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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

13. 6. 2013 - 14:41

Böse Freunde und gefährliche Mäuse

Wenn der einsame Winter Alaskas auf den hippen Club-Pop New Yorks trifft: Portugal. The Man und ihr großer Wurf "Evil Friends", realisiert mit Wunderproduzent Danger Mouse.

Als Rockband hat man es schwer. Besonders, wenn man mit der Zeit einen unverwechselbaren Stil und Sound entwickelt hat. Was einerseits zu großem Wiedererkennungswert führt, kann andererseits für eine Weiterentwicklung und Erneuerung des eigenen Sounds hinderlich sein.

Bisherige Alben von Portugal.The Man auf FM4:

Als die akustische Gitarre im Eröffnungsstück "Plastic Soldiers" zu einem seltsamen Trompeten-artigen Sound dahinschrammelt, bin ich mir nicht sicher, ob die neue Platte von Portugal.The Man meine Liebe zu den Jungs aus Alaska und Portland/Oregon noch steigern könnte.

Doch als die kecke Nummer dann zu einem schnellen und reduzierten Rhythmus umschlägt, nur um kurz darauf zu einem Beatle-esken psychedelischen Chor- und Streicherwahnsinn auszuarten, ist mir klar: Portugal. The Man haben mit ihrem achten Studioalbum "Evil Friends" ihren charmanten Rock neu erfunden.

Portugal The Man Bandfoto

Warner/Portugal.The Man

Die Sache mit der Maus

Schon die erste Single, der Titelsong "Evil Friends", macht deutlich, dass gerade Sound und Produktion den großen Unterschied zu den bisherigen Alben von Portugal. The Man ausmachen. Zu Beginn sind eine gewohnt eindringliche Gesangslinie und das unverwechselbare Timbre von John Gourley zu hören. Doch dann wird in bester "Song 2"-Manier mit punkig verzerrtem Drive geklotzt und der Refrain mit dem üblichen Mitsing-Chor garniert. Es ist ein in perfektes Popformat gegossener Rocksong, der durch seinen speziell dreckigen und doch transparenten Klang und durch die Band-Energie des Quintetts zum Leben erweckt wird.

Verantwortlich für diesen erfolgreichen Mix an Stil, Sound und Arrangement ist der Amerikaner Brian Joseph Burton, besser bekannt unter dem Pseudonym Danger Mouse. Sein großartiges Gespür für Popmusik und deren Transformation in ein frisches, neuartiges und spannendes Klanguniversum hat er schon bei der letzten Platte von Nora Jones, "Little Broken Hearts", unter Beweis stellen können. Kein anderer Produzent schafft es derzeit, großen KünstlerInnen in dem sich immer schneller drehenden Musikbusinesskarusell einen fixen Platz zu verschaffen, von dem sie nicht gleich wieder weggeschleudert werden.

Portugal.The Man Albumcover "Evil Friends"

Portugal.The Man/Warner Music

Danger Mouse sei ein ganz normaler Typ, meint Portugal.The Man Sänger-John Gourley im Interview.

"Brian ist ein Vollblutmusiker, der Musik über alles liebt. Er hat auch seine Macken wie jeder andere, ist also ein Mensch wie Du und ich. Mit einem offensichtlich riesigen Talent.

Und das spielt der New Yorker Danger Mouse voll aus. Denn auch auf der zweiten Single "Purple Yello Red & Blue" vermischen sich das zur Perfektion verfeinerte Songwriting der Band mit warmer Instrumentierung und innovativem Soundmixing. Vor allem die Drums werden sehr detailverliebt bearbeitet, manchmal grummelnd in den Hintergrund gestellt und dann wieder mit voller Wucht auf die Trommelfelle losgelassen.

Pink Portugal Floyd

Bei dem Song "Waves", der mit seiner schwermütigen Orgel, dem verhallten Klavierakkorden und der markanten Gitarrenlinie beginnt, kann ich gar nicht anders als an Pink Floyd denken. Witzigerweise war gerade "The Dark Side Of The Moon" für John Gourley und Brian Joseph Burton der Ausgangspunkt für ihre Zusammenarbeit. Es ist jenes Album, das John in frühen Jahren ganz alleine für sich entdecken konnte.

"Ich liebe diese Platte, das ist mein Album. Es ist eines von diesen Alben, bei denen man die Veränderung und den dahinter liegenden Drive heraushört. Auch noch nach Jahrzehnten. Als ich mit Brian über 'Dark Side Of The Moon' diskutierte, dachten wir: Hey, lass uns so ein Album mit dieser Stimmung, diesem zugrunde liegenden Vibe der Veränderung."

So ist "Waves" mit seinem breiten, epochalen Sound durch viel Experimentierfreude und stetes Ausprobieren schlussendlich zum Wegweiser für "Evil Friends" geworden. Wobei an allen Songs wirklich hart gearbeitet und gefeilt wurde. Allein von "Creep In A T-Shirt", einer aberwitzigen Mixtur aus Beach Boys-Sonnenscheinpop und cool-laszivem Sprechgesang à la Beck, gab es sieben verschiedene Versionen. Und eines der absoluten Highlights der Platte, das wunderbar eingängige "Modern Jesus", hat einen extrem langen Entwicklungsprozess gebraucht, um zu dem absolut perfektesten Popsong zu werden, den Portugal. The Man bisher geschrieben haben.

Portugal The Man Bandfoto

Warner/Portugal The Man

Von der Reiskur zum Privatjet

"Evil Friends" ist für die Musiker von Portugal. The Man hoffentlich ein weiterer, großer Schritt in Richtung Bekanntheit und Erfolg. Es ist John Gourley und seiner Band wirklich zu wünschen, dass sie sich mit dem zweiten Album bei Atlanic Records sich soweit etablieren, um sich finanziell auch in Zukunft nicht große Sorgen machen zu müssen. Denn der zurückhaltende und am Boden gebliebene Sänger weiß noch ganz genau, wie alles begonnen hat.

"Klar hat sich bei uns sehr viel verändert. aber ich werde nie vergessen wie es ist, in einem Mini-Van zu leben und jeden Tag nur Reis zu essen. Wir hatten unseren Kocher und einen fünf Pfund Sack mit Reis, das war alles, mehr konnten wir uns nicht leisten. Ein Ein-Dollar-Menü in einem Fast Food Restaurant war manchmal schon das höchste der Gefühle. Wir gingen durch harte Zeiten, um dort anzukommen, wo wir jetzt sind."

Portugal.The Man live in Österreich:

  • Sonntag 22. September im Wiener WUK

Heute ist John Gourley mittlerweile Vater einer kleinen Tochter und auch wenn es sich leisten könnte, jeden Tag in schicken Restaurants zu essen, kocht er lieber für sein Kind und seine Freundin zuhause. Dieser familiäre Rückhalt ist gerade bei der exzessiven Touren derBand notwendig, um geerdet zu bleiben. Und anscheinend haben diese Veränderungen auch dazu beigetragen, dass Portugal. The Man sich auf ihre absolute Stärke konzentrieren, nämlich großartige Songs zu schreiben. Und so ist auch die psychedelische Poprockplatte "Evil Friends" voller Momente von zeitloser Musikalität, gefühlvoller Harmonien, beglückender Extase und einem positiven Grundgefühl, von dem man nicht genug kriegen kann.