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Christian Holzmann

Snap your fingers, snap your neck.

11. 6. 2012 - 07:17

Sehr geehrter Herr Bell, sehr geehrter Herr Cazares

Als bisher großem Verehrer Ihrer schönen und flotten Musik wird es Zeit für ein paar offene Worte an Sie, dem letzten traurigen Rest von Fear Factory.

Sie merken schon, es ist sicher kein Zufall, wenn Sie ausgerechnet zur Veröffentlichung Ihres aktuellen Albums "The Industrialist" Post von mir bekommen. Ein Zufall ist es auch deshalb nicht, weil ich im Moment recht gut geübt bin in der schriftlichen Auseinandersetzung mit teils recht eigenartigen Menschen und ich heuer gar zum ersten Mal seit 1952 nicht auf dem Nova Rock weile, um dort Buchstaben in den Computer zu tippen. An meiner Stelle war ja der liebe Kollege Boris Jordan so freundlich dort hinzufahren und so hatte ich dieses Wochenende ausreichend Zeit, um meinem Dasein als Falott zu frönen und Ihnen meine Gedanken zu dem mitzuteilen, was Sie hier noch Fear Factory nennen wollen.

Erst aber mal ein paar Worte des Lobes

Um nun aber nicht gleich gar so garstig rüberzukommen, lassen Sie mich auch ein paar Worte des Lobes an Sie richten. Ich erinnere mich noch gut, als Sie vor ca. 16 Jahren in der Szene Wien waren, um ebendort zusammen mit den Bands Manhole und Drain einen bunten Musikabend zu gestalten. Zugegebenermaßen war ich ja eigentlich wegen Manhole dort und Ihre Band Fear Factory kannte ich bis dahin nur vom Hörensagen. Tja, und dann kamen Sie auf die Bühne, damals noch mit Ihren Kollegen Raymond Herrera am Schlagzeug und Christian Olde Wolbers am Bass, und haben so flott und lässig musiziert, dass Menschen kreuz und quer durch die Szene Wien flogen und manche Herren sich vor lauter Ekstase gar das eigene T-Shirt vom Leib rissen. Meines hab ich übrigens nicht zerrissen, dafür war es aber vom Herumfliegen ganz schön durchgeschwitzt.

Fear Factory - Demanufacture

Fear Factory

Ich fand diesen Abend so gut gelungen, dass ich am nächsten Tag sogleich in das damals noch existierende "Why Not" ging, um dort Ihr schönes Album "Demanufacture" käuflich zu erwerben. Sie brauchen nun nicht verlegen zu werden wenn ich Ihnen sage, dass ich dieses Opus bis heute für eines der wichtigsten Metal-Alben der Neunziger Dekade halte. "Demanufacture" klingt bis heute nicht altbacken und ist bis heute die Messlatte für jede Band, die sich "Industrial-Metal" auf die Fahnen schreibt. Ich wage gar den kecken Vergleich mit einem Film wie "Blade Runner", der ob seines Alters bis heute nicht wie ein alter Schinken aus den Achtzigern wirkt.

Split nach "Digimortal", rückblickend eine gute Idee

Auch der Nachfolger "Obsolete" zwei Jahre später wusste noch angenehm zu überraschen und diese Mensch/Maschine Thematik war zum damaligen Zeitpunkt auch noch nicht gar so ausgelutscht. War schon okay so damals, wie dann auch das 2001 veröffentlichte "Digimortal" noch recht okay war. Kein Überflieger, aber da konnte schon "noch was gehen", wie man so schön sagt und Ihr Gassenhauer "What Will Become?" durfte da schon auch als hoffnungsvolle rhetorische Frage aufgefasst werden. Leider hatten Sie ja dann in der Band alle angefangen irgendwie herumzustreiten und Fear Factory aufgelöst. Schade.

