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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

3. 3. 2012 - 11:24

Die FM4 Radio Session mit den tindersticks

Würde Stuart Staples Stimme halten?

Einen Mitschnitt der Radio Session mit den tindersticks senden wir am 7. März ab 19 Uhr in der FM4 Homebase, danach gibt es auch einen Videostream der Session.

Eigentlich hätten die Tindersticks ja ihre Tour letzte Woche in London beginnen sollen. Daraus wurde aber nichts, weil Stuart Staples noch an einer Kehlkopfentzündung laboriert hatte. Also war gestern Abend mit der FM4 Radiosession Tourauftakt in Wien, bevor die Tindersticks dann im Frühjahr zu einem regulären Konzert zurückkommen. Und nein, mit der Tür ins Haus gefallen sind die Tindersticks nicht, mit Klassikern haben sie nicht begonnen, und auch nicht mit neuen Songs. "Blood" vom allerersten Album der britischen Band ist der erste Song. Bis ins Jahr 1993 gehen die Tindersticks also zurück. Nicht etwa die Klassiker "City Sickness" oder "Marbles" vom allerersten Tindersticks-Longplayer, sondern das weniger bekannte "Blood". "Was there once something so pure that left me whole and precious?", heißt es in diesem fast zwanzig Jahre alten Tindersticks-Song.

Stuart Staples

FM4/Christian Stipkovits

Gently shaking the tambourine

Er wird gefolgt von "If You´re Looking For A Way Out" vom vierten Album der Band. "Simple Pleasure" war 1999 erschienen und zeigte die Band etwas weggehen von den ganz dunklen Songs, hin zu souligeren Stücken. "If You´re Looking For A Way Out" ist eine Coverversion von einem Dance-Pop-Hit der New Yorker Band Odyssey, aus dem Jahr 1980, der damals in den britischen Charts weit vorne war. Stuart Staples ist auf der Radiokulturhaus-Bühne mittlerweile gently shaking the tambourine und Drummer und Bassist liefern die Backing Vocals. Der junge Bassist Dan McKinna ist seit dem Comeback der Tindersticks, also seit dem 2008er Album "The Hungry Saw", mit dabei; der Schlagzeuger, Earl Harvin, erst seit dem letzten Longplayer "Falling Down A Mountain", und er passt gut zum vom Gründungs-Line-Up verbliebenen Trio aus Stuart Staples, David Boulter und Neil Fraser. Next up: "Dick´s Slow Song". Stuart Staples greift zur Gitarre: "Don´t tell me of those mirrors, it doesn´t matter what you see, you´re beautiful to me", vom Album "Curtains", 1997. Ein interessanter Einstieg, ein guter, sofern man sich drauf eingelassen hat.

Tindersticks

FM4/Christian Stipkovits

Ein erstes Lächeln

Der nächste Song, "Cherry Blossoms", vom zweiten Album der Tindersticks, 1995. Jetzt lächeln sie, die Tindersticks. Auch alte Profis können beinahe die Nerven verlieren. Spät in Wien angekommen - der eine aus Prag - David Boulter lebt dort seit 12 Jahren, die anderen aus Frankreich - Stuart, Belgien - Neil, und England - die anderen. Das erste Konzert. Würde Stuarts Stimme halten? Aber jetzt lächeln sie erstmals, die Stoiker von der Insel, die nun Ex-Patriats sind, und längst von Bier auf den Rotwein umgestiegen sind. Und der kommt gern vor in Tindersticks Rezensionen, weil er einfach so gut passt zu Stuart Staples und Co. Dieses Mal bleibt es aber bei Mineralwasser auf der Bühne, erst nach der Show genehmigt man sich dann doch noch ein Gläschen.

Bunte Glöckchen

Tindersticks live: am 7. & 8. Mai im Theater Akzent in Wien

"Looking out onto a three-terrace town, there´s a garden, grey-green, and cherry blossoms", heißt es in "Cherry Blossoms", dem für mich ersten Highlight von diesem Tindersticks-Auftritt, samt Stuart Staples zu den Glöckchen eilend und sie zart berührend, ihnen Töne entlockend. "There will be bells", sagte David Boulter im freundlichen, aber leicht gehetzten Pre-Show-Interview, und da waren tatsächlich bunte Bells. Würde der Mann, der die Orgel bei den Tindersticks bedient und mit Stuart Staples 2007 jenes großartige Kinderlieder-Album "Songs For The Young At Heart" gemacht hat, das auch Kollaborationen mit Jarvis Cocker und Lambchop enthielt, gar etwa seinen großen Auftritt haben? David Boulter singt bzw. spricht den Opener vom neuen Tindersticks-Album, "Chocolate", eine wahrlich wilde Geschichte. Nein, doch nicht, "Chocolate" war zwar auf der Setlist der Band, als letzter Song, wurde dann aber doch wegelassen. Macht nichts, der Auftritt der Tindersticks hätte länger sein müssen, sodass sich das Stück auch gut entfalten können hätte. Ein Grund, zu einem der beiden Tindersticks-Konzerte im Mai in Wien zu gehen, denn da kommt das Neun-Minuten-"Monster" dann sicherlich zum Einsatz.
Der Schlagzeuger - und ich sag es noch einmal, der ist passt gut zur Band - legt die Sticks weg und lehnt sich zurück, und der große Terry Edwards greift endlich zu einem seiner Blasinstrumente. Mit der Trompete fängt er an. Bariton- und Tenorsaxofon sollen noch folgen. Applaus.

