Erstellt am: 16. 10. 2013 - 16:00 Uhr
The daily Blumenau. Wednesday Edition, 16-10-13.
Noch recht neu; der Versuch das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
Wie die Medien das Radfahrer-Prinzip brav weitertragen
#jugendpolitik #medien
Es war bei einer Podiumsdiskussion mit Jung-Politikern, wie sie jetzt rund um die Wahl des öfteren vorkamen; Thema: Wie viel Platz hat die Jugend in der Politik?.
Dort wurde der stv. Bundesobmann der Jungen VP, der mit dem Hinweis auf den mittlerweile unstrittigen Erfolgsfall Kurz um weniger prinzipielle Ablehnung und mehr Zutrauen für jüngere Politiker ersuchte, von einem der beiden Diskussionsleiter, dem bekannten Print-Chefredakteur, ansatzlos mit der Frage "Sie würden es also gut finden, wenn z.B. die Laura Rudas ein Ministerium übernehmen würde?" konfrontiert. Der jungen Mannes Antwort blieb höflich - wiewohl das nicht angebracht ist.
Sie hätte etwa folgendermaßen lauten müssen: Werter Chefredakteur! Dass Sie als Vertreter eines Qualitätsmediums eine Frage stellen, für die sich selbst der Herr Fellner mit links am rechten Ohr kratzen müsste, verwirrt mich. Ein Appell für größere Durchlässigkeit, der Hinweis auf brachliegendes junges Potential und der Beleg durch mein Beispiel des erfolgreichen Jung-Staatssekretärs geben keinerlei Anlass für eine derartig populistische und undifferenzierte Nachfrage. Könnten Sie ihre Frage, gemäß der Würde des Mediums, das Sie vertreten, noch einmal neu formulieren?
Wird nicht passieren; wird sich keiner trauen. Im Wissen um die Seilschaften zwischen politischer und medialer Macht, geziemt es sich zu kuschen und diesen Spießrutenlauf so lange zu ertragen, bis man politisch abgeschliffen und alert genug ist, um von der Partei nominiert zu werden. Dann kommt die Höflichkeit der Medien-Vertreter ganz von selber.
Eine solche, wenn auch nur implizit gesetzte Häme und Verhöhnung des Polit-Nachwuchses führt also automatisch zur Produktion der gesichtslosen Teflon-Politiker, über die der Chefredakteur dann privat (zurecht) herummotzt. Auch hier sticht der Kurz-Einwand: der wurde gegen die mediale Häme (auch das Blatt des Chefredakteurs hat sich diesbezüglich nicht mit objektivem Ruhm bekleckert) mit einem politischen Amt betraut und zahlt es durch freie Rede und offene An-/Aussprache x-fach zurück.
Mir kam diese schon verdrängte Episode (eine von vielen, denn auch die Parteien selber behandeln ihre Jungen scheiße) gestern wieder in den Sinn. Da hat der nämliche Chefredakteur in seinem Blatt nämlich ein Interview mit dem Burgtheater-Chef geführt. Hart Burg Mann ist dieser Tage ja mit einer Agenda unterwegs: er hat zu wenig Geld. Mit dieser Botschaft taucht er verlässlich (und auch recht unhinterfragt) in allen Qualitäts-Medien auf. Vom Chefredakteur bekommt er Fragen wie "Sie hatten ein gutes Verhältnis zu Claudia Schmied, was hat sie dazu gesagt?". Abgesehen davon, dass das die heimische Realität spiegelt (es kommt nicht auf Qualität oder gar, VP-mäßig, auf 'Leistung' an, sondern auf gute Verhältnisse) und auch gutheißt: mehr als serviles Hölzl-Gewerfe ist das nicht.
Und genau hier, in dieser Differenz, in dieser Diskrepanz lebt der österreichische Journalismus: eilfertiges Apportieren bei den Mächtigen, dafür dann mit populistischer Verve auf die Nicht-Wichtigen hintriezen. Das Burgtheater ist nicht nur Inserent, Hartmann ist auf seine Art ja auch ein Chefredakteur, ein Strippenzieher, einer, der auch in den Ohren Mächtiger sitzt.
Das große Dilemma dabei ist, dass dieses Radfahrer-Prinzip dem Großteil der Konsumenten mit der Muttermilch eingeflößt wurde - man das also eh völlig okay findet.
