Erstellt am: 10. 5. 2013 - 11:06 Uhr
"Als kommunistische Fraktion sind die Möglichkeiten beschränkt"
Der Kommunismus spielt in Österreichs Realpolitik eine vergleichbar untergeordnete Rolle - bis auf die KPÖ in Graz. Bei den ÖH-Wahlen aber treten gleich zwei kommunistische Fraktionen an. 2006 gab es eine Spaltung und seither liefern einander KSV-KJÖ und KSV-LiLi (Linke Liste) ein heiteres Hickhack, das man als Außenstehender gar nicht so einfach durchschaut.
Der Kommunistische StudentInnenverband Linke Liste hat 2009 und 2011 jeweils ein Bundesmandat erreicht. Spitzenkandidat_innen kennt der KSV-LiLi nicht, wer an vorderster Front steht, wird basisdemokratisch entschieden. Zum Interview gekommen sind schlussendlich Jennifer Zach, 26, studiert Internationale Entwicklung an der Uni Wien und Klemens Herzog, 25, studiert Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der Boku Wien.
FM4 / Alex Wagner
2006 gab es eine Spaltung von KSV-KJÖ und KSV-LiLi. Warum habt ihr euch gespalten und warum fusioniert ihr nicht wieder?
Klemens: Vorweg wollen wir die Behauptungen zurückweisen, dass der Spaltungsgrund der Verkauf des EKH gewesen wäre.
Wie es in der Tageszeitung Der Standard zu lesen war...
Klemens: Genau, diese EKH-Geschichte wird von den Medien sehr gut aufgenommen. Wir sehen als Hauptgrund, warum wir nicht zusammenarbeiten können, gravierende inhaltliche und organisatorische Differenzen. Wir als KSV-LiLi wollen einen undogmatischen antihierarchischen Kommunismus-Begriff vertreten. Bei der KSV-KJÖ steht in den Statuten, dass sie es als erste Aufgabe sehen, den Marxismus-Leninismus im engen Kampfbündnis irgendwie mit den Studierenden zu vertreten. Das ist für uns kein moderner Kommunismus, der andere soziale Kämpfe wie Feminismus oder ökologische Probleme betrachtet und mit einbezieht.
Worin zeigt sich, dass ihr kommunistisch seid?
Klemens: Wir versuchen gesellschaftliche Verhältnisse aus einer linksradikalen Perspektive zu erfassen und zu kritisieren. Dieses radikal bedeutet für uns, dass wir versuchen, die Probleme, seien es soziale oder ökologische, wirklich bis an die Wurzel zurückzuverfolgen. Und dabei stoßen wir ganz oft auf die Kapitalverhältnisse. Unser Anspruch ist es natürlich neben der tagtäglichen Arbeit, die wir auf der ÖH leisten, diese Verhältnisse irgendwann zu überwinden.
ÖH-Wahl auf FM4
Vom 14.-16. Mai finden an Österreichs Fachhochschulen und Universitäten die ÖH-Wahlen statt. Wir stellen euch alle Fraktionen und deren Anliegen vor.
Die Diskussion der SpitzenkandidatInnen mit Armin Wolf könnt ihr als Videostream 7 Tage on Demand anschauen.
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Weitere Infos zur ÖH-Wahl gibt es auf wahl.oeh.ac.at und auf wahlkabine.at könnt ihr via Fragebogen herausfinden, welche Fraktion eure Meinung am ehesten vertritt.
Die kommunistischen Systeme sind weltweit gesehen in der Minderzahl. Mir fallen spontan nur Nordkorea und China ein und die halten von Menschenrechten nicht sehr viel. Was haltet ihr von der Politik, die dort stattfindet?
Jennifer: Die verurteilen wir aufs Schärfste.
Klemens: Wenn man sich Länder wie Nordkorea anschaut, gerade in punkto Meinungsfreiheit: da gibt es gar nichts gutzuheißen. Das sind totalitäre Systeme, die sich vielleicht selbst als Kommunismus deklarieren, aber die nichts gemein haben mit unserem Verständnis von Kommunismus.
Was macht ihr denn konkret für die Studierenden?
Jennifer: Wir haben in der ÖH-Zeit die letzten zwei Jahre über die NoWKR-Proteste mitorganisiert, wir waren bei den Refugees organisiert. Wir haben eine Bildungskonferenz im Oktober letztes Jahr organisiert.
Jetzt sind das gesellschaftspolitisch sehr wichtige Anliegen, aber eigentlich hat das mit dem Studieren an sich eher wenig zu tun. Habt ihr euch vielleicht von den Studierenden auch etwas entfernt?
Jennifer: Zuerst sollten wir mal unser Verständnis von Politik erklären. Man kann Allgemeinpolitik nicht von Bildungspolitik trennen. Das ist für uns ein- und dasselbe. Und wer sind denn überhaupt die Studis? Sind das nicht auch Studis, die prekär arbeiten? Sind das nicht auch Studis, die in dieses System eingebettet sind?
