Erstellt am: 29. 5. 2012 - 06:00 Uhr
Oh my god, this is so crazy!
Jessica Hische zeichnet Schriftzüge. Klar, das machen träumende Teens auf ihre Unterlagen und kreative Fans auf Taschen oder Gewand ebenfalls, aber Jessica Hische macht das so gut, dass sie von Forbes im Vorjahr zu den besten 30 KünstlerInnen unter 30 Jahre gewählt wurde.
Sie macht das so gut, dass sie von Wes Anderson gebeten wurde, Schriftzüge für seinen neuen Film "Moonrise Kingdom" zu zeichnen.
Die Typo Berlin ist eine jährlich stattfindende Designkonferenz in Berlin mit Schwerpunkt Typographie. (Bei der allein über 400 TeilnehmerInnen aus Österreich dabei sind)
Und sie macht das so gut, dass sie gerne als Rednerin zu Kongressen eingeladen wird. So etwa letzte Woche bei der Typo Berlin. Da hat sie in einer Art Rededurchfall in einer guten Stunde mehr über ihren Job erzählt, als andere nach der Pensionierung berichten können. Während sie im Vortrag regelmäßig leicht hysterisch "Oh my God" und "this is so exciting" sagt, bleibt sie im Interview sympathisch entspannt.
Aber der Reihe nach.
jessica hische
Jessica Hische hat während ihres Kunststudiums zufällig die Liebe zu Grafik-Design entdeckt. Einerseits hat ihr das Zeichnen sehr gut gefallen, andererseits das klare Suchen nach Lösungen. Das sei für sie so wie ein Puzzle zu lösen, erklärt sie im Interview. Die Selbstdarstellung in der Kunst hingegen sei nicht so das ihre. Sie habe keine so klare und wichtige Meinung, dass sie diese mit Kunst ausdrücken müsse, lacht sie. Viel lieber würde sie die Meinungen und Anschauungen anderer visualisieren.
Das Gute, Wahre, Schöne
Mit Schrift sei es ihr ganz ähnlich gegangen. Sie wollte keine Schrift zeichnen, sondern habe viel mehr Wert auf Buchstaben und wie diese gesetzt sind gelegt. Das führte sie letztendlich zum "Lettering".
Kalligraphie - Typographie - Lettering
jessica Hische
Ein Kalligraph schreibt mit einem Stift oder Pinsel. Ein Typograph entwirft Schriften. Und ein "Letterer" malt Buchstaben oder Schriftzüge. Dabei öffnen sich die Grenzen zwischen Typographie und Illustration.
Jessica Hische hat zwar auch Schriften entworfen (Buttermilk, Brioche oder Snowflake), sie kann aber nicht besonders schön schreiben, meint sie. Im Gegenteil - ihre Handschrift sei miserabel.
Im Lettering aber verbinden sich ihre Lieblingsbereiche von Design mit denen der Illustration. Als "Letterer" arbeitet sie mit unterschiedlichsten Stilen und kann so ein breites Portfolio aufweisen. Es sei ganz schwierig, als Letterer von seiner Arbeit gelangweilt zu sein, aber sehr einfach für einen Illustrator, der immer das gleiche machen müsse.
So entwirft sie wunderschöne Sujets, Labels, Plakate und auch fantastische Buchcover.
Und nebenbei werkelt sie immer an eigenen Projekten herum, die sie mit Herzblut betreibt. Die seien es auch, die ihr immer noch mehr Freude an der Arbeit bringen und die ihr Portfolio und ihre Bekanntheit erweitert haben. So hat sie beispielsweise eine Zeit lang täglich einen Buchstaben gezeichnet:
Mom, this is how twitter works
Ursprünglich war die Website momthisishowtwitterworks.com nur für ihre Mutter gedacht, der sie die Funktionsweise von Twitter erklären wollte. Sechs Figuren: die Mutter, Jessica, ihr Bruder, ihre Katze, ein Fan und ein Fremder unterhalten sich. Dabei erklärt Jessica, wer was von wem lesen kann und wie man wem antworten oder eben twittern kann, "without showing your dirty loundry to the entire internet."
jessica Hische
Das hat nicht nur Jessicas Mutter Freude und Verständnis bereitet - die Website wurde ein Riesenerfolg. Jessica selbst gibt sich bescheiden - sie freut sich, wenn sie Dinge gestaltet, die anderen menschlich nützlich sind.
