Erstellt am: 11. 6. 2012 - 17:10 Uhr
Die prekäre Innsbrucker Wohnsituation
"Innsbruck ist vollkommen überteuert" sagen beinahe alle StudentInnen am Geiwi-Vorplatz in Innsbruck. Sie bezahlen 300 Euro für ein acht Quadratmeter großes Zimmer oder 800 Euro für eine 50-Quadratmeter-Wohnung. Und dabei mussten sie noch froh sein, überhaupt einen Platz bekommen zu haben. Bevor das Wintersemester beginnt kommt es regelmäßig zu Warteschlangen bei Besichtigungsterminen und nicht selten finden wahre Castings für neue MitbewohnerInnen statt.
Vielen fällt auch die Alternative StudentInnenheim weg, denn die 3.500 Heimplätze in Innsbruck sind jedes Jahr ausgebucht. Zu Semesterstart standen im Herbst noch immer 1.000 Studierende auf Wartelisten.
Ein vollkommen überlaufener Markt
"In Innsbruck ist es momentan sehr prekär", meint Benjamin Rohrer, ÖH-Vorsitzender an der Uni Innsbruck. Der Wohnungsmarkt ist vollkommen überlaufen, wodurch sich die Preise für Wohnraum nach oben schrauben. Das durchschnittliche WG-Zimmer in Innsbruck kostet mittlerweile 450 Euro Miete im Monat, das habe eine Analyse der ÖH-eigenen Wohnbörse ergeben. Mittlerweile würden aber auch weit höhere Preise bezahlt.
Ein Grund für diese hohen Mieten ist offensichtlich: Es mangelt an Platz. Nur 13% der Tiroler Fläche sind überhaupt besiedelbar, in Innsbruck wird diese Knappheit besonders deutlich. Die Stadt stößt an ihre Grenzen, im Norden und Süden die Berge und im Westen und Osten ist die Stadt ohnehin schon mit seinen Nachbargemeinden verwachsen.
APA/Hans Klaus Techt
Steigende Zahl von Studierenden
In den letzten zehn Jahren ist zudem die Zahl der Studierenden an Innsbrucks Hochschulen extrem gestiegen, von unter 20.000 auf mehr als 35.000. Und immer mehr Studierende kommen von außerhalb Tirols zum Studieren nach Innsbruck. Allein an der Uni Innsbruck, mit 26.000 Studierenden die größte Hochschule der Stadt, sind 4.000 Studierende aus Deutschland inskribiert, 3.500 aus Südtirol/Italien und etwa 2.500 aus Vorarlberg - allesamt Regionen, in denen ebenfalls hohe Mieten verlangt werden. Dieser Umstand verschärft die Wohnungssituation noch zusätzlich, und auf dem Wohnungsmarkt wird fast jeder Preis bezahlt.
Rohrer wirft den Anbietern auf dem privaten Wohnungsmarkt vor, diese Situation auszunützen und wegen der hohen Nachfrage ständig höhere Preise zu verlangen. "Die Preise schaukeln sich auf, aber trotzdem gehen die Wohnungen weg - ein riesiges Problem für Innsbruck."
Wirtschaftskrise als Preistreiber
Robert Moll kann diese Kritik am privaten Wohnungsmarkt nicht auf sich sitzen lassen. Als Fachgruppenobmann der Tiroler Immoblientreuhänder muss er sich und seine Branche verteidigen. Die Preissteigerungen der letzten Jahre wären großteils durch eine höhere Inflationsrate bedingt und die Wirtschaftskrise habe auch einen Anteil an den Wohnungpreisen. "Wir hören tagtäglich von der Euro-Krise, dass der Euro zusammenbrechen und nichts mehr wert sein wird. Das verängstigt natürlich den Anleger und der flüchtet dann in sogenannte sichere Häfen, zum Beispiel Immobilien."
flickr/DavidMartynHunt
Die Flucht in das sogenannte "Betongold" treibt die Preise für Immobilien in die Höhe und diese hohen Kaufpreise haben mittel- und langfristig auch einen Effekt auf die Mietpreise. Auf absehbare Zeit sei keine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt abzusehen, meint Moll, man könne höchstens höher bauen, fünf statt vier Stockwerke, um mehr Wohnraum zu schaffen.
Bewusstsein für Wohnproblematik
Die Politik will sich mit diesen Erklärungen nicht abfinden. Leistbarer Wohnraum war ein zentrales Thema im gerade zu Ende gegangenen Innsbrucker Wahlkampf. Nach der Wahl haben nun die Grünen die Abteilung für Stadtplanung übernommen. Der neue Stadtrat Gerhard Fritz bezeichnet die Preise, die großteils verlangt werden, als astronomisch und unverschämt. Mietpreise auf dem privaten Wohnungsmarkt zu deckeln wäre allerdings "ein Ding der Unmöglichkeit."
Innsbrucks neue Stadtregierung will den hohen Wohnpreisen mit mehr Angebot entgegensteuern. Der Plan, ein ehemaliges Seniorenheim in zentraler Lage in ein Studierendenwohnheim umzuwandeln, liegt schon länger in der Schublade. Die Tiroler Landesregierung ziert sich aber noch mit der Gewährung der für das Projekt nötigen Wohnbaubeihilfe.
Dieses neue Studierendenheim stehe in den Prioritäten der Stadtregierung weit oben, so Fritz, und auch im städtischen Wohnbau sollen studentische Wohnbedürfnisse stärker berücksichtigt werden.
Siehe auch:
Studentenheime: Zwischen Teuerung und Verfall
Seit dem Ende der Förderungen werden die Zimmer in Studentenheimen immer teurer. Manchen Standorten droht die Schließung. (Barbara Köppel)
Trotz dieser Vorhaben, die eine Entspannung auf dem studentischen Wohnungsmarkt bringen sollen, werden die Wohnungspreise in Innsbruck wohl langfristig hoch bleiben. Die neue Stadtregierung nimmt die Probleme der Studierenden aber sehr ernst, meint Gerhard Fritz. 35.000 Studierende seien in einer 140.000 Einwohner-Stadt ein großer Wirtschafts-, aber auch Kulturfaktor. "Man braucht sich nur überlegen: Was für ein verschlafenes Provinznest wäre Innsbruck, wenn es die Universität mit ihren 30.000 StudentInnen nicht gäbe, das ist jetzt schon sehr deutlich im Bewusstsein der Stadtregierung, auch was studentisches Wohnen betrifft."