Erstellt am: 23. 11. 2012 - 09:12 Uhr
Das Ende der Twilight-Zone
Mit gewaltigem Blähbauch steht dieses Filmmonster vor einem. Ich habe kontinuierlich die Befürchtung, dass es explodiert oder implodiert, die Abwinde aber jedenfalls auf mich treffen. Die "Twilight"-Filme stinken. So wie alles stinkt, das sich zu weit weg bewegt hat von dem, was eigentlich hätte sein müssen. Es riecht falsch und gekünstelt, ein bisschen so, als wäre man beim Nachhause-Wanken von einer Party in die falsche Gasse abgebogen und plötzlich schießen einem all diese ekelhaften Gerüche in die Nase.
Constantin Film
Im Kern des "Twilight"-Imperiums hockt noch immer die betörend simple, man kann auch sagen, naiv-romantische Vision einer jungen Frau mormonischen Glaubens: anachronistisch züchtig ist die, von Kopf bis Fuß angezogen, zwischendrin dann schon auch leicht schlüpfrig, dann aber gleich wieder einbiegend in den konservativen Lebensentwurf vom Haus im Grünen, dem glücklichen Ehepaar mit Kindern und ewiger Treue. Und genau diese aufrichtig verklärte Fantasie der Stephenie Meyer ist in den fünf Jahren, in denen das "Twilight"-Kinouniversum errichtet worden ist, mehrfach entweiht, mindestens einmal vergewaltigt und jedenfalls pervertiert worden. Das Interessante daran: der Schöpferin des Ganzen hat es Spaß gemacht. Sie hat sogar mitgemacht.
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Bite me! Turn me!
2008 wanke ich glücklich aus dem Kino. Es ist gerade erst Mittag und der Presse wurde ein Film gezeigt, der anscheinend auf einem US-Bucherfolg basiert, von dem man aber hierzulande noch wenig gehört hat. Ich jedenfalls nicht. "Twilight" heißt der Film von Regisseurin Catherine Hardwicke: es ist eine Groschenromanschnulze, die sich als existenzielles Liebesmelodram fühlt, die schundigen Wurzeln aber nie ganz ablegen kann oder will. Die Geschichte spielt im angeblich feuchtesten, trübsten, dunkelsten Dörfchen der USA.
Es heißt Forks und dorthin zieht die junge Bella Swan, eine in sich gekehrte Antithese zu den Hannah Montanas dieser Welt: porzellangesichtig, unsicher, verletzt. Es geht darum, wie diese junge Frau dem Reiz eines attraktiven Mitschülers verfällt: Edward Cullen ist schweigsam und mysteriös. Seine Worte sind so drucklos vorgetragen, dass man sich fürchtet, sie gar nicht hören zu können. Seine Haut ist so hell, dass er wie ein Grenzgänger zwischen zwei Welten wirkt, ganz so, als könnte er jeden Moment verschwinden. Das ist auch so: Edward ist Vampir und lebt mit seiner Familie in einem ausladenden Nouveau Riche-Haus mitten im Wald.
Im Verlauf des zweistündigen Films erfahren wir von der jahrhundertealten Rivalität zwischen Vampiren und Werwölfen; und auch, dass die Liebe zwischen einer Sterblichen und einem Unsterblichen mindestens ebenso viel dramaturgische Fallhöhe hat wie die zwischen Romeo & Julia. That’s Shakespeare, bitches! Und ich bin begeistert. Vor allem, da ich mich nicht erinnern kann, wann die Absolutheit einer Jugendliebe zuvor so unbedingt dargestellt worden ist. In "Eis am Stiel" vielleicht. Und in "Dirty Dancing".
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Das Ende der Unschuld
Und dann passiert, was passieren muss: "Twilight" entwickelt sich, auch zum Überraschen der Macher, zu einem weltweiten Phänomen. Irgendetwas oder Jemand darin oder Irgendetwas daran muss einen direkten Draht hergestellt haben zu den Jugendlichen da draußen. Und zu Millionen von Erwachsenen. Innerhalb kürzester Zeit formieren sich opponierende Teams unter den Fans selbst (Team Edward, Team Jacob, Team Bella) und in der Welt da draußen (Twi-hards vs. Twi-haters). Plötzlich muss man Stellung beziehen, sich verteidigen und argumentieren, warum und wieso man die Filme mag.
