Erstellt am: 22. 2. 2013 - 14:19 Uhr

Strike A Pose!

Harlem what? Ein Blick auf Tanzbewegungen aus Musikvideos und Filmen, die tatsächlich Eingang auf die Tanzfläche gefunden haben. Do try this at home.

Vogeltanz brüllt Trishes zwei Tische hinter mir und er hat recht. Der nervtötende Kindergschnas-Hit ist wohl die erste Begegnung im Leben vieler mit einem Lied, das mit klaren Tanzinstruktionen einher schreitet. Weil kleine verkleidete Menschen aber höchst bezaubernd aussehen, ziemlich egal was sie tun, entdeckt man die Pein der nachgemachten Tanzbewegungen erst dann, wenn man sich zum Beispiel Menschen anschaut, die den patscherten Moonwalk selbst zu Michael Jacksons getragener "Heal the World"-Ballade versuchen und die zu jedem Stück vom Pulp Fiction-Soundtrack die Beine in den Swing-Winkel knicken und Zeige- und Mittelfinger voneinander abgespreizt an den Augen vorbeiziehen.

Nachdem "Gangnam Style" und der "Harlem Shake" zumindest kurzfristig Eingang ins kollektive Popkulturgedächtnis gefunden haben, wird es Zeit, einen Blick zurück zu werfen. Wer hat es noch mit Musikvideos bzw. anfänglich natürlich bloß Fernsehauftritten geschafft, dass wir uns nicht nur Melodie und Refrain merken, sondern auch noch einen Tanz nachahmen?

Elvis the Pelvis

Ohne King kein Hüftschwung, aber ohne Chubby Checker und den Twist auch kein King. Eine der wohl essenziellsten und den Sex in der Musik verankernden Bewegungen hat Elvis kreischenden Teenagern beigebracht. Für sein exzessives Beingezappel hat er sich
von Big Chief" Wetherington, Sänger beim The Statesmen Quartet, inspirieren lassen. Die Elvis the Pelvis Bewegungen kann inzwischen jedes Baby. Wer zu Elvis tanzt, wird um den Twist, Hüftgekreise und Beingeschüttel nicht herumkommen.

elvis presley

So kurze Hosen tragen nur Elvis und Magnum

Während die Beatles abseits ihres musikalischen Einflusses vor allem junge Männer zum Haarewachsen inspirierten, bleiben die Tanzböden beatlestechnisch wenig beeinflusst. Und seltsamerweise hat sich die energetische Bewegungsweise von Mick "The Cat" Jagger nicht einmal unter The Rolling Stones-Fans durchgesetzt. 1964 allerdings kommt "Alexis Sorbas" in die Kinos und lässt nicht nur alle glauben, dass Anthony Quinn Grieche ist, sondern auch, dass der Sirtaki ein traditioneller, griechischer Volkstanz ist. Ist er aber so nicht. Die spezielle Art zu tanzen, rührt auch von einer Beinverletzung Quinns. (Danke fürs Erinnern, fargonaut!)

Disco

Die Lichter mussten gedimmt und bunt und die Gitarren ins Eck gestellt werden, damit Disco Dance Crazes die Tanzwelt bereichern konnten. Zwar gab es den Hustle als Tanz bereits ein paar Jahre vor dem Song "The Hustle", doch erst mit der Veröffentlichung und Show-Auftritten von Van McCoy wurde "The Hustle" zum Phänomen. Ebenfalls auf - erleuchtetem - Discotanzboden perfektionierte John Travolta als Working-Class-Hero mit schmaler Hüfte seine Bewegungen zu "Night Fever". Der sogenannte tango hustle wurde für den Film erfunden, mit "Line Dance" kombiniert und wer zu dem Bee Gees-Songs tanzen kann, ohne die Bein- und Handstreck-Bewegung durchzuführen, hat einen starken Willen oder den Film nie gesehen.

warner

1975 gesellte man Glam zum Rock und steckte Tim Curry in Strapse: "The Rocky Horror Picture Show" kam in die Kinos und mit ihr ein Song, in dem die Tanzanweisungen mitgesungen werden. "Time Warp" ist auch ein Song, um Menschen mit Rechts/Links-Schwierigkeiten den Schweiß auf die Stirn zu treiben. After all, it's just a jump to the left.

warner

Ob ihr wirklich richtig steht... "Time Warp"

Dass eh verkleidete Erwachsene auch spitze aussehen können bewiesen die Village People 1978 und brachten zu "YMCA" einen "Y"-Buchstabier-Move kombiniert mit clap, turn, stamp-Kombinationen. Zwei junge Herren, sie sich nicht gern verkleideten, aber ihr Gewand gern verkehrt herum anzogen, schenkten uns eine einfache - und vom Song auch eindeutig eingeforderte Bewegung: Zu Kriss Kross "Jump" hüpft man nunmal in die Höhe, da fährt der Club-Knigge drüber.

