Erstellt am: 8. 7. 2013 - 11:23 Uhr
Witzewelle
Ausgerechnet bei einer Tätigkeit, zu der Frauen laut Herrenwitz und deutschem Bestseller eigentlich gar nicht fähig sind, begegnen einander in "The Heat" die stets by the book agierende FBI Agentin Sarah Ashburn (Sandra Bullock) und die großmäulige Polizistin Shannon Mullins (Melissa McCarthy) zum ersten Mal: Beim Einparken. Die eine (Ashburn) schnappt der anderen (Mullins) den Parkplatz weg, und schon haben wir den zwischenmenschlichen Scherbenhaufen. Zwischen Explosionen, Schießereien und Witz werden die beiden unterschiedlichen Frauen bis zum Ende des Films die zwischenmenschlichen Scherben zu einem ziemlich soliden Gefäß namens Freundschaft zusammengepickt haben. Soweit, so Buddy-Cop-Genre-Konvention. Bloß weil nun auch mal Frauen im Bubenclub namens Buddy-Cop-Movie auftauchen, muss man ja nicht gleich das Genrerad neu erfinden.
constantin
Feig und die Frauen
Ist ohnehin die alleinige Tatsache, dass eine Sommerblockbuster-Komödie mit zwei weiblichen Hauptrollen aufwartet, sensationelle Seltenheit genug. Noch dazu unter der Regie von diesem Herren: Paul Feig war - gemeinsam mit Judd Apatow - unter anderem maßgeblich an der grandiosen Serie "Freaks and Geeks" beteiligt. Und während Apatow die amerikanische Komödie revolutionierte, indem er zeigte, dass eine gewisse Derbheit und ein großes Herz einander nicht ausschließen müssen, sich aber hauptsächlich an männlichen Welten und Sichtweisen abarbeitete, wandte sich Feig den Frauen zu.
NBC
Auch Frauen kotzen
Mit "Bridesmaids" gab es zum ersten Mal seit langer Zeit gleich mehrere Rollen für Frauen in einer Komödie. Ein exzellent geschriebenes, kleines Gegengewicht zur Vorherrschaft der RomCom, in der verzweifelte Single-Frauen so lange einen Damenspitz haben, bei festlichen Anlässen stolpern oder bei einem Glas Rotwein und in gemütlichen Hosen rumsitzen, bis sie endlich unter der Haube sind. Die inzwischen wohl legendäre Szene in "Bridesmaids", in der Braut und Brautjungfern in einer piekfeinen Boutique von einer Lebensmittelvergiftung heimgesucht werden, scheint wie eine Attacke auf die festgefahrenen Rollen von Frauen in Komödien. Das Vorrücken in Gebiete, die im Englischen so schön mit gross beschrieben werden, war bis dahin bloß Männern vorbehalten gewesen.
UIP
Am Poster zu "The Heat" wurde McCarthy offensichtlich von betrunkenen Dreijährigen retuschiert. Sie nimmt es humorvoll.
Beeindruckender sind trotzdem die Mondo Promo Poster.
Keine lustigen Frauen im Kino
Die Komödie wurde im amerikanischen Feuilleton auch als mögliche Antwort auf Christopher Hitchens Artikel gesehen, der 2007 in der Vanity Fair erschien. Titel: "Why women aren't funny". Herrscht ohnehin ein Ungleichgewicht, was die Präsenz von Frauen auf der Leinwand angeht, so nimmt die Komödie nochmal eine Sonderstellung ein, weil vor allem Hollywood Frauen das komische Fach nicht wirklich zutraut. Nicht nur gibt es zahlreiche kolportierte Aussagen von z.B. John Belushi und Jerry Lewis, dass es nichts dran zu rütteln gäbe, dass Frauen nicht lustig sind, Studios fehlt grundsätzlich das Vertrauen in derartige Projekte.
Lustige Frauen in einer com ohne rom, daran wollen Filmstudios nicht so richtig glauben. Eine Frau in einer Komödie ohne, dass ein Mann bzw. romantische Anwandlungen eine wichtige Rolle spielen, das war auch für Fox nur schwer vorstellbar. Das Studio wollte Love Interests für die beiden Ermittlerinnen in "The Heat" reinreklamieren, so Produzentin Jenno Topping. Feig und die Produzenten weigerten sich; statt romantischen Anwandlungen oder auch nur Geplauder darüber taucht McCarthys Ehemann Ben Falcone in einer kleinen Rolle auf und wird von Mullins zurückgewiesen.
