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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

27. 2. 2011 - 11:09

Unter extremen Bedingungen

...hat das Grazer Trio The Base sich selbst und seine Musik über zwei Dekaden getestet. Das neue, großartige Album ist ein düsteres, rauchiges und köchernes Destillat der Vergangenheit.

Zu einer sanft geschlagene Akustikgitarre und einem schleppenden Kontrabass wird Nobert Wally im abgelegenen Motel des Teufels am Rande der amerikanischen Wüste geboren. Während draußen der Wind ums Haus tobt, den Sand in jede Ritze des klapprigen Holzverschlags drückt und ein eigenartiges Jaulen aus der Ferne zu hören ist, erblickt die rauchige, brüchige und tiefe Stimme von The Base das Licht der Welt. Immer schwerer wird der Beat, kreischende Gitarrenakkorde gesellen sich zu singernder Säge und Mandoline, während das leidenserprobte Trio versucht, sich die Schuld ihrer ganzen Generation auf die Schultern zu laden.

Mit dem Song "Born In Devil's Motel" eröffnet das bislang erdigste und düsterste Kapitel in der Geschichte des Grazer Trios, das seit Ende der 1980iger Jahre in der österreichischen Szene sein Unwesen treibt. Dementsprechend ist der Albumtitel auch Programm, denn "Tested Under Extreme Conditions" taucht ab in die dunklen Ecken der Seele von The Base, der Band, der Musiker und der drei Menschen dahinter.

Das lange The Base Interview mit Songs aus dem neuen Album könnt ihr kommenden Sonntag 27. Februar in der FM4 Soundparknacht zwischen 01:00 und 06:00 Uhr früh hören.

The Base Live

The Base Bandfoto

The Base

Depressiver Sonntag und verkaterte Neujahrsstimmung

Leise trommelt der Regen gegen die Fensterscheibe, wähend sich Norbert im Halbschlaf noch ein letztes Mal im Bett herumdreht. Der dichte Nebel legt sich sanft wie Watte über den frühen Nachmittag. Draußen in der steirischen Hauptstadt herrscht sonntägliche Stille und beschwört bei dem Sänger und Songschreiber jene Gefühle herauf, die er seit seiner Jugend nur allzugut kennt. Dieser depressive Sonntagsblues wird in "Rainy Sunday Proof" mit schepperndem Schlagzeug, schnarrendem Kontrabass und angezerrten Gitarren umgesetzt, sodass man unweigerlich an Tom Waits denken muss, dessen Songs auch für solche Momente geeignet sind. Der wundervolle Trauermarsch der unruhigen Sonntagsseele wird durch einen berührenden Refrain und eine gedämpfte Trompete verstärkt, andererseits bleibt gerade dadurch am Schluss die beruhigende Gewissheit, dass auch dieser Tag des Herrn vorbei gehen wird.

The Base Albumcover

The Base

Die extremen Bedingungen, unter denen das Trio sich und seine Musik über die letzten zwanzig Jahre getestet hat, reichen von Konzerten vor keinen Menschen über kleine Gigs in schrägen Landpizzarien bis zum Dorfspektakel im niederösterreichischen Kummnußbaum. Auch die selber organisierte, kleine Tour nach London löste neben Bauchmuskelkrämpfen aufgrund von Lachanfällen eher extreme Bedingungen auf finanzieller Ebene aus. Doch durch all das mussten Sänger Norbert Wally, Bassist Albrecht Klinger und Schlagzeuger Karlheinz Miklin jr. gehen, um solch ein schönes und schwarzhumoriges Album schreiben zu können.

Neben den Beschwerlichkeiten des Musikbusiness werden auf textlicher Ebene psychische Leiden besprochen, durch Alltagsbefindlichkeiten ausgelöst. Zwischen Schlaflosigkeit (in "Blame It On The Moonlight") und Erbrechen am Neujahrstag (in "Throwing Up In Public") schreibt Norbert den Moment seiner Geburt in seiner Fantasie neu (in "Born In Devil's Motel"). Vielleicht hat er in diesem teuflischen Geburtshaus auch gleich einen Pakt mit dem Höllenwesen geschlossen und deshalb die Befähigung, solch zerbrechliche, tiefgehende Songs zu schreiben.

The Base Bandfoto

The Base

Bis auf die Knochen

Wie schon auf dem Vorgänger "16 Songs in Self-Defense" stetzen die drei Musiker und Freunde aus Graz erneut auf den magischen Moment des first take. Im Fokus stehen der erste Klang der Gitarre, der den Raum erfüllt, der erste dumpfe Knall des Schlagzeugs, das durch Kompressor angehobene Rauschen des Gesangsmikrophons, das plötzlich durch Norberts sonore Stimme unterbrochen wird. Alles passiert im Hier und Jetzt, folgt einem Bauchgefühl, der geschulten Intuition und der langjährigen Erfahrung des Zusammenspiels.

The Base Bandfoto mit Pferd

The Base

Viele der Songs sind bis auf ihre Kochen reduziert und erzeugen dadurch eine unterschwellige Spannung, wie das eindringliche Duett "Waterproof Eyes" mit der fragilen und markanten Stimme von Clara Luzia. Die thematisierte Situation des "Trösters", bei dem sich alle Freundinnen und Freunde ausweinen, wird mit tiefen Basstönen, langsam geschlagener Standtrommel, dezentem Klavier, glitzernden E-Gitarrenakkorden und funkelndem Glockenspiel umgesetzt. Bei diesem zu Herzen gehenden Stück braucht man unter Umständen wirklich tränensichere Augen.

The Base haben mit "Tested Under Extrem Conditions" ein weiteres Mal bewiesen, dass man sich immer wieder neu (er)finden kann, auch wenn man seit zwanzig Jahren auf Bühnen, in Clubs, in Gasthäusern, in Scheunen, auf Bauernhöfen, in feuchten Kellerräumen oder im eigenen Schlafzimmer seiner Passion nachgeht. Nämlich Musik zu machen. Vielleicht wartet auf die drei Grazer ja noch die eine oder andere extreme Begebenheit, durch die sie hindurch müssen. Bleibt nur zu hoffen, dass die daraus gewonnenen Erfahrungen wieder solch beeindruckende, musikalische Alltagsgeständnisse liefern, die das spannende, psychische Kaleidoskop dieser Band ein Stück weiter freilegen.