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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

22. 11. 2012 - 11:34

A world without Twinkies?!

Über das unmögliche Ende eines US-Kultsnacks und den gar nicht süßen Arbeitskampf, der dahinter steckt.

Pop Icon mit Creme-Fülle

Nun stellt euch einmal das Unvorstellbare vor: Österreich ohne Manner Schnitten! Oder - Gott behüte den Autor dieser Zeilen - ohne Casali Schoko-Bananen! Vergangenen Freitag meldete die US-Großbäckerei Hostess Konkurs an. Das texanische Traditionsunternehmen versüßte und verdickte die Kindheit von Generationen von Amerikanern mit Kultschleckereien wie Ding Dongs oder Sno Balls. Allen voran: Twinkies, ein rotzgelber, unverwüstlicher Sponge Cake mit Vanille-Creme-Füllung.

Twinkies

Hostess

Die teigigen Industriedinger sind von heute aus geschmeckt so richtig gruselig und ungesund. Doch wie tief der seit 80 Jahren hergestellte Snack im popkulturellen Gedächtnis der USA verankert ist, zeigt dieser, von der Huffington Post zusammengeschnippselte, Twinkies-Appreciation-Clip:

Twinkie-Strike!

Als Grund für das drohende Ende des Kalorienbombenherstellers führt das Hostess-Management geänderte Ernährungsgewohnheiten und einen hausinternen Arbeitskampf an. Die Großbäckerei schreibt seit Jahren Verluste. Die Unternehmensspitze wechselte mehrmals. Ebenso Investoren und Umstrukturierungsprogramme. Zuletzt sollte die Belegschaft Lohnkürzungen von acht Prozent und das Streichen von Sozialleistungen in Kauf nehmen. Eine der beiden bei Hostess engagierten Gewerkschaften wehrte sich dagegen. Nach erfolglosen Verhandlungen ging man in den Streik. Die Unternehmensspitze erklärte daraufhin, die dadurch enstandenen Umsatzeinbußen finaziell nicht mehr verkraften zu können. Am Montag wurde das Konkursverfahren eröffnet. Gut 18.500 Jobs stehen auf dem Spiel. Hostess stellte umgehend die Produktion ein. In den Supermärkten kämpfen nun Twinkie-Fans um Restbestände. Auf eBay werden Twinkie-Boxen zu Rekordpreisen versteigert.

Twinkies

Chicago Tribune

Das Thema reiht sich medial mittlerweile knapp hinter Gaza, Fiscal Cliff, Petraeus und den Folgen von Hurricane Sandy ein. Dabei geht es um weit mehr als ungesunden Kult, American Past Time und Kindheitserinnerungen, denn der Arbeitskampf bei Hostess hat System. Bereits vor der Präsidentschaftswahl drohten Unternehmer mit Massenentlassungen, sollte Barack Obama erneut ins Weiße Haus einziehen. Die Krise sei noch immer nicht überstanden und mit vier weiteren Obama-Jahren würden auf die Unternehmer unfinanzierbare Lohnnebenkosten zukommen (Stichwort Gesundheitsreform). Manche CEOs gingen so weit, ihren Angestellten einschüchternde Briefe zu schicken, damit sie ihr Kreuzerl ja an der richtigen Stelle machen - wie zu Zeiten von Boss Tweed.

Twinkie Panic

Die Argumente der Großunternehmer schmeckten aber schon vor der Wahl etwas schal. Die Abgabenquote für Unternehmen in den USA ist zwar hoch, aber viele der großen Corporations schaffen alljährlich Milliarden an Tax Dollars über Steuerschlupflöcher und Off-Shoring an der Steuerbehörde IRS vorbei. Anders als die Angestellten, Arbeiter und Kleinunternehmer, also der Mittelstand, zählten sie auch während der Krise zu den Gewinnern und fuhren in den schmalen Jahren satte Gewinne ein.

Umfrage: A World Without Twinkies?

Auch im Fall von Hostess und Twinkies drängt sich zumindest der Verdacht auf, dass der von der Gewerkschaft organisierte Streik dem Management bloß als Vorwand dient, um ordentlich Zucker zu machen. Trotz Umsatzrückgänge sind nämlich Twinkies und Co. noch immer äußerst profitable Brands. Die am Montag angemeldete Firmenauflösung ist angeblich seit Monaten fix, ebenso wie die lukrative Filetierung von Hostess. Das Managment hat sich jedenfalls kurz vor dem Konkursantrag noch schnell das Leben mit saftigen Gehaltserhöhungen und Boni-Ausschüttungen bei erfolgreicher Liquidierung versüßt. Gegen die Abfertigungen in Millionenhöhe wirken Twinkies wie Diätriegel.

FanPic

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Twinkiecalypse

Am Mittwochabend scheiterte in New York der Vermittlungsversuch des für die Firmenauflösung zuständigen Gerichts. Das Ende der Zuckerkeulen scheint dennoch unwahrscheinlich, das Ende von tausenden Arbeitsplätzen jedoch sehr wohl. Während die Hostess Brands an den Bestbietenden verhökert werden, wird das Gros der Angestellten wohl auf der Staße landen. Man kann nur hoffen, dass "The Great American Twinkies-Crisis" (LA Times) keinen Trend bei Unternehmern in Ausrede auf die Obama Administration auslöst und sich somit das "System Romney" trotz verlorener Wahl doch noch als bestimmend durchsetzt. Sonst gilt: next stop Zombieland.