Erstellt am: 17. 3. 2012 - 19:00 Uhr
Mehlspeisen und Minderwertigkeitskomplexe
- Die FM4 Charts vom 17.3.2012 als Liste
- Brand New - die FM4 Neuvorstellungen der Woche
Jemand der in den letzten Tagen virtuell besonders viel einstecken musste ist - neben den Betreiber- und in den Sandsetzer-Innen des Café Rosa (wo man sachlich durchaus empört sein kann, die Mob-artige Menschenjagd allerdings nur eines ist: untergriffig) - mein ehemaliger Schulkollege und jetzt SOS-Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak.
Alex, der meines Wissens schon im Gymnasium eher ein Freund der leisen Töne war, hat sich getraut etwas anzutasten, dass bei Herrn und Frau Österreicher ganz knapp nach dem „Gratis“-Kleinformat am Sonntag, Vierschanzentournee und Salat-Marinade mit viel Zucker kommt: Mehlspeisen und Minderwertigkeitskomplexe.
Genauer gesagt geht es ihm um die leidige Debatte einer Süßspeise, die in diesen Breiten bis dato unter dem Szenenamen „Mohr im Hemd“ gehandelt wurde.
Dabei fällt mir übrigens auch wieder die Diskussion im hiesigen FM4 Forum aus dem Sommer 2009 ein, als die mittlerweile für die Romy nominierte Kollegin Claudia Unterweger (Gratulation!) gemeinsam mit Claus Pirschner eine Story namens „Will I Mohr?“ veröffentlichte. Ein Eishersteller wollte Eis in Anlehnung an die Süßspeise vermarkten, der Schuss ging nach hinten los. Die Erregung kannte keine Grenzen, und sie kennt noch immer keine.
Zurück zum geschätzten Herrn Pollak: Auch er wagte, drei Jahre nach diesem virtuellen Bürgerkrieg einer sich aufgeklärt gebenden Community, erneut, neutrale Bezeichnungen für zwar althergebrachte aber dennoch rassistisch anmutende Speisebezeichnungen zu fordern. (Denn was „rassistisch anmutend“ entscheidet im Normalfall noch immer der Betroffene, nicht die autochthone Mehrheit die um ihren Schokokuchen zittert – weiter will ich inhaltlich aber gar nicht ausholen).
Mehr hat er allerdings nicht gebraucht: Wenige Tage später war es zuerst Herr Jenewein vom freiheitlichen Klub, der sich besondere Dienste für den Erhalt unserer Mehlspeisenkultur erwarb: In einer Presseaussendung erlaubte er sich einen „lustigen Schenkelklopfer“ (wie sie auch in den diversen Foren so oft zu finden sind, „Schnitzel mit nomadischen Migrationshintergrund“ – was haben wir gelacht!) zu Pollaks Nachnamen anzubringen: Alexander Pollak soll seinen Nachnamen ändern, da er damit ein ganzes Volk diffamiert und dies „in seinen politisch korrekten, linken und potentiell gewalttätigen Kreisen“ sonst problematisch sein könnte. Jenewein schlägt, seiner halblustigen Strategie treu bleibend, Herrn Pollak etwa den Namen "Mgombo" vor.
Doch damit nicht genug, kurz drauf wollte auch der Krone-Hausmeister, der offenbar noch an der Kränkung durch einen deutschen Rapper laboriert, ein Stück vom Kuchen, ähm, Mohr im Hemd: Er sah den Fachverband der Gastronomie (der die Änderung ursprünglich anregte) unter der Fuchtel von so einflussreichen Lobbys wie SOS-Mitmensch und schrieb am 7.März: „...jene Weicheier im „Fachverband Gastronomie“ der Bundeswirtschaftskammer, die auf Zuruf der (zu Recht in Vergessenheit geratenen) Menschenrechtsgruppe „SOS-Mitmensch“ aus Dir nun einen Kuchen aus Schlag machen wollen. Igittigitt. Die winselnde Begründung der von den „guten SOS Mitmenschen“ aufgewiegelten Gastro-Dolme dafür lautet: „Als Branche, die sich der Gastfreundschaft verschrieben habe, wolle man künftig keine beleidigenden Speisebezeichnungen mehr verwenden“...was im SOS- Mit und Gutmenschen Lager Deiner Feinde natürlich ein Triumphgeheul ausgelöst hat, das von Ober SOS-Mit und Gutmensch Alexander Pollak in folgende Worte gefasst wird: (...)“
Müßig zu sagen, dass viele der Comments und Posts auf Seiten, deren User wohl allesamt keine Fans des Hausmeisters sind, im Ton recht ähnlich waren – wie dann erst im tatsächlichen Wirkungsbereich des Herrn Jeannée debattiert wird, wagt man sich kaum vorzustellen.
Denn so eine Mob-Hexenjagd hat meist recht banale Gründe, dazu braucht man keine ÖH Beiträge verjuxen, es reicht schon der Versuch „ein guter Mensch zu sein“.
Anders gesagt: Ein wenig Empathie und Rücksichtnahme zu kultivieren, über andere nicht drüberfahren, mit sensiblen Antennen bemerken wenn jemand etwas unangenehm ist und sich an keiner virtuellen Lynchjustiz zu beteiligen, zu sehen, dass man nicht selbst in der Opferrolle ist und keine Sündenböcke suchen.
Kurz: Ein Gutmensch sein. Und Alexander Pollak ist einer, und zwar ohne davon zu profitieren. Auch wenn vielen der Name einer Mehlspeise noch immer wichtiger ist.
Kursorisch noch zu den aktuellen Charts:
Da machen es Deichkind zwar noch immer gut, allerdings ist nach 3 Wochen dann doch irgendwann auch Schluss mit Spitze und so landet „Leider Geil“ heute auf Platz 3.
Der imho absolut amtliche Frühlingshit des jungen Jahres kommt von Fun, hört auf den wunderbaren Namen „We Are Young“, hat den Text des Jahres, muss ganz laut abgespielt werden und landet heute auf 2.
Und die neue Nummer 1 von FM4 kommt vom laut Rolling Stone siebzigst besten Gitarrist der Welt: Jack White solo mit „Love Interruption“.
Steve Hopson
Ein schönes Wochenende mit Schlag!