Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Know your rights, Beggar!"

Claus Pirschner

Politik im weitesten Sinne, Queer/Gender/Diversity, Sport und Sonstiges.

13. 9. 2013 - 17:03

Know your rights, Beggar!

"Betteln ist erlaubt" heißt der neue Rechtsratgeber für BettlerInnen und GeberInnen.

Ein generelles Bettelverbot ist verfassungswidrig - das hat der Verfassungsgerichtshof in Reaktion auf ein solches in in der Steiermark zu Jahresbeginn befunden. Dennoch ist Betteln defacto oft fast gänzlich verboten - zum Beispiel in Wien, wo "gewerbsmäßiges", "agressives", "organisiertes" oder "aufdringliches" Betteln untersagt ist. Schon vor einem Jahr hat das KünstlerInnenkollektiv Statt Wien dagegen protestiert und mit einem gefaketen Bettelbeauftragten auch im Bürgermeisterbüro für Verwirrung gesorgt. Der erfundene Beauftragte sorgte sich um das Wohl der BettlerInnen.

Wiener Prater Kasperltheater

FM4 / Claus Pirschner

Ein bettelnder Kasperl und ein großzügiger Polizist: Auftritt des Original Wiener Praterkasperls bei der Präsentation der neuen Bettelbroschüre vor der Wiener Landespolizeidirektion. Die Realität sieht anders aus.

Neue Bettelbroschüre

Nun legt das Kollektiv Statt Wien gemeinsam mit der Bettelloby Wien ein Jahr später nach und zwar mit der Präsentation eines Bettelratgebers für BettlerInnen und GeldgeberInnen im Rahmen der Wienwoche. Die Broschüre "Betteln ist erlaubt" wurde heute Vormittag auf der Ringstraße vor der Wiener Landespolizeidirektion der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie liegt in deutscher, bulgarischer, rumänischer und ungarischer Sprache auf. Ferdinand Koller von der Bettellobby Wien erzählt, dass der Ratgeber als Reaktion auf schikanierte BettlerInnen entstanden ist: "Da werden die Leute für Sachen bestraft, für die man nicht bestraft werden sollte, zum Beispiel für agressives Betteln, nur weil man die Hand ausstreckt oder nur weil man 'Bitte Bitte Bitte' sagt", so Koller.

Strafen bis zu 400 Euro werden auferlegt und da die BettlerInnen sie nicht zahlen können, müssen sie pro nicht gezahltem Euro für eine Stunde ins Gefängnis. Für hundert Euro Strafe sitzt man mehr als vier Tage im Gefängnis. "Wir kämpfen gegen diese Strafen und gegen die Ersatzfreiheitsstrafe im besonderen." Der Bettellobby liegt auch rechtswidriges Verhalten der Polizei gegenüber BettlerInnen vor. Eine rumänische Frau musste sich etwa "unter erniedrigenden Umständen" ausziehen. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat das verurteilt, die Amtshandlung wurde für rechtswidrig erklärt.

Bettelbroschüre

FM4 / Claus Pirschner

Die Broschüre "Betteln ist erlaubt" klärt auf, was die Exekutive darf und was nicht, welche Rechte BettlerInnen haben und auch welche Rechte GeldgeberInnen haben. PassantInnen dürfen beispielweise bei einer Ausweiskontrolle von BettlerInnen auf der Straße nicht weggeschickt werden, außer der/die Bettelnde will das. Ebenso dürfen Vertrauenspersonen auf die Polizeistation mitgenommen werden, das können auch PassantInnen sein.

Delikat ist übrigens auch der Hinweis auf der heutigen Presseaussendung über den neuen Ratgeber: "Die 'Betteln-ist-erlaubt' Broschüre wurde im Rahmen von Wienwoche mit Mitteln der Stadt Wien erstellt!" - also von derselben Stadt, die mit immer strengeren Gesetzen versucht, die BettlerInnen zu vertreiben.

Zur Erklärung: 2010 sind die Grünen in die Stadtregierung gekommen. Nachdem die SPÖ das Donauinselfest hat und die ÖVP das Stadtfest, haben die Grünen ebenso ein Projektbudget erhalten. Das haben sie dem Verein zur Förderung der Stadtbenutzung übertragen, der die Wienwoche organisiert, die heuer von 12. bis 29. September läuft. Die Entschärfung des Bettelverbots im Gesetz ist den Wiener Grünen allerdings bisher nicht gelungen.