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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

1. 9. 2013 - 10:39

Ich kauf das nicht!

Eine Aktion am Berliner Brandenburger Tor wendet sich gegen die zunehmende "Pinkifizierung" von Werbung und Konsumartikeln. Mit Sookee, Bernadette La Hengst und Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow.

Dass Frauen in der Werbung oft objektifizierte Sexsymbole sind, das ist ein alter Hut. Gut ist aber, dass es immer wieder neue Generationen von Frauen und Männern gibt, die sich daran nicht gewöhnen wollen.

"Schluss mit dem Sexismus in der Werbung", fordert deshalb in Berlin eine Demo samt Kundgebung und Konzert am Brandenburger Tor. Auf der Bühne stehen Rapperin Sookee, Bernadette La Hengst und Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow, zwei Stunden soll das Konzert dauern und nur von kurzen Reden unterbrochen werden.

Organisiert wird das Ganze von Pinkstinks Germany, die in Berlin bereits durch den Protest gegen das "Barbie-Dreamhouse" bekannt sind. Außerdem sind "Terre des Femmes", die Initiatorinnen von #aufschrei, der Bundesverband Frauennotrufe und das Missy Magazine dabei.

Werbeplakat von Pinkstinks

Pinkstinks

Pinkstinks tritt gegen Produkte, Werbeinhalte und Marketingstrategien auf, die Mädchen eine limitierende Geschlechterrolle zuweisen. Die Kampagne wirbt für ein kritisches Medienbewusstsein, Selbstachtung, ein positives Körperbild und alternative Rollenbilder für Kinder. Die "Pinkifizierung" trifft nämlich Mädchen und Jungen gleichermaßen.

Es ist ja nicht nur der reine Sexismus in der Werbung, der zur Zeit so nervt. Angesichts der fortschreitenden Einteilung der Warenwelt in "männliche" und "weibliche" Produkte, also der fortschreitenden Polarisierung der Geschlechtercharakter, fühlt mann und frau sich manchmal in die Fünfziger Jahre zurückversetzt.

Anders als noch vor zwanzig Jahren sind die Spielzeug-Abteilungen der Kaufhäuser heute in Bereiche "für Jungen" und "für Mädchen" aufgeteilt. Die Mädchenseite ist eine pinke Vorhölle - kaum möglich, ein Spielzeug zu kaufen, das nicht rosa ist oder in einem Prinzessinnenzusammenhang steht. Bei den Jungs dominieren dunkle Farben, hier herrschen Piraten, Spiderman, Autos und Lastwagen vor. Seit neuestem werden sogar Überraschungseier nach Geschlechtern getrennt und dieser Wahnsinn macht auch nicht vor den Erwachsenen halt. Chips für den "Mädelsabend" und den "Männerabend" sind da wohl erst der Anfang.

Zum Thema Sexismus in der Werbung gibt es auch eine Social Media-Kampagne. Unter dem Hashtag #ichkaufdasnicht werden Produkte und Werbeanzeigen gesammelt, die sexistisch, rassistisch, homophob, transphob oder in anderer Form diskriminierend sind. Ziel der Kampagne ist es, die Stimme der Konsumentinnen und Konsumenten zu nutzen. Denn wenn sich möglichst viele Menschen gegen menschenverachtende Produkte, Werbeanzeigen und Medien wehren und auch klar machen, dass sie kein Geld mehr für diese sexistisch beworbenen Produkte ausgeben, wird sexistische Werbung zur Anti-Werbung umfunktioniert.

Werbung der Nordhäuser Zeitung

nnz-online.de

Das berühmte Nordhäuser Dekolleté. Wer das nicht lustig findet, hat keinen Humor.

Befeuert wurde die aktuelle Diskussion auch durch das sogenannte "Dekolleté von Nordhausen". Die kleine thüringische Stadt Nordhausen erlangte zweifelhafte Berühmtheit, weil das örtliche Anzeigenblatt "Kleine Nordhäuser Zeitung" mit folgendem Motiv für ihr Onlineportal warb: Eine bäuchlings liegende Frau ist darauf zu sehen. Besser gesagt: vor allem ihre Brüste, nur notdürftig verdeckt durch ein dunkles Top. Darunter der Spruch: "Kommt schneller als die Alte, ist besser gebaut und macht, was man ihr sagt."

Die Frauenbeauftragte der Stadt wandte sich an das Blatt und bat, zukünftig doch darauf zu verzichten, Nachrichten mit Hilfe frauenfeindlicher und sexistischer Worte und Motive "an den Mann" zu bringen. Die Antwort der "nnz-online"-Redaktion, die im Wesentlichen aus dem Chefredakteur besteht, war eindeutig. "Sehr geehrte Frau Müller", heißt es darin, "wer den Sinn der Werbung nicht versteht und keinen Humor hat, der sollte in nächster Zeit vielleicht alle Medien meiden."

Diese Argumentationslinie ist altbekannt: Frauen, die sich durch Sexismus beleidigt fühlen, haben einfach keinen Humor, sie verstehen die feine Ironie, das berühmte "Augenzwinkern" nicht! Die Spiegelkolumnistin Silke Burmester regte deshalb an, dass alle Frauen, die sich über solche Werbung ärgern, doch mal das Seminar "Ironie für Fortgeschrittene Teil I" besuchen sollen.

Was der "Redaktion" der NNZ und vielen anderen entgeht: Sexistische Werbung ist nicht nur entwürdigend und frauenfeindlich, sondern letztendlich auch männerfeindlich, weil sie männliche Konsumenten zum Neandertaler degradiert, ihnen durchweg Stumpfheit und Gefallen an sexistischen Bildern und Texten unterstellt.