Erstellt am: 2. 6. 2012 - 13:33 Uhr
Baba Baku
Gewonnen haben ja glücklicherweise nicht die falschen Babuschkas aus Russland, sondern Loreen aus Schweden - dabei dachte man ihr angedarktes, goth-haftes Lied sei eigentlich nichts für den Mainstream. Aber die liebevoll "mystische Pophexe" genannte barfüßige Schamanin mit marokkanischem Migrationshintergrund wirkte sehr eigen und charismatisch und hatte auch als einzige Teilnehmerin "Sing for Democracy", die Veranstaltung der Menschenrechtsbewegung in Baku besucht.
Im Bus nach Baku
Christiane Rösingers Reise zum Songcontest
In den letzten Tagen vor der großen Show waren in Baku fast täglich Demonstranten verhaftet worden, die meisten ESC Fans und Besucher scherte das wenig. Es hieß ja im Vorfeld, der ESC sei ein unpolitischer Musikwettbewerb, aber wenn die Präsidenten- sprich Diktatorengattin die Hauptorganisatorin ist, wenn in noch schamloserer Weise als jemals zuvor beim ESC Imagewerbung für’s Land betrieben wird und der singende Diktatorenschwiegersohn auftritt und am Ende seiner Performance die aserbaidschanische Flamme küsst, dann muss man wohl von einer Propagandashow sprechen.
Christiane Rösinger
Das Ende der Party in Baku endete wie zu erwarten war in einem riesigen Stau und Verkehrschaos samt schreienden Polizisten und wild herumfuchtelnden Sicherheitsleuten, die sonst hell erleuchtete Skyline lag nach dem Ende der Show im Dunkel.
Christiane Rösinger
In der Innenstadt, zuvor peinlich sauber gehalten, lag der Müll auf den Straßen und die Leute im Hotel waren plötzlich auch unfreundlich und wollten uns loswerden. So verließen wir Baku leichten Herzens, um wieder Richtung Georgien zu fahren und dann übers Schwarze Meer nach Odessa durch die Ukraine und Polen den Heimweg anzutreten.
Auf dem Weg durchs Landesinnere sah man schon auf dem Hinweg Polizeisperren, fest installierte, ausklappbare Gitter, mit denen die Straße ganz gesperrt werden kann. Dieses Mal wurden wir öfter angehalten, aber sobald das Wort Eurovision Song Contest fiel, winkte man uns gnädig weiter. Grund genug das Land zügig zu verlassen, solange die Order "ESC - Touristen freundlich behandeln" noch galt. Die Aserbaidschan-Ausreise dauerte ungefähr zehn mal so lange wie die Georgien-Einreise und kaum hatten wir das Land des Feuers im Rücken und das liebliche Georgien vor uns, war es uns, als ob wir freier atmen konnten.
Es war sehr interessant in Sheki und Baku, aber Aserbaidschan ist kein Land, in das man zweimal reisen muss.
Christiane Rösinger
Die georgische Heerstraße endet wegen des Ossetien-Konflikts für nicht ehemalige Sowjetbürger an der russischen Grenze, die Fähre von Georgien nach Odessa hätte 800 Dollar gekostet, also blieb uns nichts anderes übrig, als der gleiche lange Weg zurück in umgekehrter Reihenfolge: Tiblissi, Batumi, dann in der Türkei die Tee-Honig-Haselnuss- Zwiebel-Reis-Gegend, Istanbul, Bulgarien, Serbien, Ungarn und Tschechien. Es bleibt einem nichts erspart!
Christiane Rösinger
Und wenn man auch vor dem endgültigen Ankommen kein Resümee ziehen sollte so vielleicht ein vorläufiges:
- Die Reise von Berlin nach Baku war gar nicht so abenteuerlich, Aserbaidschan ist gar nicht so exotisch. Es gibt überall Geldautomaten und Internet und Facebook, Mobiltelefone, Lebensmittel und Getränke und man kann sich überall mit Händen und Füßen verständigen. Europa geht bis zum Kaspischen Meer und Geld regiert überall die Welt.
- Es gibt unterwegs viel weniger Gauner als man denkt. Die meisten Menschen sind neugierig, freundlich und hilfsbereit. Und leider fast überall freundlicher als zu Hause in Deutschland.