Erstellt am: 29. 9. 2012 - 15:31 Uhr
Ungeliebte Erstsemestler
Auch in Berlin ist Semesterbeginn. Und wen wundert’s: Es kommen wieder einmal mehr Studenten als im Vorjahr. Der Grund sind die doppelten Abi-Jahrgänge, das Aussetzen der Wehrpflicht und natürlich der trotz Überfüllung gute Ruf der Berliner Unis und die Attraktivität der Stadt.
Aus dem Leben der Lo-Fi-Boheme
Geschichten aus Berlin von Christiane Rösinger
Deutschlands Hochschulen sind sehr attraktiv für Studenten aus aller Welt - 250.000 sind es dieses Jahr, mittlerweile ist jeder siebte Erstsemestler aus dem Ausland, die meisten davon gehen nach Berlin oder Bremen. "Studienplatzklau durch Studierende aus dem Ausland" ist hier aber kein Thema, die vielen ausländischen Studenten vermitteln das Gefühl der Internationalität an den Unis und außerdem wollen viele deutsche Studenten auch für ein oder zwei Semester ins Ausland gehen.
CC flickr.com/kensbrown/
Eher fühlen sich die einheimischen Berliner von den vielen Zugezogenen deutschen "Erstis" (Erstsemester) verdrängt, denn viele Berliner Studienanfänger müssen nach Potsdam oder Frankfurt/Oder ausweichen, weil sie keinen Platz in Berlin bekommen, weil ihr Notendurchschnitt für den NC - den numerus clausus - nicht ausreicht. Und dann bekommen die Neuankömmlinge auch noch ein Begrüßungsgeld und die Berliner nicht! Da wird dann schon einmal eine Quote für Berliner gefordert.
Sowieso, wer in Berlin aufgewachsen ist, ist hier in der Minderzahl und gibt sich gerne genervt von all den Landeiern und Provinzkindern die da ankommen, mit glänzenden Augen durch die Stadt stolpern, die Bars und Cafes bevölkern und an den Nebentischen laut und begeistert langweilige Erlebnisse aus ihrer ersten WG kund tun und sich plötzlich erwachsen und verwegen fühlen, weil die Eltern weit weg sind
CC flickr.com/bertogg/
Der Ersti-Hass grassiert vor allem bei den älteren Studenten. Die sprichwörtlichen "älteren Semester", deren Unizeit schon Jahre oder Jahrzehnte zurück liegt, haben da noch mehr Verständnis für die jungen Neuberliner. Haben wir nicht alle mal als Touristen oder Erstsemester hier angefangen? Und die ärgsten Streber und Langweiler ziehen eh nicht nach Berlin, weil sie Angst haben, das Nachtleben und Freizeitangebot hält sie vom Studieren ab. Andere schreiben sich nur so pro forma für die wenigen NC-freien Fächer wie evangelische Theologie, Latein Lehramt oder prähistorische Archäologie ein, versuchen es dann als Quereinsteiger oder machen erst mal ein Praktikumsemester im Berghain, Kater Holzig, Ritter Butzke oder einer anderen Berliner Institution.