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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

5. 11. 2013 - 15:50

The daily Blumenau. Tuesday Edition, 05-11-13.

Der Mandatar, die Moral und der Umgang damit. Der Fall Philipp Hosiner und die Export-Fehlkalkulation.

Jetzt schon über ein Monat alt: der Versuch das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so eine ansatzweise Täglichkeit hinzukriegen.
Immer mit Items aus diesen Themenfeldern.

Der Mandatar von Gottes Gnaden und die Erregung

#nr-wahl #politik #moral

Man ist sehr empört über den Mann mit dem Skifahrer-Namen und sein Interview im Profil. Da lässt der Primar-Arzt, der frisch mit dem Team Stronach in den Nationalrat eingezogen ist, uns teilhaben an seiner Weltsicht.

Die ist, wer hätte das gedacht, skurril bis stockreaktionär; sie reicht von den Armen, die selber schuld sind, auch weil sie nimmer religiös sind wie früher, über ein Almosen-Steuer-Modell und Demo-Verbot in Zonen, wo er spazierengehen will, bis zu einer Sexualmoral, die Homosexuelle zwar als genetisch unvermeidlich, aber nicht lässig "außerhalb des biologischen Mainstreams" stellt.
Nicht so sehr der grenzwertige Satz "Es war natürlich alles einfacher, als es noch den Kaiser gab von Gottes Gnaden.", sondern mehr die These, dass "Fortpflanzung unser Lebenszweck" und somit Kinderlosigkeit amoralisch und verwerflich wäre (wenn das Frau Lindner hört) erregen die Gemüter.

Die Folge: hohe mediale Erregung und ein Rüffel der Ärztekammer. Für eine verquere Moral.

Der Internist mit den beiden Vornamen wird sich also entschuldigen oder auch nicht. Das Team Stronach wird eine weitere Beule erhalten und der kleine Schauer der politisch-korrekten Erregung wird die liberale Medien-Gesellschaft durchweht haben.

Bringen tut das gar nichts.

Denn zum einen ist Kritik an Moralvorstellung immer selber miefig. Und zum anderen: Wegen dieser Empörung gehen diese Meinungen nicht weg. Und die gehören nicht nur dem Primar, die sind allgegenwärtig - vielleicht nicht in dieser kruden monarchistisch-religiös-scheinwissenschaftlichen Mischung.

Natürlich gibt es eine Menge Menschen, die Schwule weiterhin als pervers betrachten. Selbstverständlich existiert eine qualifizierte nationalkatholische Minderheit, die an die Verpflichtung der Fortpflanzung glaubt. Die Zahl derer, die Demonstrationen verbieten würden, wenn sie könnten, schätze ich auf über 50%. Und sicher sind auch die Ultrareligiösen, die sich in eine Zeit der bewusstlosen und somit leicht steuerbaren Massen an Armen zurücksehnen, nicht ganz alleine.

Den Kaiser von Gottes Gnaden finden eh alle super, solange er Robert Heinrich heißt - nur in diesem Punkt findet sich Herr Marcus Franz, so heißt er, der es wohl ernst meint, in einer klaren Minderheiten-Position wieder.

Die meisten der Aussagen des Primars sind durchaus stammtischtauglich und im rechten Mainstream durchaus gut einbettbar. Der Mann ist sich übrigens im Klaren, dass er einen eher hoffnungslosen Abwehrkampf kämpft. Zur Bemerkung, dass die Säkularisierung "wohl nicht rückgängig zu machen" wäre, meint der Stronach-Mandatar: "Aber zu verlangsamen. Man kann niemand in den Glauben hineinprügeln, das ist ja versucht worden, aber nicht sehr erfolgreich."

Die gesellschaftspolitisch relevante Frage, die sich nach diesem Interview stellt, ist nicht die einer (unmöglich ernst meinbaren) Entschuldigung, sondern die, ob man die wohl eher unaufhaltsame und auch kaum zu verlangsamende Säkularisierung und die damit verbundene Entblödung der Menschen einfach abwartet oder versucht hier gezielt Aufklärungs-Schwerpunkte zu setzen. Vielleicht sogar in der katholischen Kirche, die in Bezug auf die Rolle der Frau als gebärpflichtige Person ebenso ein liberales Machtwort sprechen könnte, wie in der Frage der Homosexualität; vielleicht sogar innerhalb der ÖVP - mit genau denselben Themen.