Ein ungleiches Paar
"The Heat" absolviert den Bechdel-Test also mit Einser mit Sternchen und Smiley-Sticker, viel wichtiger und aussagekräftiger ist aber, dass der Film tatsächlich witzig ist und, dass die Komödie auch eine Abrissbirne ist, die mit mit voller Wucht in die grässliche Konstruktion "chick flick" einschlägt. Man muss nicht eine Komödie auf ein bestimmtes Geschlecht zuschneiden, man muss nur Komödien machen, die gut sind, erklärt Paul Feig immer wieder in Interviews. Und genau das macht er. Beim Einparken also treffen die konservative FBI-Agentin, die im Hosenanzug und mit geglätteten Haaren auf die Welt gekommen zu sein scheint, und die Polizistin in den ausgeleierten Shirts zum ersten Mal aufeinander. Das ungleiche Paar - ohnehin ein fixer Baustein in verschiedensten Ausformungen der Komödie, gehört zum Buddy-Cop-Movie genauso dazu, wie schlecht gelaunte, Donuts mampfende Polizeichefs und semi-smarte Oneliner, deren Pointe immer knapp vor oder nach einer Explosion zündet.
constantin
Ashburn und Mullins müssen in Boston einen Drogenboss ausfindig machen, doch wie in jedem anderen Film dieses Genres ist die Geschichte um die Verbrechensaufklärung bloß ein Vorwand, um (komödiantische) Chemie zwischen zwei Figuren auf die Leinwand zu hieven. Das Herz- und Kernstück von "The Heat" ist die wie ein Bierkutscher fluchende Melissa McCarthy, eine Frau mit einem Kühlschrank voller Waffen und zweifelhaften Arbeitsmethoden.
Im Gegensatz zu "Identity Thief", wo McCarthy an der Seite von Jason Bateman spielte, ist "The Heat" nie so faul und dumm, McCarthys Figur allein schon als Witz zu gebrauchen. Beinahe wie ein direkter Kommentar dazu wirkt die Szene, in der Mullins entdeckt, dass die Steckerlschlanke körperformende Unterwäsche trägt. Mullins hat noch nie in ihrem Leben von Spanx gehört, ihr Körperumfang spielt keine Rolle. Für sie nicht und für den Film auch nicht.
Der innere Rambo
Die ansonsten in derartigen Filmen ying/yangige Balance, dass beide Figuren voneinander lernen und die allzu extremen Auformungen der Persönlichkeit gezähmt und gemildert werden, gibt es hier nicht. Mullins wird Ashburn dabei helfen, ihren inneren Rambo zu finden. Ach was, auch den äußeren. Irgendwann trägt Sandra Bullock riesige Sonnenbrillen, ein Bandana und packt zur Sicherheit noch eine Handgranate in den Rucksack. Die widerspenstigen Frauenfiguren haben es satt, stets gezähmt zu werden. In "The Heat" zielen nicht nur die Schmähs manchmal knapp unter die Gürtellinie, sondern auch die Waffen der beiden Frauen auf männliche Leibesmitten. Geradezu kathartisch wirken diese angedrohten und tatsächlichen Schüsse, ein Geballere gegen die bisherige männliche Vorherrschaft in der Komödie.
constantin
"The Heat" hat trotz dem erstklassigen Spiel von Bullock und McCarthy nicht den erzählerischen Feinschliff und die Originalität von "Bridesmaids", aber viel aussagekräftiger ist ohnehin ein Vergleich der Actionkomödie mit anderen Buddy-Cop-Movies. Und da muss sich "The Heat" nicht verstecken. Denn das Schlaue an diesem Film ist, dass nicht, nur weil Frauen statt Männern die Hauptrolle spielen, Genrekonventionen geändert wurden. Das Geschlecht spielt im Grunde keine Rolle; umso bizarrer, dass es 31 Jahre gedauert hat (1982 kam "48 Hours" mit Eddie Murphy und Nick Nolte in die Kinos), bis zwei Frauen sich die Buddy-Cop-Montur anziehen durften. 31 Jahre, in denen man immerhin zweimal auf ein Mann-Hund-Duo gesetzt hat ("K-9" und "Turner and Hooch").
constantin
"The Heat" ist am 5. Juli in den österreichischen Kinos gestartet, der greisliche deutsche Verleihtitel lautet "Taffe Mädels"
Von Ball zu Fey
Kritiker und Publikum finden gleichermaßen Gefallen an Paul Feigs Komödie. Und vielleicht verlieren nun Filmstudios ein wenig ihre Berührungsängste; Ängtse, die das Fernsehen übrigens nie kannte. Das kann seit seinen Anfängen eine Vielzahl an Komödiantinnen vorzeigen. Und im Gegensatz zum Film, wo die eigenständigen und gleichberechtigen Frauen der Screwball Comedies bereits Mitte der 1940er Jahre wieder verschwunden waren, gaben sich im Fernsehen eine Reihe einflussreicher Frauen die Serienklinke in die Hand. Von Lucille Ball über Mary Tyler Moore zu Roseanne, Ellen und schließlich Tina Fey und Amy Poehler - um nur einige zu nennen.
Das Kino hat großen Nachholbedarf, was Frauen im komödiantischen Fach betrifft. Und es scheint so, als würden nun langsam einige in Paul Feigs Fußstapfen nachfolgen. Reese Witherspoon und Sofia Vergara werden in "Don't Mess With Texas" aufeinandertreffen, Aubrey Plaza und Alia Shawkwat findet man in "The To Do List" und Melissa McCarthy und Susan Sarandon begeben sich in "Tammy" auf einen Road Trip. The Heat, so scheint es, is tatsächlich on. Und "The Heat" goes on. Eine Fortsetzung sei in Planung.