Dass sich tatsächlich kritischer Journalismus immer genau umgekehrt, nämlich als Provokator den Mächtigen und Hölzlwerfer den Schwächeren gegenüber, verhält, ist nicht Teil der politischen Kultur.
Und dann wird es heller, doch nicht ganz
#medien #gesamtkunstwerk
Apropos Hart Burg Mann: ein anderer Unantastbarer bekommt gerade viel medialen Raum für seine Afrika, Afrika-Show. Ihr werdet aber auch dazu keine kritische mediale Auseinandersetzung finden. Zum einen, weil das wirklich schwer ist, da es fachliche Expertise in gleich einigen wenig beachteten Bereichen braucht; zum anderen auch, weil das keiner will. Herr Heller möchte Karten verkaufen und die Medien möchten mit ihm, dem mächtigen Kulturpolitiker, dem Mann in vieler Männer und Frauen Ohren, dem sozialdemokratischen Verbinder gutstehen.
Sich nicht mit seinem Werk auseinanderzusetzen ist also für alle Beteiligten eine einzige Win/Win-Situation. Dass der heimische Konsument somit um eine seriöse Einschätzung dieses Kultur-Events umfällt, ist nicht weiter dramatisch: es passt in die ellenlange Liste der diesbezüglichen Versäumnisse heimischer Kulturredaktionen, die sich mehrheitlich eher als Anwälte ihrer Berichterstattungs-Objekte, denn als Volksbildner sehen.
Fußball-Ultras haben mehr Moral als die Kunst-Crowd
#kunstmarkt #moral
Gazprom ist überall - nicht nur in Russland, wo die Oligarchen hinter der Staatsmacht ihre Potenz auf diesen Monopolisten stützen. Gazprom ist auch in West-Europa, um gute Stimmung und PR zu machen, das russische Image aufzupolieren.
Gazprom ist dank Schröder massiv in Deutschland daheim, es sponsert die Volkskulturmarke Schalke 04, mehr geht nicht. Jetzt kommt Gazprom dank Schröder auch nach Österreich.
Gut, es sind zwei verschiedene Schröder - der eine ist Gerhard, der Ex-Kanzler, den Putin engagiert hat wie Nasarbajev Gusenbauer; der andere ist Klaus Albrecht, das Marketing-Genie hinter der Albertina Neu.
Klaus Albrecht hat eine tolle Schau: Dreaming Russia., Untertitel: Works from the Gazprombank Collection. Sogar mit (hihi!) Wollmützen-Fotos, ganz ohne diese böse Pussy Riot-Schiachness. Echte Staatskunst, sicher ähnlich bedeutend wie damals der sowjetische Realismus.
Protestieren tun nur die üblichen Verdächtigen: Greenpeace. Die machen das auch bei Schalke im Stadion, zeigen die Gazprom-Machenschaften dort auf, wo Gazprom versucht seine PR-Mäntelchen drüberzulegen.
Der Unterschied zwischen Fußball und Kunstszene ist aber evident: während sich in Schalkes Ultra-Szene Fan-Widerstand gegen Gazprom regt und Fanzines über die moralische Frage Gazprom-Anzeige ja oder nein? diskutieren, juckt die Vereinnahmung der russischen Kunst hierzulande keine Sau.
Schröder, der Klaus Albert, zieht sich auf den alten Schmäh der Trennung zwischen Sport bzw. Kultur und Poltik zurück: "Ein Museum sollte ein Ort der Toleranz und der Konfliktfähigkeit sein. Die Künstler sagen ja nicht: Es gibt nichts Schöneres, als nach Gas und Öl zu bohren." Für jemanden, der den Kunstbetrieb als das versteht, was er ist, nämlich ein riesiges Business, nachvollziehbar. Der Kunstbetrieb war immer schon das ornamentische Anhängsel der Mächtigen, der Putzerfisch der großen Wale.
Dass allerdings jene, für die diese Austellungen gemacht werden, die Fans, die heimische Kunst-Crowd, nicht einmal eine popelige Facebook-Protest-Gruppe zustandekriegen, mit der sie sich über die Instrumentalisierung ihrer Lieblings-Disziplin empören, das zeigt nichts als die moralische Überlegenheit jedes einzelnen Fußball-Ultras.