Erstellt am: 7. 2. 2013 - 16:05 Uhr
Geheime Gedanken
Mir gegenüber sitzt Sänger Norbert Wally von The Base. Aus seinen müden Augen funkelt der Schelm, als er meint, neue Songs mit seinen beiden Musikerkollegen zu erarbeiten wäre ein furchtbarer Prozess.
"Ich spiele halt etwas vor und sage: Ich hätte da ein neues Lied. Dann werde ich ausgelacht oder ignoriert. Dann sag ich mir: Okay, dann halt nicht. Außerdem klingt es auch immer furchtbar, wenn die Band dann bei der ersten Probe mitspielt. Das muss man auch dazu sagen. (lacht) Dann raufen wir uns halt so irgendwie zusammen. Wir brauchen schon recht lange, bis ein Song gut klingt."
Sicher, Norbert mag die Rolle des Frontmanns, bei dem man öfter nicht so richtig weiß, auf welche Fährte er einen schickt. Außerdem verwundert diese Aussage noch mehr wenn man bedenkt, dass das Trio bestehend aus Nobert Wally, Albrecht Klinger und Karlheinz Miklin seit gut zwei Jahrzehnten zusammen Musik macht.
Und doch klingt das sechste Studioalbum "Secret Second Thoughts" mehr denn je nach einem runden, in sich stimmigen, wundervoll zusammengestellten und reifen Werk.

©Marija Kanizaj
Cowboy-Matrosen und Mut zur Hässlichkeit
Gleich zu Anfang wird bei "The Rats Won't Leave The Ship (Yet)" ziemlich geklotzt. Ungewohnt für den oft melancholisch traurigen, ruhigen Sound von The Base erklingen Trompeten in gutem Americana-Stil, während der Kontrabasse unaufhörlich dahin-walked. Und wenn sich dann auch noch ein betrunkener Piratenchor dazu gesellt, dann kann man förmlich das offene Rumfass riechen, dass über die hölzernen Schiffsplanken rattert. Sänger und Texter Wally hingegen meint, bei ihm wäre dann doch wohl eher ein Bild von "Cowboy-Matrosen, die nah am Hafen vorbereiten" im Kopf.

©Marija Kanizaj
Auch die zweite Nummer, "Slomo Mother's Son", gibt dem gewohnten Sound von The Base mit einer lachenden, gedämpften Trompete gleich zu Beginn eine neue Färbung. Zu treibendem Rhythmus reflektiert Wally die Tage, in denen um ihn herum alles zu schnell zu laufen scheint und er sich ähnlich wie der Held in Stan Nadolnys Roman "Die Entdeckung der Langsamkeit" wie in Zeitlupe bewegt oder gar denkt.
Dafür wird bei "There's A Party In My Mind (Only The Lucky Ones Get Inside)" die Stromgitarre ausgepackt und bearbeitet, dass die Röhren des Verstärkers zu rauchen beginnen. In guter alter (vielleicht sogar grungiger) Rockmanier durchlebt man eine exzessive Feier nur in Gedanken, denn "wie es halt so ist mit über Vierzig, da finden die Partys oft nur mehr im Kopf statt."
Das Spannendste an dieser Nummer ist jedoch die Art und Weise, wie sich der Sänger, der normaler Weise stimmlich in unglaublich tiefen Tonlagen unterwegs ist (wie auch das neue Stück "(Would I Be) A Good Santa Clause?" eindrucksvoll beweist) beim Refrain in ungeahnte Höhen hinaufschraubt. Die brüchige Stimme ist fast am Kippen, wenn die besungene Party ihren Höhepunkt erreicht. Eine neue Gangart also, sich auch beim Gesang weiter aus dem Fenster zu lehnen, als bisher üblich. Wally formuliert das natürlich gleich viel direkter:
"Ja, Mut zur Hässlichkeit ist auf diesem Album auf jeden Fall dabei. Also schön klingt meine Stimme auf der Platte nicht, finde ich. Aber es muss auch nicht immer schön sein. Es war einfach ein Versuch, uneitler mit dem Gesang umzugehen. Ich stehe auf alle Fälle dazu."

