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Barbara Köppel

Durch den Dschungel auf die Bühne des Lebens.

11. 6. 2012 - 10:57

Studentenheime: Zwischen Teuerung und Verfall

Wohnen im Studentenheim gilt als sozial und günstig. Seit dem Ende der Förderungen werden die Zimmer aber immer teurer. Manchen Standorten droht die Schließung.

Wohnen für Studierende
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Jeder zehnte Studierende in Österreich wohnt in einem Studentenheim, und zahlt dafür durchschnittlich 245 Euro im Monat. Damit scheint es allerdings bald vorbei zu sein. Seit dem Sparpaket von 2010 vergibt der Bund keine Förderungen mehr für Neubauten oder Sanierungen von Wohnheimen. Die Auswirkungen dieser Streichungen werden nun spürbar.

Erhöhte Mieten

Die Bewohnerinnen und Bewohner des "Hauses Panorama" in Wien Brigittenau z.B. müssen ab dem nächsten Semester zwischen 11 und 20 Euro mehr pro Monat für ihre Zimmer bezahlen. Das Haus ist eines von 15 Studentenheimen, die die WIHAST (Wirtschaftshilfe der Arbeiterstudenten) in Wien und Niederösterreich betreibt. In allen steigen die Mieten um fünf bis neun Prozent.

Günstiges Wohnen - Welche Möglichkeiten gibt es?

  • Studentenheime sind nach wie vor am günstigsten, weil die Kosten für Strom, Heizung, Internet etc. im Mietpreis bereits enthalten sind.
  • Auf der ÖH-Wohnbörse gibt es Angebote für Wohnungen, Garconnieren und WG-Zimmer in ganz Österreich, oft auch provisionsfrei. Zusätzlich betreiben die meisten Unis und Fachhochschulen eigene Plattformen und Beratungsstellen.
  • Wohnen für Hilfe: Das Grazer Projekt vermittelt Gratis-Zimmer für Studierende bei älteren Menschen, die Hilfe im Haushalt brauchen. Das Prinzip ist einfach: 1m2 Wohnen = 1 Stunde Hilfe im Monat.
  • Wiener Wohnen für Studierende: In Wien können Studierende um eine Ein-Zimmer-Wohnung im Gemeindebau ansuchen. Das gilt auch für Nicht-WienerInnen. Der/die AntragstellerIn muss unter 26 Jahre alt, und seit mindestens einem Jahr in einem Wiener Studentenheim gemeldet sein. Aufgepasst: Wer die vorgeschlagene Wohnung ablehnt, darf keinen zweiten Antrag stellen.
Studentenzimmer im Haus Panorama

Wihast/Erlacher

Ein Zimmer im "Haus Panorama" kostet zwischen 209-304 Euro.

Erhöhungen ähnlicher Größenordnung gibt es auch in den meisten anderen Universitätsstädten. Zudem stehe man erst am Anfang der Teuerungen. Die Akademikerhilfe, die Wohnheime in sechs Bundesländern betreibt, rechnet mit Preissteigerungen von bis zu 30 Prozent in den nächsten Jahren. Prognosen für Zimmerpreise in Neubauten liegen bei 450 Euro pro Monat. Mit sozialem Wohnen habe das nichts mehr zu tun, findet Martin Strobel, Geschäftsführer der WIHAST:

"Wenn der österreichische Staat will, dass es in Österreich an vielen Standorten Universitäten und Fachhochschulen gibt, dann müssen die Studierenden auch irgendwo wohnen. Das heißt Wohnen ist eine Aufgabe des Staates, vor allem um Studierende zu unterstützen, die nicht so viel Geld haben."

Verfall und Ausverkauf

Die Heimbetreiber heben die Mieten nicht aus Profitgier an, sondern sehen sich dazu gezwungen, da sie andernfalls Kosten für nötige Sanierungen nicht mehr decken können. Bis vor kurzem hat das Wissenschaftsministerium Sanierungen von Studentenheimen mit bis zu 11.000 Euro pro Heimplatz gefördert, Neubauten mit bis zu 15.000 Euro. Dieses Geld fällt nun weg.

In einem WIHAST-Heim soll zum Beispiel die alte Einrichtung aus den 80er-Jahren ausgetauscht werden. Kostenpunkt 400.000 Euro. Allein mit der Mietpreiserhöhung sei diese Summe bei weitem nicht zu bezahlen, sagt Strobel. Er und sein Marketingchef versuchen nun, zusätzliche Mittel durch Spenden und Werbung einzutreiben. Langfristig sei das aber keine Lösung. Strobel hofft daher, dass die Förderungen für die Studentenheime wieder eingeführt werden, denn ohne Zuschüsse könnten die Heimbetreiber ihre Häuser weder in Stand halten noch sozial verträgliche Zimmerpreise anbieten:

"Wie sollen wir uns das leisten? Wenn wir unsere Preise vielleicht sogar um 60 bis 70 Euro erhöhen müssen, habe ich die große Sorge, dass wir unsere Klienten an den freien Wohnungsmarkt verlieren. Das heißt für manche Heimbetreiber wird die letzte Konsequenz sein: verfallen lassen und zusperren."

Mozartheim in Klagenfurt, Aussenansicht

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Das Mozartheim in Klagenfurt

Für das Kärntner Mozartheim scheint es schon so weit zu sein. Das günstigste Studentenheim in Klagenfurt steht vor dem Aus. Seine Außenmauern sind in einem katastrophalen Zustand, weil es seit seiner Errichtung in den 70er-Jahren nicht mehr renoviert wurde. "Im Winter kann es vorkommen, dass es in manchen Zimmern nicht mehr als 14 Grad hat. Wir stellen Heizradiatoren auf und verrechnen den Strom nicht", sagt Heimverwalter David Rainer. Bis nächsten Juni sollen die 140 Bewohnerinnen und Bewohner ihre Zimmer räumen.

Die Generalsanierung des Mozartheims war eigentlich schon beschlossen. Wegen der Streichung der Bundesförderung konnte sie aber nicht durchgeführt werden. Jetzt steht das Haus zum Verkauf.

Doch ohne Zuschüsse wird sich kaum ein Heimbetreiber finden, der sich Erwerb und Sanierung des Hauses leisten kann. Private Anbieter könnten mit dem Grund wesentlich mehr anfangen.

Siehe auch:
Absurde Mietpreise
Studierende in Innsbruck zahlen überdurchschnittlich viel fürs Wohnen. (Simon Welebil)

"Das Mozartheim befindet sich in einer der besten Wohngegenden in Klagenfurt. Zudem ist das Grundstück sehr groß. Man könnte ohne weiteres drei Apartmentblocks hinstellen, die wesentlich mehr Geld einbringen würden, als dort weiter ein Wohnheim zu betreiben", sagt Rainer.

Im schlimmsten Fall werden Studierende an diesem Standort künftig nur mehr teure Privatwohnungen statt günstiger Studentenzimmer mieten können.