Zombies am Tanzboden

Anfang der 80er erobert Break Dance die Musikwelt. Überall versuchen sich Menschen in Spinning, Popping und Locking. 1983 bereicherte Michael Jackson die Welt mit dem "Moonwalk", zu "Billie Jean" schien er rückwärts zu gleiten, diese Bewegung, gemeinsam mit dem Griff in den Schritt und dem Zombieschritt aus "Thriller", geht für immer in die Dance Craze Hall of Fame ein. Dem Moonwalk etwas Neues hinzufügen konnte erst Jake Johnson als Nick Miller, der in einer Episode von "New Girl" panic moonwalking als Reaktion auf Situationen, mit denen er nicht umgehen kann, einführte.

Und so wie auf jeder Wohnungsparty zu jedem Michael Jackson Song der Moonwalk probiert wird, so wird irgendjemand bei "Walk like an Egyptian" von The Bangles versuchen, anmutig und doch im Takt Schulter, Knie und Arme banglesmäßig zu verrenken. Viel zu wenig durchgesetzt hat sich Vogueing, das mit Madonnas "Vogue" Ruhm erlangte. In Modelposen einfrieren und mit den Händen das Gesicht einzurahmen schien den meisten doch zu gewagt am Tanzboden. Auf Faschingspartys im deutschsprachigen Raum tanzte man die Polonaise Blankenese.

madonna

Don't just stand there, let's get to it, Strike a pose, there's nothing to it

Limbo und Lambada

Ein Song, der bereits 1965 veröffentlicht wurde, kam in den 1990er Jahren zu Fernsehruhm. In "The Fresh Prince" tanzte Carlton zu Tom Jones Hit auf derart eigentümliche Weise, dass es als "The Carlton Dance" in die Fernsehgeschichte einging. Ein einfacher two step Tanz unter großem Armeinsatz, getanzt von einem konservativen Republikaner in Bel Air. Das musste ja viral werden, bevor es den Begriff überhaupt gab. Die 1990er Jahre waren nicht arm an Videos und leider gibt es keine Statistik über die Verletzungen, die Menschen sich beim "Lambada" oder David Hasselhoffs "Limbo Dance" zuzogen. Der "Lambada" wurde im CD-Booklet anschaulich erklärt und Freundin L. und ich, die mit Ehrgeiz und ohne Unterlass übten, holten uns einige blaue Flecken an den Hüftknochen.

los del rio

Eeeeeeeh Macarena.

In bunter Polyesterkleidung, die eng am Körper lag, wackelte man im Sommer 1995 zu "Macarena" von Los Del Rio. Es ist auch der erste Dance Craze, bei dem ich mich an Parodien erinnert kann. Die herrlichen "kranken Schwestern" machten daraus einen Song auf Valentina Hummelbrunner. "Cotton Eye Joe" von Rednex brauchte gar keine Parodie mehr, war es doch selbst eine. Der 2002 bizarrerweise in zahlreicher Remixform wiederauferstandene Song hat sogar einen Eintrag auf "Wikihow" mit genauer Tanzanleitung, nur hat man dort drauf vergessen, dass der Song bereits 1994 ein Hit war. Hüpf, hüpf, Arme in die Höhe, einhaken und im Kreis drehen. Und plötzlich ist sowas wie Square Dance zumindest Apres-Ski-tauglich. Im gleichen Jahr wie Rednex Cowboy-Gefiedel mit Stampfebeat, schickte Quentin Tarantino in "Pulp Fiction" Uma Thurman und John Travolta zum Swingcontest. Zu Chuck Berrys "You never can tell" wird seither die typische Handbewegung eines um 90 Grad gedrehten "Peace-Zeichens" gemacht.

miramax

Ketchup und Krocha

Die mit Abstand dämlichste Choreografie zum "Ketchup Song" dachte sich ein Projekt aus, das passenderweise auch "Las Ketchup" hieß. Armgewedel, das selbst den Vogeltanz wie einen Pas de Deux auf dem Eis aussehen lässt. Spike Jonze schenkte Fatboy Slim zu "Praise you" ein Musikvideo, die das noch nicht röchelnde Musikfernsehen im Jahr 1999 um einige Sternminuten erweiterte. Nicht wirklich ein Dance Craze, aber immer wieder sah man doch freudige Tänzer mit fantastischer Nonsense-Choreografie, die ihren Reiz aus dem Gegenteil zieht, und das ist es doch, was einen sonst an Tanz fasziniert, also Perfektion.

fatboy slim

No, praise you, Spike Jonze!

2008 ist es dann soweit. Wien bringt einen kleinen Dance Craze hervor, Gürtelauf- und abwärts krocht man und gibt dem Jumpstyle einen eigenen Anstrich. Anstrengend ist es schon beim Zuschauen. Ein Jahr später werden Clubgeher die Arme fast wie bei Michael Jacksons "Thriller" bewegen, nur die Handgelenke sind lockerer. Mit T-Rex-Ärmchen kratzt man den imaginären Putz von der imaginären Wand - so bewegt man sich zu "Bad Romance".

Mit "Gangnam Style" und "Harlem Shake" entstand eine Flut an Nachahmern und Parodien, nur ich frag mich immer noch, warum es sich nicht durchgesetzt hat zu Daft Punks "Around the World" diese fantastische, kreisrunde und schulterzuckende Choreografie zu tanzen.

Und jetzt kommt die Gretchenfrage jedes im Netz veröffentlichen Artikels: Was hab ich umhimmelswillen vergessen?