Oder eben auch nicht. Ich schwanke zwischen dem Boycrush, den ich für Robert Pattinson entwickelt habe und einer generellen Sympathie für die Nebel verquollene Szenerie und allgemeine Düsternis des Stoffs. Aber die Unschuld ist dahin: die Industrie wollte es so. Jeder Winkel der Filmwelt wird ausgeleuchtet und monetarisiert. Das echte Forks wird von Twi-hards überrannt. Im Fernsehen kreischen sich Teenies, deren Gerade-nicht-mehr-Milchzähne von Spangen gerade noch in Zaum gehalten werden, die Seele aus dem Leib, fallen in Ohnmacht, haben einen glasigen Blick. Die Produzenten nutzen die Gunst der Stunde und überschwemmen den Markt mit Merchandise. Von Marketing-Menschen minutiös ausgeklügelte Schlachtpläne füttern die Abhängigen mit Informationen, mit neuen Bildern und alten Geschichten.
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Indie Go Go!
Bereits mit dem zweiten Film der Reihe, "New Moon", war die Unverkrampftheit und Einfachheit des ersten dahin: mehr Budget und mehr Druck setzt einen Mechanismus in Gang, der keine Grautöne mehr kennt. Die Beefcake-Werwölfe hetzen mit nacktem Oberkörper durch den Wald, Robert Pattinsons leicht behaarte, milchweiße Brust darf im toskanischen Sonnenlicht glitzern, der Soundtrack schäumt über vor dunkelromantischen Balladen, eingespielt von Eben-noch-nicht-Stars, von Bands aus dem alternativen Mainstream wie Lykke Li und Bat for Lashes.
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Jetzt, angekommen am unvermeidbaren und dennoch viel zu lange hinausgezögerten Endpunkt der aufgepolsterten Love Story zwischen Edward und Bella, ist das Übersättigungsgefühl zumindest bei mir längst eingetreten. Schon wieder ertrage ich die gleichen sehnsüchtigen Blicke zwischen den Teilnehmern an der Liebestriangel, die Bedeutungsschwere behaupten, aber ins Leere starren. Schon wieder schleppe ich mich durch die unendlich scheinenden Dialogsequenzen, in denen Allianzen geschmiedet, Vergangenes verarbeitet und Zukünftiges vorbereitet werden will. Ein unendliches Geschwafel, das mühsam verkleidet, was denjenigen, die aus der "Twilight"-Zone ausgetreten sind, schon längst dämmern musste: dass nämlich das literarische Fleisch der Stephenie Meyer gerade einmal für einen Film ausgereicht hat, dass aber diese im Endlos-Loop vor sich hin siechenden Schmachtfetzen nichts mehr weiter sind als schnelles Geld. Als Zuschauer steht man vor dem Nichts, vor einer gähnenden Leere, angefüllt mit schönen Gesichtern und schlechten Frisuren, überschminkt mit Ahnungen von Handlungsfäden, die alle versiegen. "Breaking Dawn - Teil 2" ist die letzte Station dieser als Popkultur markierten Kunst der Hinhaltung. Man wartet auf das Ende, das dann erst recht nicht kommt.
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Ich persönlich bin froh, dass "Twilight" jetzt hoffentlich, endlich stirbt. Es möge in Frieden ruhen. Ich bin den ganzen Weg mitgegangen und habe mich entfremdet. In meinen Augen glitzert nichts mehr. Vielleicht weil mir klar geworden ist, dass ich jahrelang verarscht worden bin. Vielleicht weil ich erschrecken musste, als ich die Leere hinter dem Hype endlich erkannt habe. Vielleicht auch nur, weil ich nicht mehr scharf bin auf Robert Pattinson. Aus dem jungen Mann, in den ich mich vor fünf Jahren verliebt habe, ist eine seelenlose Kreatur geworden. Vielleicht ist auch ihm klar geworden, woran er da mitgearbeitet hat. Am Ende der Popkultur.
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