sein. Nur wenn man es nicht richtig macht, dann explodieren sie. Es gibt sogar ein Breaking Bad inspiriertes Lab aus Lego, natürlich nicht Lego selbst.
Im Nordosten Nordkoreas scheint es von Meth Labs nur so zu wimmeln, wenn man einer durch viele Medien geisternden Studie glauben will, die immer nur sehr vage zitiert wird.
Es ist zwar so gut wie nichts aus dem hermetisch geschlossenen Land bekannt, dennoch meldeten Nachrichten-Seiten, mit Bezug auf die vom Nordkorea-Institut der Universität von Detroit durchgeführten Studie, dass so zirka die Hälfte der Menschen im Nordosten des Landes stark abhängig sind.
Um 2004 wurden angeblich im Nordosten des Landes Meth-Fabriken gebaut um durch den Export der Droge an Devisen zu kommen. Die Fabriken wurden aus Gründen, die im Westen nicht bekannt sind, wieder geschlossen und deshalb haben die ganzen ehemals dort Beschäftigten ihre kleinen Privatproduktionen aufgebaut.
Das ist nicht meiner überbordenden Fantasie entsprungen und auch nicht das Treatment zu Breaking Bad Nordkorea (Breaking Bad Kolumbien ist tatsächlich in Planung)!
Eine Fernsehstation meldete sogar, Meth gäbe es in nordkoreanischen Restaurants auf der Speisekarte.
Laut Co-Autorin der Studie Kim Seok-Hyang, die ausschließlich nordkoreanische Flüchtlinge befragt hat, hat (Achtung, auch wieder sehr interessante wissenschaftliche Kategorie!) "so gut wie jeder" Erwachsene Nordkoreaner Meth probiert.
Ich war einmal an der Grenze zu Nordkorea. In der DMZ. Es war ein Themenpark mit einem nagelneuen Bahnhof, wo keine Züge fahren, und einer Aussichtsplattform in eine Stadt auf der nordkoreanischen Seite, wo keine Menschen leben. Aber südkoreanische Zulieferfirmen helfen das potemkinsche Dorf als Propaganda-Geste gegen den Süden am Laufen zu halten. Touristen können durch die von nordkoreanischer Seite gegrabenen Infiltrationstunnel kriechen.
Fotografieren war streng verboten im dritten Tunnel der Aggression, weil militärisches Sperrgebiet. Und deshalb haben ich und alle anderen auch ein Handy-Foto nach dem anderen gemacht. Was auch nicht besonders zur Glaubwürdigkeit des Bedrohungsszenarios beigetragen hat, war, dass am Ende des dritten Infiltrationstunnels, dem Tunnel der Aggression, ein kleiner Springbrunnen mit Lichterkette und Bambi stand.
natalie brunner
Ich war verwirrt und schockiert, an einem Ort wie diesen das Gefühl zu haben, in einem Themenpark zu sein.
Themenparks sind, per Definition Orte, die Empfindungen in uns auslösen sollen. Themenparks arbeiten mit architektonischen Zitaten, die möglichst simpel und eindeutig sind, um bei den BesucherInnen die gewünschten Empfindungen auszulösen.
Disneyland ist der bekannteste Themenpark der Welt. Als ich als Kind zum ersten Mal dort war, haben alle Mitglieder meiner Familie geweint. Wenn sie noch sehr jung waren, vor Überforderung durch die künstliche Umwelt, wenn sie schon größer waren, weil sie einen Tobsuchtsanfall bekommen haben.
Einen Tobsuchtsanfall hat auch die Familie Black diesen Sommer in Disneyland bekommen, als der weiße Hase aus Alice im Wunderland, fortan in amerikanischen Medien als "the White Racist Rabbit" bezeichnet, sich weigerte, die afro-amerikanischen Kinder der Black Familie zu umarmen und stattdessen weiter hoppelte und weiße Kinder herzte. Sie beschwerten sich sofort und die Parkleitung bot ihnen 500 Dollar und VIP-Pässe als Entschuldigung an, geknüpft an die Bedingung, eine Vertraulichkeits-Erklärung zu unterzeichnen, dass sie in der Öffentlichkeit nicht über die Sache sprechen würden.
Mitchell l Gilleon Law Firm
Eine Woche später klagte eine weitere Familie, weil Donald Duck ihr Kind ignorierte. 2011 klagte eine Frau in Florida, die angeblich von Donald Duck verfolgt und betatscht worden war.
"Diese Gegend hat mich kaputtgemacht und ich bleibe bis man ihr das anmerkt", hat Herbert Achternbusch über Bayern gesagt. Ersetzt man Gegend durch Nicht-Ort, dann beschreibt das sehr treffend mein Verhältnis zu Themenparks. Deshalb: Euro Disney sei vorbereitet! Nächstes Monat kehre ich wieder.
Kaffeefahrten in die Hölle
Obwohl: Der Themenpark, der mich im Moment am meisten interessiert, liegt in der Nähe der südlibanesischen Stadt Mleeta. Der offizielle Name ist Tourist Landmark of the Resistance, inoffiziell kursiert der Ort als Hisbollah Themenpark.
Der Park wurde im Mai 2010 eröffnet und Noam Chomsky war auch da. Man kann durch Tunnel kriechen, ein zerstörter israelischer Panzer steht in der Mitte. Ein Graben führt zu einem Aussichtspunkt. Der Park ist auf dem Gelände eines ehemaligen Stützpunkts der Hisbollah erbaut.
tourist landmark of resistance
Die Hisbollah entstand 1982 aus dem Zusammenschluss verschiedener Gruppen gegen die israelische Invasion. Die Schauplätze der Kämpfe gegen israelische Truppen hat die Hisbollah in dem Park mit Puppen in militärischer Kleidung nachgestellt. Ein Schwimmbad und eine Wasserrutsche sollen den Park demnächst komplettieren. Die Hisbollah wurde 1992 ins libanesische Parlament gewählt. Israel, Kanada und die USA stufen sie als ganzes als Terror-Organisation ein, die EU nur den bewaffneten Arm, die Hisbollah Miliz.
Ist die Biennale auch so etwas wie ein Kunst-Themenpark? Nimmt man die körperlichen Reaktionen meiner Familienmitglieder als Indikator, dann ja. Die Videoinstallationen im von Cindy Sherman kuratierten Teil des enzyklopädischen Palastes hat meiner Begleitung den Gar ausgemacht: Schwindel und Übelkeit, 48 Stunden lang. Noch nie habe ich derart starke körperliche Reaktionen auf einen Ausstellungsbesuch gesehen.
Ich war auch einmal kurz davor aus der Fassung zu fallen: für ihre Arbeit "I dreamt that you changed into a cat… gatto… ha ha ha" hat sich Rossella Biscotti sechs Monate mit den Gefangenen in einem Frauengefängnis über ihre Träume unterhalten. Diese Gespräche hört man während man zwischen Mauern steht, die aus dem im Gefängnis gesammelten Schmutz gepresst worden sind.
biennale
Was für Albträume hält die Erlebnis- und Event-Architektur für uns bereit? Der Gefängnis-Park kann nicht weit sein.
Für über einem Monat aus einem Gefängnis verschwunden war auch die Pussy Riot-Aktivistin Nadescha Tolokonikowa. Nun ist sie in einem Straflager in Sibirien wieder aufgetaucht. Auch aufgetaucht ist der Briefwechsel mit dem slowenischen Slavoj Žižek der hier nachzulesen ist.