©Marija Kanizaj
Zwischen Herzenströster und Rausschmeißer
The Base live in Österreich:
- 8. Februar, Ost Klub Wien
- 23. Februar, Spielboden Dornbirn
- 8. März, Kino Ebensee
- 15. März, Röda Steyr
- 16. März, Zone11 Hallein
Hässlich ist natürlich kein einziger Song auf diesem großartigen Album. Witziger Weise ist auch diese verschmitze Direktheit von Norbert genau das Gegenteil zum eigentlichen Thema der Platte. Geht es auf "Secret Second Thoughts" doch gerade um die geheimen Gedanken und Zweifel, die man seinem Gegenüber nicht ins Gesicht sagt. Sogar topographisch wird dieser rote Konzeptfaden genial umgesetzt, indem die Songtitel durch eingeklammerte Wörter und Phrasen nicht nur erweitert werden, sondern dadurch einen neuen Twist erfahren können.
Das gilt auch für die erste Single der Platte "(Say Goodbye To) Scooterboy", die sehr gut das Spiel mit dem Ungesagten auf den Punkt bringt.
"Als ich diese Nummer geschrieben habe, war das eine Phase wo irrsinnig viele Beziehungen im Bekanntenkreis in die Hose gegangen sind. Und ich war für viele Menschen der Tröster. Du hörst du dann alles über Beziehungen, die den Bach runter gegangen sind und meinst 'Oje, blöd' und so. Aber insgeheim denkst du dir: Naja, sag dem Typen einfach tschüss und baba, also Say Goodbye to Scooterboy. Aber das ist etwas, was du in diesem Moment nicht wirklich sagst sondern dir vielleicht denkst und später draufkommst, das hätte ich damals wirklich sagen sollen.", so Norbert Wally.
Auch wenn Norbert in seinen Jugendjahren zwar einen Roller besessen hatte, war er nicht typischer Scooterboy. Aber man kann ja auch in späteren Jahren einer wilden, motorisierten Gang beitreten, wie man in ihrem charmanten, "selbstbeobachtenden" Video sieht.
Die schon erwähnten Lieder von gehobener Traurigkeit sind auch auf "Secret Second Thoughts" zu finden und markieren eine Art thematischen Diskursstrang, den Norbert in so mancher Nacht nicht selten mit sich selbst zu später Stunde geführt hat. Wie sonst könnten so wunderschöne Rausschmeißer Nummern wie ""Kiss Me Goodnight (I Am Already Dreaming)" wohl entstehen?
"Wir haben eigentlich nur Rausschmeißerlieder aus der Bar. (lacht) Also hätten viele Songs gehabt, die man gut am Schluss der Platte platzieren hätte können. Und die Nummer '(We Can't Leave) Before They Played Our Song' ist auch so eine Nummer, in der es ums Herumstreunen in der Nacht geht. Und um das Warten darauf, dass sie in irgendeiner Bar dann doch noch dein Lied spielen. Das zieht sich irgendwie schon durch mein ganzes Leben. (lacht)"

©Marija Kanizaj
Anfänglich war ich ja etwas skeptisch, ob das neue The Base Album an den von mir heiß geliebten Vorgänger "Tested Under Extreme Conditions" heranreichen kann. Aber nach mehrmaligen Hören hat mich dann auch dieses neue Werk eiskalt erwischt.
"Secret Second Thoughts" ist ganz groß in seiner bescheidenen Klarheit und gleichzeitig erfreulich ausufernd mit all seiner Experimentierfreude, die The Base noch weiter zu sich selbst geführt zu haben scheint. Ganz kleine Momente, in denen alleine eine akustische Gitarre und Gesang ausreichen, berühren, entzücken und gehen nahtlos in die epische Breite über, die das Trio mit verschiedenen GastmusikerInnen im Studio realisieren konnten.
Und wenn dann bei dem Lee-Hazlewood-Cover "Summerwine" Norbert Wallys tiefes Timbre mit der engelsgleichen Stimme des Isländers Helgi Jonsson verschmilzt, dann wird klar, dass diese Band zurecht zwanzig Jahre überlebt hat und sicher auch weiterhin uns viele schöne Songs schenken wird.