Erstellt am: 28. 11. 2012 - 13:39 Uhr
Zwischen Opfern und Helden
FM4 für Licht ins Dunkel 2012
Unser diesjähriges Projekt heißt "Media and More" und ist eine Tagesstruktur (früher Beschäftigungstherapie genannt) für junge Menschen mit Behinderungen.
Sie sind an ihren Rollstuhl gefesselt, sie leiden an ihrer Behinderung oder sind Sportler mit unglaublichen Leistungen. Wenn in der (medialen) Öffentlichkeit über Menschen mit Behinderungen gesprochen oder geschrieben wird, mangelt es selten an billigen Klischees.
Zwar hat sich vieles geändert und abwertende Begriffe wie "Krüppel" werden komplett vermieden, dennoch tauchen immer wieder bekannte Floskeln auf.
Dann wird oft geschrieben über den Geist, der in einem behinderten Körper gefangen ist oder über heldenhafte Menschen, die auf bemerkenswerte Art und Weise den Alltag "meistern" - trotz ihrer Behinderungen.
FM4 / Clemens Fantur
Diese Stereotype verschlechtern nicht nur die Qualität des Journalismus, sie zeigen, wie auch Sprache diskriminierend wirken kann. Nicht nur abwertende Begriffe, die immer seltener vorkommen, sind respektlos, auch unnötige Heroisierungen und Verniedlichungen haben den gleichen Effekt. Oft wird der volle Name ignoriert. Da wird schnell mal aus einem Franz XY ein Franzi ohne Nachname. Auch wenn der "Franzi" ein 51-jähriger Erwachsener ist. Die Individuen treten in den Hintergrund und die Menschen werden auf ihre Behinderungen reduziert.
Ein politisches Problem
Ausgrenzende Rhetorik ist ein Problem, mit dem behinderte Menschen genauso konfrontiert sind, wie andere Minderheiten in der Gesellschaft. In Österreich erlebten wir zuletzt in der "Mohr im Hemd" Debatte, dass Sprache mehr ist als ein Kommunikationssystem.
Mit der Sprache werden Vorurteile verbreitet, die Wirklichkeit verzerrt und Ungleichheiten verfestigt. Das passiert auch, wenn man diskriminierende Begriffe verwendet, aber "es gar nicht so meint".
Doch auch durch eine künstliche politische Korrektheit kann keine wirkliche Sensibilisierung erreicht werden. Denn die korrekte Sprache ist das Resultat eines Konfliktes um Definitionen.
Politik & Gesellschaft auf FM4
Diskriminierende Sprache ist kein Problem der Intoleranz, sondern ein politisches Problem. Menschen mit Behinderungen, werden wie auch andere Gruppen z.B. Ausländer oder Homosexuelle, zu Minderheiten gemacht. Sprache ist dabei eines der Machtwerkzeuge, mit der die Mehrheitsgesellschaft die Andersartigkeit von Minderheiten konstruiert.
Emanzipation und Wandel
Wo es Ausgrenzung und Unterdrückung gibt, gibt es auch Widerstand. In Österreich kämpft die Aktion "Selbstbestimmt Leben" für eine Emanzipation von Menschen mit Behinderungen. Auch international hat sich in den letzten Jahren viel getan. 2008 trat die UN Konvention für Menschen mit Behinderungen in Kraft. Auch Österreich hat den Vertrag unterzeichnet und verpflichtet sich damit die gesellschaftliche Teilnahme für behinderte Menschen zu ermöglichen. Der Monitoringausschuss überwacht in Österreich die Umsetzung der UN-Standards.
Dieser Wandel auf der politischen Ebene wirkt sich auch auf die Sprache aus. "Nicht über uns ohne uns" lautet der Slogan, unter dem sich immer mehr Menschen mit Behinderungen und Organisationen für eine sozial sensible Sprache einsetzen.
Letztendlich geht es aber nicht darum, alle aktuell politisch korrekten Begriffe auswendig zu lernen und sie einzusetzen, sondern dden Blick für Stereotype, Klischees und Machtverhältnisse zu schärfen. Denn nur dann kann man auch die Bedeutung einer korrekten Sprache erkennen und Barrieren abbauen.