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Markus Keuschnigg

Aus der Welt der Filmfestivals: Von Kino-Buffets und dunklen Sälen.

28. 3. 2012 - 05:58

I porn, you porn, we porn

Porno ist mittlerweile Allerweltsding – und das Internet ist schuld daran. Die heutige Homebase geht der Frage nach, wie frei verfügbare Videos die Aufklärung verändern.

Liebe im digitalen Zeitalter

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Männer im Trenchcoat, vollgeramschte Regale und immer wieder merkwürdige Blicke: Wer im Zeitalter vor dem Internet zu einem Porno kommen wollte, musste so einiges aushalten. Mittlerweile spendiert das Netz Anonymität und scheinbar unbegrenzte Möglichkeiten: Millionen Seiten werben um Zugriffe von einsamen Herzen vor den Wohnzimmer-Rechnern. Aber die digitale Porno-Revolution hat das Angebot nicht nur breiter gemacht, sondern es auch demokratisiert. Mittlerweile stehen die Chancen gar nicht schlecht, dass man die Bäckersfrau oder den Herrn Kommerzialrat beim ChatRoulette oder auf YouPorn wieder trifft.

„Diese Seite beinhaltet pornografische Darstellungen“, sagt ein Pop-Up-Fenster und fragt: „Sind Sie über 18?“ Ein kleiner Stolperstein in der Usability des Porno-Paradieses Internet. Damals, als nur die Armbanduhr des reichen Mitschülers digital war, hätte man davon geträumt so schnell zum Höhepunkt zu kommen. Ausweiskontrollen, speckige Mitarbeiter in Pornovideotheken und andere Turn-Offs machten die einmal erworbenen Sexfilme in ihren formschönen und aufreizend bebilderten VHS-Hüllen zu wahren Trophäen. Dieser Geruch und Geschmack des Besonderen ist verloren gegangen. Porno ist mittlerweile Allerweltsding – und das Internet ist schuld daran.

mann

CC BY 2.0 / www.flickr.com/photos/aeneastudio/

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In den Neunziger Jahren ist online Pornografie noch eine Frage der Geduld: Hatte man es erst einmal geschafft, in den unübersichtlichen Foren eine entsprechende Datei ausfindig zu machen, konnte man die nächsten Minuten und Stunden den Bildzeilen beim Aufbau zusehen. Dennoch ist die Utopie zum Greifen nah. In den kommenden Jahren ziehen Pornoproduzenten Tausende von Seiten hoch, auf denen man zum Nulltarif Vorschauclips ihrer aktuellen Produktionen betrachten kann. Die explodierende Bandbreite bei der Datenübertragung macht das Hoch- und Runterladen von pornografischen Filmen schnell und effizient. Die Industrie zeigt sich begeistert von den neuen Möglichkeiten und offeriert neue Services im Sekundentakt.

Das Programm der Themenwoche "Liebe im digitalen Zeitalter" im Überblick

2006 schließlich platzt die Blase: Seiten wie YouPorn und PornoTube schleppen das Schlagwort 2.0 in die Branche ein. Ab jetzt reichte es vielen nicht mehr, Pornos zu schauen – sie drehen sie gleich selbst. Millionen schauen Millionen bei dem zu, was noch vor zehn Jahren heiligste Privatwelt gewesen ist. YouPorn entwickelt sich schnell zum Phänomen: Ganz normale Menschen mit ganz normalen Körpern haben Sex. Allein, zu zweit oder in der Gruppe. Man sieht Frauen, die ihre Zigaretten mit den Schamlippen rauchen und Teenager, die mit der Vorhaut furzen können. Jeder ist sich selbst der nächste. Nichts Menschliches ist dem Porno-Freund fremd.

I porn, you porn, we porn - Wie frei verfügbare Videos die Aufklärung verändern: Mittwoch, 28.3. ab 20 Uhr in der Homebase. Alle Infos gibts auch im Radioprogramm.

Die Pornoindustrie reagiert verärgert und beginnt, selbst Amateurfilme zu produzieren. Mit dem Ergebnis, dass die Grenze zwischen echten und falschen Porno-Laien nicht mehr zu ziehen ist. Die YouPorn-Revolution zeitigt allerdings paradoxe Ergebnisse: Wer für Porno im Internet mit seiner Kreditkarte bezahlt, hinterlässt Spuren, und bereits mehrfach haben Hacker YouPorn angegriffen und Nutzerdaten geklaut. Und plötzlich erscheint die Variante mit Trenchcoat-Männern und klebrigen Fußböden wieder attraktiver und vor allem sicherer als die vorgeblich anonymen Weiten des Internets.