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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

6. 4. 2013 - 18:03

Occupy Barbie

Die ewige Barbie-Baustelle gibt's jetzt in echt: in Berlin wird ein sogenanntes Barbie-Dreamhouse hochgezogen. Message: Mädchen gehören rosa. Protest: regt sich.

Einer der unschöneren Orte Berlins liegt ganz in der Nähe des Alexanderplatzes: Auf einem großen leeren Gelände wurde das hässliche Einkaufszentrum “Alexa” hochgezogen, im Dezember zieht der große Berliner Weihnachtmarkt mit Achterbahn und spektakulären Fahrgeschäften dort hin, den Rest des Jahres über wird die große Fläche zum Parken genutzt.

Seit einigen Wochen tut sich wieder einiges auf der städtischen Brache. Weiße Container werden umherbugsiert und aufgestellt. Besuch mich!, brüllt es in pinken Lettern von einem paillettenbesetzten Plakat. Barbie, die Puppe mit der Wespentaille, ist in Berlin angekommen, samt ihrem „Dreamhouse“. Das ist ein sämtlich pinkifiziertes Barbie-Haus mit Zubehör. Bald soll es für die Dauer von drei Monaten hinterm Alexanderplatz entstehen – in Lebensgröße, mit 2500 Quadratmetern begehbarer Fläche und durch und durch aus pinkem Plastik.

Barbie Dreamhouse

Dreamhouse

So soll es später aussehen

„Nie dagewesene Einblicke in Interieur und Lifestyle der bekanntesten Puppe der Welt“ biete „The Dreamhouse Experience“, so verspricht es der Betreiber auf seiner Homepage. Es gibt alles: Barbie-Küche, Barbie-Schuhschrank mit Barbie-High-Heels, Barbie-Schönheitssalon mit Barbie-Make-Up, Barbie-Model-Training. Digitale pink-lila-rosane Cupcakes sollen die BesucherInnen in Barbies „High-Tech-Küche“ backen, im begehbaren Kleiderschrank in digitale Outfits schlüpfen. So selbst zur Barbie geworden, wird den Mädchen auf einem rosafarbenen Laufstieg ein Auftritt als Barbie ermöglicht.

Aber Berlin wäre nicht Berlin, würde es keinen Protest gegen die für den 16. Mai geplante Eröffnung geben. In der Facebook-Gruppe „Occupy Barbie-Dreamhouse“ unterstützen schon knapp 500 Menschen den Widerstand. Gegründet wurde die Gruppe von der Linksjugend Kreuzkölln. Begründung: „Wir wollen nicht, dass junge Mädchen bereits im Grundschulalter sexistischer Propaganda ausgesetzt werden.“ Denn auch wenn das Traumhaus in Pink “Besucher jeden Alters” einlädt, so werden es wohl hauptsächlich junge Mädchen sein, die das „Dreamhouse“ besuchen.

Baustelle

Radio FM4/Christiane Rösinger

Noch ist das Dreamhouse eine Baustelle

Unterstützt wird der Widerstand der Linksjugend von der Initiative „Pinkstinks“, die sich gegen sexistische Werbung, Produkte und Marketingstrategien einsetzt, die Jungen und Mädchen limitierte Geschlechterrollen zuweisen. Pinkstinks-Initiatorin Stevie Schmiedel kritisiert, dass schon Kinder auf ihr Äußeres und Schönheit reduziert werden. Dass die Plastik-Blondine ein fragwürdiges Schönheitsideal propagiert, zeigt eine Studie der britischen Universität Sussex. Ihr zufolge kann das Spiel mit „Barbie Millicent Roberts“ – so der volle Name der Puppe – dazu führen, dass junge Mädchen mit ihrem Körper unzufriedener werden. Und Mediziner der Uniklinik Köln, die Barbie 2009 einem Gesundheitscheck unterzogen, kamen zu bedenklichen Ergebnissen: Wäre die junge Frau ein Mensch, könnte sie aufgrund ihrer Proportionen kein normales Leben führen. Sie könnte nicht richtig atmen, litte unter den Folgen einer Fußfehlstellung sowie Bandscheibenschäden, und sie wäre unfruchtbar.

Nun ist die Farbe Pink bei Mädchen im Kita-Alter leider nicht auszurotten, das weiß jeder, der sich in Berlin hin und wieder auf Spielplätzen und in Kindercafés herumtreibt. Da können feministische Mütter und Väter noch so über die Pink- und Lillifee-Phase stöhnen: Egal was man vorher vermittelt, welche Farben man im Kleinkindalter bevorzugt hat : Ab dem Kindergarten ist der Anpassungsdruck so groß, da gibt es kein Entkommen mehr.

Dreamhouse-Protest-Flyer

Dreamhouse-Protest

Da hilft nur, mit dem Thema Pink gelassen umzugehen: Pink und Prinzessin Lillifee gehören wie vieles im Leben in eine schlimme Phase, die zum Glück aber meistens wieder vorbei geht. Gerade bei Barbie zeigen Mädchen und Jungs im kreativen spielerischen Umgang ja auch, was sie von der Puppe halten. Barbie ist wohl die am meisten misshandelte Puppe der Welt: Generationen von Mädchen verstümmelten sie, schnitten ihr die Haare ab, malten ihr Fratzen auf, verbrannten sie, verrenkten die Gummibeine, köpften sie.

Bedenklich ist allerdings, wie das binäre Geschlechterdenken in den letzten dreißig Jahren immer mehr in die Konsumwelt einzieht. In den Spielwarenabteilungen der Kaufhäuser ist alles fein säuberlich “Für Jungen” in blau-schwarz und “Für Mädchen” in rosa aufgeteilt. Legosteine und Überraschungseier , früher geschlechtsneutral, gibt es inzwischen auch in Rosa für Mädchen, und natürlich verstecken sich im pinken Ü-Ei keine Roboter zum Zusammenbauen.

Die Erbauer der Barbie-Villa wehren sich gegen die Kritik der Linken. Das Barbie-Haus sei "als Erlebniswelt gedacht" und keine "edukative Ausstellung", sagte der Chef der österreichischen Marketing-Firma EMS. Niemand habe den Anspruch, "eine tiefgreifende Message zu transportieren", und so sei der Protest “total unnötig". Nach Berlin soll die in Zeltbauweise errichtete Anlage auf Europatournee gehen. Paris, Madrid und Lissabon, sagt Rahofer, hätten bereits Interesse gezeigt. Bleibt nur zu hoffen, dass die Besucherinnen sich einen kreativer Umgang mit der pinken Barbie-Hölle aneignen, und das Dreamhouse ordentlich “umdekorieren”.