Außerdem wäre dieser Fall ein Anlass das Demonstrationsrecht als eines der zentralen Freiheitsrechte wieder einmal vor den Vorhang zu holen.

Ich kann mir vorstellen, dass ein schlauer Lehrer dieses Interview hernimmt und mit seinen Schülern den Status gesellschatlicher Normen durchdekliniert. Würde eine Zivilgesellschaft existieren, die diesen Namen verdient, wären das die Themen der Diskussionsveranstaltung und der medialen Gastkommentare dieser Woche. Wären Medien nachhaltige Bewirtschafter aktuellen Zeitgeschehens, würde diese Debatte die stumpfe Empörung bereits ersetzt haben.

ÖFB-Kader für den Test am 19.11. gegen die USA

Tor: Robert Almer (Cottbus/D), Heinz Lindner (Austria), Ramazan Özcan (Ingolstadt/D). Auf Abruf: Thomas Gebauer (Ried).

Abwehr: György Garics (Bologna/ITA), Florian Klein, Martin Hinteregger (Salzburg), Aleksandar Dragovic (Dyn.Kiew/UKR), Emanuel Pogatetz (Nürnberg/D), Sebastian Prödl (Bremen/GER), Manuel Ortlechner, Markus Suttner (Austria), Christian Fuchs (Schalke/D). Auf Abruf: Thomas Hinum (Ried), Christopher Trimmel, Christopher Dibon (Rapid), Franz Schiemer, Andreas Ulmer (Salzburg),

Mittelfeld: David Alaba (Bayern/D), Veli Kavlak (Besiktas/TUR), Christoph Leitgeb (Salzburg); Zlatko Junuzovic (Bremen/D), Andreas Ivanschitz (Levante/SPA), Marcel Sabitzer (Rapid), Martin Harnik (Stuttgart/D), Marko Arnautovic (Stoke/ENG). Auf Abruf: Yasin Pehlivan (Bursaspor/TUR), Marco Meilinger (Salzburg), Guido Burgstaller (Rapid), Jakob Jantscher (Nijmegen/NED), Daniel Royer (Austria).

Angriff: Marc Janko (Trabzonspor/TUR), Andreas Weimann (Aston Villa/ENG), Philipp Zulechner (Grödig), Lukas Hinterseer (Innsbruck). Auf Abruf: Philipp Hosiner (Austria), Robert Zulj (Ried).

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U21-Kader für den Test gegen die Türkei (14.11.) und das EM-Quali-Match gegen Ungarn (18.11)

Tor: Samuel Radlinger (Rapid), Christoph Riegler (St. Pölten), Andreas Leitner (Admira)

Abwehr: Patrick Farkas (Mattersburg), Thomas Weber (Admira), Lukas Spendlhofer (Varese/ITA), Kevin Wimmer (Köln/D), Florian Neuhold (Altach), Gerald Peinsipp (St.Pölten), Christoph Martschinko (Wr.Neustadt).

Mittelfeld: Tobias Kainz, Daniel Offenbacher (Sturm), Simon Piesinger (Innsbruck), Peter Tschernegg (Grödig), Louis Schaub (Rapid), Marcel Ritzmaier (Cambuur/NED), Kevin Stöger (Lautern/D), Alessandro Schöpf (Bayern/D).

Angriff: Robert Zujlj (Ried), Kevin Friesenbichler (Bayern/D), Michael Gregoritsch (St.Pauli/D), Dominik Starkl (Rapid).

Hosiner ist nur ein Opfer; der Trottel ist die Bundesliga

#fußball #ökonomie

Es gibt wieder ein, vielleicht zwei prominente Opfer, die an einer klassischen Klippe zerschellt sind. Die Klippe ist voll des Halls von Sprüchen sogenannter Experten "Ned zu früh ins Ausland gehn! Lieber noch einen Saison dranhängen!" Und genau wie die Sirenengesänge bei Odysseus befinden sie sich fernab jeder Realität.