Should I Work for free?
Dennoch gehört Jessica nicht zu denen, die alles umsonst machen. Nona. Aber natürlich kennt sie das Dilemma, das man regelmäßig darum gebeten wird, Dinge gratis zu gestalten. Ihre humorvolle, großartige Antwort darauf ist ein Pfeildiagramm mit der simplen Frage "should I work for free?": shouldiworkforfree.com
jessica Hische
Die erste Frage, die man sich stellen soll "Is it for your mum?" Wenn dem so ist, gibt es nur die Antwort "Yes!" "22 hours of labour and you can't do ONE goddamn garage sale flyer?? COME ON!"
Das eigene Ego dürfe nie so groß sein, dass man nicht etwas für die eigene Familie umsonst machen könne, erklärt sie und gibt gleichzeitig zu, dass sie in ihrer Familie noch einige Versprechen offen hat, zum Beispiel Garagentore mit Delfinen zu bemalen usw.
Wichtig auch die Frage "Is it for a band?"
"Just because, a band doesn’t make any money doesn’t mean that you should work for free for them" erklärt sie.
Viele Leute würden sich als Non-Profits bezeichnen, aber die tatsächliche Frage sei, ob sie wirklich für etwas Gutes arbeiten oder einfach kein Geld mit ihrer Arbeit machen.
Moonrise Kingdom
Die letzte große Arbeit von Jessica Hische ist seit wenigen Tagen im Kino zu sehen. Wes Anderson, der Filmemacher der verspielten Herzen, arbeitet mit so viel Liebe zum Detail, dass er nicht mal einen Buchstaben dem Zufall überlässt. So hat er sich von Jessica die Schrift zu "Moonrise Kingdom" zeichnen lassen. Ursprünglich wollte er 20 Titel für den Filmbeginn, den Filmtitel und die Endcredits. Als sie aber nach einem Vorschlag für eine passende Schrift fragten, die zu Jessicas Entwürfen passen sollte, habe sie kurzerhand eine vollständige Schrift für den Screen und eine für alle Printprodukte gezeichnet.
Das Ergebnis ist derzeit in allen möglichen Zeitungen und Kinos zu sehen.
Wes Anderson/Jessica Hische
Vom Film selbst habe sie bis zum Kinostart auch nur so viel gesehen, wie allgemein veröffentlicht war. Sie habe nur die jeweiligen Filmstills erhalten und sei deswegen umso mehr auf die Artdirection von Wes Anderson und seinen Assistenten angewiesen gewesen. Das sei aber problemlos gegangen, weil Wes Anderson so eine klare Vorstellung habe und seine Anmerkungen immer konstruktiv gewesen seien. Beim Großbuchstaben "R" habe selbst die Anmerkung zur zehnten Änderung noch Sinn gemacht.
Jessica Hische
"It makes you just wanna work so much harder, when you get Emails from Wes Anderson", erzählt sie nicht nur als großer Fan, sondern auch, weil sie respektvoll bezahlt worden sei. Natürlich sei der Stundenlohn letztendlich sehr niedrig, aber aufrichtige Bezahlung sei in der Branche nicht üblich. Außerdem dürfe sie die Schrift in einem Jahr auch verkaufen.
Kleiner Tipp am Rande
Allen GrafikerInnen und IllustratorInnen legt Jessica Hische zwei Dinge ans Herz, die einem möglicherweise zu Jobs verhelfen können. Es sei immer gut, wenn man "maps" zeichnen könne, weil man die sehr häufig braucht und weil die fast niemand gerne anfertigt. Und man bekomme fast jeden Auftrag, wenn man "Dogs doing human things" zeichne.
In diesem Sinne.