Tindersticks mit Glöckchen

FM4/Christian Stipkovits

Dann geben diese Lounge Lizards namens Tindersticks Gas, wenn dieser simple Ausdruck hier überhaupt hereinpasst. "This Fire Of Autumn", einer der besten Songs vom neuen Album "This Something Rain", samt schönen Backing Vocals kurz vom Schlagzeuger, die die üppigen Background Stimmen vom Album aber nicht ersetzen können. "This Autumn Fire" ist inspiriert von den herbstlichen Laubwäldern in Limousin, im Herzen von Frankreich, wo Stuart Staples seit einigen Jahren nun lebt, samt Frau und vier Kindern. "This Autumn Fire" ist der ganz persönliche Indian-Summer-Song des Stuart Staples. Eine Frau auf der Bühne wär schön, denk ich kurz. Mit seiner Frau hat Stuart Staples schon des Öfteren im Duett gesungen, und die Tindersticks haben auch immer wieder Backingsängerinnen, oder eine zumindest. Heute nicht, schade. Das Duett mit Carla Torgerson von den Walkabouts aus Seattle fällt mir ein - "Travelling Light", aus dem zweiten Tindersticks-Album, 1995.

Terry Edwards schultert nun eines seiner Saxofone, um es herrlich subtil einzusetzen im nächsten Song. Stuart Staples ist wieder ohne Gitarre und der Bassist wechselt zur Orgel. "A Night So Still" heißt der Song und kommt vom neuen Album. Der Sound der Tindersticks ist hier weit entfernt, sagen wir, vom klassischen Streicher-Arrangements-Sound der Band. Irgendwie vermisse ich das ja. Wehmut kommt kurz hoch, bei mir zumindest. Vielleicht auch, weil David Boulter im Interview vor dem Konzert gesagt hatte, dass es irgendwie traurig ist, dass Dickon Hinchliffe nicht mehr dabei ist. Er war Gründungsmitglied, Gitarrist und für die Streicher verantwortlich. Als sich die Tindersticks 2003 auflösten, um dann ein paar Jahre später wieder zusammenzukommen, war kein Platz mehr für ihn, bzw. er war mittlerweile auch mit anderer musikalischer Arbeit beschäftigt. Das neue Album ist das erste, auf den wir ihn nicht mehr wirklich vermissen, sagt David Boulter. Nein, auf "A Night So Still" ist wirklich nichts mehr von Dickon zu spüren. Eerie ist die Nacht im Song irgendwie, leicht unheimlich. Als ich ein Mädchen war, hab ich mich ja gefürchtet vor den Tindersticks, aber nur anfangs, bis ich bemerkte, dass diese Men in Black so etwas wie the real deal zeitgenössischer britischer Musik waren, und nicht die frühen Blur, Suede oder gar die Charlatans. Und seit ich diese Men in Black 1996 im Shepherd´s Bush Empire in London erstmals spielen gesehen habe, bin ich sowieso Fan, auch wenn ich es tatsächlich schaffte, jedes Konzert zu den letzten drei Alben zu verpassen.

Stuart Staple

FM4

Stuart Staples vor dem Konzert. Er begutachtet eure Tindersticks-Arrangements

Alte Melancholie. Die Hüfte lockert sich.

"Medicine" ist der nächste Song, wieder ein Stück vom neuen Album. Freundin M., die neben mir sitzt, sagt zwar, es gefällt ihr nicht, im Gegensatz zu "This Fire Of Autumn". Der Song, der davon handelt was die medicine im Kopf mit einem macht, ist für mich jedoch wieder ein Lieblingsstück vom neuen Longplayer. Die alte Melancholie der Tindersticks ist hier nach wie vor intakt. Terry Edwards schraubt erst am Saxofon herum, und dann setzt es ein. Herrlich. Der Brite ist Meister seines Fachs und hat mit PJ Harvey, Tom Waits, Nick Cave oder The Jesus & Mary Chain gespielt. Auch früher schon mal mit den Tindersticks. Sein Saxofon ist am neuen Album stark präsent, ersetzt gewissermaßen die Streicher.

"I have to take care, I hope you understand."

Und jetzt grooven die Tindersticks: "Slippin´Shoes" vom neuen Album ist dran. Stuart Staples wieder mit dem Tamburin und mittlerweile doch etwas gelockerter Hüfte. Applaus.

Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wieder schon so spät? Ja, und doch hat es eben erst begonnen, irgendwie. "Show Me Everything" ist der letzte Song, ein Highlight vom neuen Tindersticks-Album. Stuart Staples, diesmal mit der roten Gitarre - eine Gretsch? Nein, eine Guild. Er spricht vorher doch noch ein paar Worte zu uns: "I have to take care, I hope you understand." Und dass sie ja eh wiederkommen, die Tindersticks, sagt er, und seine Stimme ist wirklich noch sehr angeschlagen. Tee trinken wird er jetzt dann gleich, sagt er, die Mineralwasserflasche in der Hand. "Thank you, see you soon."
Gentlemen, guys, Jungs, da ist noch mehr drinnen. Aber sie wissen es eh. Nächstes Mal eben. Und danke, dass ihr überhaupt da wart.