Philip Hosiner etwa war Schützenkönig, europäisch auffällig mit einer ungeheuren Quote, begehrt in Spanien, Holland, Italien und Deutschland - und wurde von der Führung der Austria (unter dem Hinweis für die CL alles beinander halten zu wollen) dann preistechnisch so hoch lizitiert, dass man auf ihm sitzenblieb.

Ganz ähnlich war es bei Markus Suttner, einem Namen in ganz vielen Scout-Notizblöcken, weil er auf der begehrten Position des Linksverteidigers die letzte Saison über beachtliche Leistungen bot.

Bei beiden setzte der übliche, von Funktionären und Experten der alten Schule betriebene Vorsichts-Modus ein - und schon waren sie noch eine Saison bei der Austria. Die Einschätzung von Leuten wie Herbert Prohaska in allen Ehren - aber die Zeiten haben sich geändert, das Tempo ist auch transfertechnisch höher geworden: Wer nicht dann wechselt, wenn sein Stern ganz oben steht, wird keine reelle zweite Chance kriegen.

Nun hat Nenad Bjelica die Stöger-Nachfolge mangels strategischer Substanz verkackt und schafft es, den schwarzen Peter den Spielern umzuhängen. Und zwar vor allem Hosiner und Suttner.

Zwei Spieler, für die die Austria im Sommer 2,5 bis 5 Millionen Euro lukrieren hätte können, nein müssen, sitzen jetzt auf der Ersatzbank.

Und heute hat auch noch ÖFB-Coach Marcel Koller das Opferlamm Hosiner (einen, den er spielertypusmäßig eh nie so recht wollte) durch die Nichtnominiereng den letzten Rempler mitgegegeben.

Philip Hosiner ist schon auch selber schuld, weil er nicht stark genug darauf gedrängt hatte wegzukommen - der Trottel ist aber die Ausbildungsliga Bundesliga, die ihrer Aufgabe wieder einmal nicht nachgekommen ist - und ganz konkret der ohnehin überfordert wirkende Thomas Parits und sein Co Kraetschmer, die sich exporttechnisch fest verkalkuliert haben.

Und dann noch das ÖFB-Team, ein wenig hilflos rudernd

#fußball #oefb

Vielleicht liegt es daran, dass offenbar (entgegen meiner Erwartung) die Zukunft einiger Mitarbeiter nicht geklärt ist - aber der heute nominierte erste Kader auf dem Weg zur Euro 2016, der kommt echt ein wenig hilflos daher. Wo der verletzte Mittelfeldspieler Baumgartlinger fehlt, wurde der Verteidiger Hinteregger geholt, und statt Hosiner (siehe oben) sind die zwei zuletzt schon Abruf-Neuen Zulechner und Hinterseer dabei im 24-Mann-Kader.

Das ist, vor allem im Angriffs-Bereich, schon ein echter Hilferuf. Vielleicht wird deshalb so wild im Fall Alan herumgedoktort.

Dass Koller für einen Test der U21, die ein Quali-Spiel hat, mit Sabitzer und Hinteregger zwei zentrale Akteure entzogen werden, ist constantiniesk unsympathisch, vielleicht aber nur Ausdruck einer aktuellen Kollerschen Verwirrung, denn "es macht keinen Sinn, wenn ich einen U21-Spieler mitnehme, der bei uns im Kader nur die Nummer 22 ist". Genau das ist aber der Fall. Ja, egal. Noch.

Man will es weiter ohne Holzhauser (dem Gregoritsch eine disziplinarische Sache nicht "nachsehen" will) ohne Markus Berger, ohne Jantscher (der ist nur auf Abruf), aber auch ohne Bodul oder Nuhiu (Stürmer?) probieren. Vielleicht hat Koller aber die letzten paar Wochen auch abseits der Vertragsverhandlungen nichts gesehen und gedacht - das wäre dann okay, wenn der aktuelle Kader am 19.11. gegen die USA eine strategisch ansprechende Partie auf den Platz stellt.

Für den nächsten Kader muss man dann aber echt mehr erwarten.