Erstellt am: 29. 10. 2013 - 17:07 Uhr
Ein gruseliges Werkzeug
fm4.ORF.at/netzkultur
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"In ein paar Tagen entfernen wir eine alte Facebook-Einstellung mit der Bezeichnung 'Wer kann deine Chronik über den Namen finden'. Wir möchten diese Änderung hier erläutern."
EPA
Viele Facebook-User sind in den letzten Tagen von dieser Meldung überrascht worden, als sie sich in ihre FB-Accounts eingeloggt haben. Manche haben sich vielleicht gar vor den Kopf gestoßen gefühlt, weil man sich nicht mehr auf Facebook verstecken kann. Dabei hat FB-Gründer Zuckerberg mit seiner Aussage "Privatsphäre ist nicht mehr zeitgemäß" ja schon vor Jahren die Richtung vorgegeben und so klingt auch Facebooks Erklärung für diesen Schritt als Eliminierung einer veralteten Einstellung. Man könne inzwischen ja auch über andere Wege gefunden werden, über Erwähnungen durch Freunde, Markierungen in Photos oder - und hier steckt der wichtige Teil der Erklärung - über "Graph Search".
Revolution der Facebook-Suche
Bis vor Kurzem konnte man über die Facebook-Suchleiste ja nur FB-Profile oder Seiten finden, für alles andere wurde man auf den FB-Kooperationspartner bing umgeleitet. Ein schwaches Ergebnis für eine Firma, die auf einem riesigen Datenschatz hockt. Deshalb hat Facebook auch Anfang des Jahres eine völlige Überarbeitung ihrer Suche angekündigt mit dem Ziel, diesen Schatz zu heben. Jetzt, wo der Rollout des neuen Tools für die US-Version von FB fast abgeschlossen ist und bald auch die deutschsprachigen Facebook-Accounts erfassen wird, kann man sehen, was diese neue Art der Suche bringt.
Mit einem kleinen Trick kann man Graph Search bereits jetzt nutzen, indem man einfach die Sprache des Accounts auf Englisch (US) umstellt.
Graph Search ist ein mächtiges Werkzeug, das ich mit fast natürlich klingenden Fragen füttern kann. Ich kann zum Beispiel herausfinden, wer von meinen Facebook-Freunden in Wien gerne Snowboarden geht, um jemanden zu finden, der am Wochenende mit mir auf den Berg fährt. Oder ich kann schauen, ob jemand einen Zahnarzt in der Nähe empfiehlt, wenn ich Zahnschmerzen habe. Solche Beispiele und ähnliche führen etwa die Facebook-Entwickler gerne an, wenn sie über ihr Tool sprechen.
Die Ergebnisse der Graph Search werden aus all den Informationen zusammengetragen, mit denen wir Facebook jahrelang gefüttert haben, und die auch schön aufbereitet in Kategorien vorliegen: Name, Alter, Geschlecht, Wohnort, Interessen etc. Auch jeder Like ist eine Information.
Verknüpfung von Merkmalen
Mit der Graph Search kann man verschiedene Suchkriterien miteinander verknüpfen und so immer genauere Ergebnisse erzielen. Das kann praktisch sein, wenn ich einen guten Film suche, der von Freunden meiner Freunde geliked wird, die den Film xy auch gut fanden. Das Tool lädt aber auch zu Missbrauch und Stalking ein. Techblogs haben kurz nach Release von Graph Search ausprobiert, was alles geht und etwa nach Frauen gesucht, die in der Nähe wohnen, Single und an Männern interessiert sind und sich außerdem gerne betrinken. Auch für Wien liefert das Tool bei diesen Kriterien Ergebnisse.
Deutsche Medien haben Graph Search aufgrund seiner Funktionsweise schnell mit einem Mittel aus der Polizeiarbeit verglichen, der Rasterfahndung.
Bewussterer Umgang
Wer nicht im Ergebnis solcher Suchabfragen aufscheinen will, muss sparsam mit seinen Daten und Likes umgehen und sich genau mit seinen Datenschutz-Einstellungen auseinandersetzen. Graph Search zeigt den Suchenden nur die Sachen an, die für sie freigegeben sind, also all die Infos und Fotos, die öffentlich geschaltet sind oder von Freunden für sie aktiviert. Dazu zählen allerdings auch Fotos, auf denen man markiert wurde. Bei jedem Foto, jedem Posting und jedem Like sollten sich die User also überlegen, wer diese Infos einsehen kann.
Der nächste Entwicklungsschritt
Mit dem Rollout von Graph Search ist dessen Entwicklung noch nicht zu Ende. Der nächste Schritt wird sein, dass Graph Search auch alle Postings durchsucht und somit ein Facebook-Merkmal ändert: Bis jetzt sind Postings irgendwann im Graph und der Timeline so weit nach unten gerutscht, dass sie verschwunden sind. Mit der neuen Suchfunktion können sie wieder aufgefunden werden. FB bekommt sozusagen ein Gedächtnis.