Burton C. Bell und Dino Cazares

Fear Factory

Burton C. Bell und Dino Cazares

Sehr geehrter Herr Cazares, sehr geehrter Herr Bell, sind Sie mir nun sehr gram, wenn ich behaupte, dass Sie es besser dabei hätten belassen sollen? Selbstverständlich hab ich mich gefreut wie ein Schneekönig, als Sie sich 2004 dann doch wieder entschlossen hatten weiterzumachen und mit "Archetype" ein gar nicht mal so übles Album veröffentlichten. Nur Sie, Herr Cazares, waren nicht mehr dabei, denn auf Sie waren wohl alle anderen grantig oder auch Sie auf alle anderen. Herr Wolbers hatte sich dafür die Gitarre geschnappt, denn er hat brav zugeschaut, was Sie an dem Instrument so über die Jahre gemacht haben. Ihre Abwesenheit hat man übrigens nicht gar so arg gemerkt, Herr Cazares. An Ihren damaligen Bassisten kann ich mich übrigens leider nicht mehr erinnern, denn irgendwie hatte ich in Sachen Personal bei Ihnen dann angefangen etwas den Überblick zu verlieren, bitte verzeihen Sie.

Ein ganz schönes Durcheinander

Fear Factory - Transgression

Fear Factory

Das darauf folgende "Transgression" war mir dann trotz Coverversionen von Killing Joke und U2 leider schon recht egal, "Mechanize" ließ aber wieder hoffen, dass Sie das nun wieder auf die Reihe bekommen würden. Ich vermag nicht zu sagen ob das daran lag, dass Sie, Herr Cazares, wieder dabei waren, Herr Wolbers und Herrera dafür aber wieder nicht, weil Sie, Herr Bell, den Herrn Cazares auf einer Party getroffen hatten und es ja nun echt voll doof fanden, dass der Herr Herrera mit der Frau von Herrn Wolbers (dem Bassisten...äh...Gitarristen) ein Techtelmechtel anfing und die auch noch die Managerin der Band war... pfuh, na da ging es wohl ein wenig drunter und drüber, hm? Bei Berichten über Fear Factory fühlte sich der gemeine Fan schon fast an jene bunten Zeitungen erinnert, die von betagteren Damen im Wartezimmern von Zahnärzten gerne gelesen werden, um von der darauf folgenden Folter abzulenken. Wie gesagt, "Mechanize" ließ trotzdem hoffen, was auch an den neuen Kollegen Gene Hoglan (Drums) und Byron Stroud (Bass) gelegen haben mag. Vielleicht aber auch nicht und eventuell ist es inzwischen sowieso egal, wer da bei Ihnen gerade mal was macht?

Fear Factory - Mechanize

Fear Factory

Jedenfalls lässt für mich "The Industrialist" eigentlich keinen anderen Schluss zu, als wäre es nicht schon schlimm genug, dass sie da teils ganz schamlos Ihr eigenes Meisterwerk "Demanufacture" abgekupfert haben (würde man die beiden Alben zu einem sog. "Bastard-Album" mischen, man würde es wohl nicht einmal merken). Das mögen ja von mir aus viele Bands seit Veröffentlichung Ihres Meilensteins machen, Sie dürfen das aber in meinen Augen bitteschön nicht. Zuletzt geben Sie sogar in einem Interview zu, dass eh nur Sie beide dieses Album zusammen mit Rhys Fulber fabriziert haben und das Schlagzeug wäre komplett programmiert. Das wäre vor 20 Jahren vielleicht noch irgendwie als Statement durchgegangen, hätten das nicht The Sisters Of Mercy und einige andere schon längst vor Ihnen gemacht.

Fear Factory - The Industrialist

Fear Factory

Servus und machen Sie's gut

Ihre Musik, die Sie uns da unter dem Namen Fear Factory auf "The Industrialist" verkaufen wollen, ist mittlerweile in etwa so abwechslungsreich wie die Artworks Ihrer beiden Alben davor und irgendwann muss man sich eben einfach damit abfinden, wenn man getrennte Wege geht. Zumindest einstweilen mal, denn man soll die Hoffnung ja nie aufgeben.

Machen Sie es gut, lieber Herr Bell und lieber Herr Cazares. Ich wünsch Ihnen was, vor allem ein paar neue Ideen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Holzmann (ehemaliger Fear Factory Fanatic)