Klemens: Was man auch noch betonen kann ist, dass sich das nicht ausschließt (...) Konstruktive Gremienarbeit und Einsatz für verschiedene Serviceleistungen, die natürlich auf einer ÖH auch notwendig sind, schließen sich nicht aus, nur weil man auch gesellschaftspolitisch aktiv ist.
Was ist der wichtigste Punkt in eurem Programm?
Jennifer: Kampf gegen Prekarisierung, für Demokratisierung.
Klemens: Es ist schwierig, den wichtigsten herauszufiltern. Wir haben sowohl Punkte, wie wir uns ÖH-Arbeit vorstellen, also eine möglichst große Einbindung von unten. Das heißt eine weitere Demokratisierung der ÖH. Dass man linke gesellschaftspolitische Initiativen aus der ÖH auch herausfordern und fördern will. Konkret inhaltlich ist natürlich ein großer Schwerpunkt unser Einsatz gegen eine Prekarisierung. Oder zumindest eine Thematisierung, dass viele Studierende neben dem Studieren auch arbeiten müssen, um sich das Studium leisten zu können (...) Und konkret geht es sicher auch darum, Freiräume, die uns bisher an den Universitäten noch verblieben sind, mit Zähne und Klauen zu verteidigen. Auch konkrete Verbesserungen wie etwa die Rücknahme der Kürzung der Familienhilfe einzufordern. Ich glaube, wir haben keine Patentlösungen für all die Probleme. Wir versuchen halt, in eine gewisse Richtung zu arbeiten.
Einer dieser Freiräume sollte das Cafe Rosa sein, das Ihr in der ÖH Wien, da seid ihr in der Exekutive, auch mitzuverantworten habt. Jetzt wurde aus dem Café Rosa ein Riesen-Debakel, es macht Schulden ohne Ende. Wie steht Ihr dazu und warum habt ihr da kein richtiges Veto eingelegt?
Jennifer: Also wir sind ziemlich klein. Wenn wir da ein Veto eingelegt hätten wäre das - weiß nicht - nicht sonderlich laut geworden. Wir vertreten immer noch das Konzept dahinter: dass es wichtig ist, für Studierende einen Raum bereitzustellen, den sie nutzen können, wo sie politisch aktiv werden können und wo sich Studis vernetzen können. Für das Konzept stehen wir immer noch und ja, es ist halt einiges schief gegangen und wir werden dafür eintreten, dass in Zukunft solche Fehler nicht mehr passieren und dass die ÖH daraus lernt.
Das klingt jetzt wie das Wahlversprechen eines Politikers. Was heißt das konkret?
Klemens: Man kann natürlich schon selbstkritisch anmerken, dass wir gegen diverse Fehlentwicklungen, die wir schon bemerkt und gesehen haben, lauter und besser hätten auftreten können. Dieses Argument von der Jenny stimmt natürlich schon. Es hat andere Fraktionen gegeben, die dieses Projekt unbedingt durchsetzen wollten und man hat sich dadurch auch als ÖH Uni Wien in eine Situation begeben, die sehr schwierig ist. Diese Verträge (man zahlt extrem hohe Mieten, man kann nicht aussteigen) ind Sachen, die, ja die einfach falsch gelaufen sind. Und man muss einfach diesen Grundgedanken dennoch hervorheben: Es braucht Studi-verwaltete Räume. Aber es soll nicht so ablaufen, wie jetzt im Fall vom Café Rosa. Ich selber studiere an der Boku. Wir haben da ein super Beispiel, das Tüwi. Das funktioniert seit Jahren, kann sich wirtschaftlich halten. Die Lehre, die man vor allem daraus ziehen kann, ist, dass man selbstverwaltete Strukturen nicht von oben herab als ÖH diktieren kann, sondern dasss es vor allem darum gehen muss, vorhandene Initiativen, die irgendwie gewachsen sind, wo sich Leute engagieren, durch die ÖH zu unterstützen.
Das ganze Interview mit Klemens Herzog und Jennifer Zach (KSV-LiLi)
Die Interviews zur ÖH-Wahl gibt es auch im Interview Podcast.
Über die Vision vom existenzsichernden Grundeinkommen für alle, ob die KSV-LiLi Studis anspricht, die einfach nur studieren und einen Job finden wollen und sich nicht für Bildungspolitik interessieren, was es mit dem Sabotage-Hasi auf sich hat, warum in Graz die KSV-KJÖ unter dem Namen KSV-LiLi antritt und auf welches Wahlergebnis man hofft, erzählen Klemens Herzog und Jennifer Zach im ausführlichen Interview zum Nachhören.
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