Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Von draußen"

Susi Ondrušová

Preview / Review

21. 1. 2012 - 19:02

Von draußen

Das FM4 Geburtstagsfest aus der Openair-Perspektive: mit Mediengruppe Telekommander, Kettcar und vielen mehr.

ondrusova

Marcus Wiebusch im FM4 Aufzug

Es ist wieder soweit. Das FM4 Fest, die "Wieviel Schichten Kleidung kann ich tragen ohne meine Durchblutung zu gefährden"-Olympiade kann beginnen. Meine Wenigkeit zählt fünf, für jede Zehe eine.

Um Euch will ich mir keine Sorgen machen, und auch Kettcar haben sich von Hamburger Kollegen erzählen lassen, wie das so ist, wenn die Arena Openair im Jänner bespielt wird. Da hatten wir ja schon einige hier zu Gast: Tomte, Tocotronic, Sterne, Deichkind haben sich schon mal an einem der Heizstrahler auf der Bühne die Finger erwärmt. Man darf gespannt sein, ob Kettcar - um in Bewegung zu bleiben - ihre Setlist heute nach der Kategorie "schnell" zusammengestellt haben. Das neue Album schlägt eher ruhige Töne nämlich, aber dazu später mehr, wenn die Band "Zwischen den Runden" live vorstellt.

Arena Wien

Florian Wieser/Shootingmusic

Das ausverkaufte FM4 Geburtstagsfest werden gleich Giantree eröffnen. Und alle Daheimgebliebenen können die Füße auf den Tisch legen und es sich vor dem Livestream gemütlich machen.

The Greatest Birthday Party On Earth kann beginnen...

Giantree haben bis lang nur mit einer EP von sich hören gemacht und tragen schon jetzt die Last auf ihren Schultern, die heimische Indiepophoffnung zu sein. Es ist kein leichter Start. Mittlerweile haben sich die Wettervorhersagen bewahrheitet: Schneeregen. Die Bühne wird von den Wassermassen befreit, die Instrumente wie z.B. Adas Keyboard und dazugehörige Bühnenboxen mit Planen verhängt. Die Finger warmgerubbelt. Die Menschentraube, die sich vor der Openair Bühne versammelt, ist in Plastik eingewickelt. An den Besucher, der laut Bühnenmoderatorin nur im T-Shirt bekleidet dasteht, an den glaub ich nicht. Vielleicht haben ihn die Chez Hermes-Götterboten in eine Umkleidekabine getragen. Giantree beginnen ihr Set eher mit langsamen Stücken vom noch unveröffentlichten Album und laden ab Mitte ihres Sets dann zum Tanzen ein. Wir können es alle hier gebrauchen: aufwärmende Moll-Rhythmusgymnastik. Mittlerweile hat sich der Schneeanteil im Regen auf 0 verwandelt und es schüttet. In den letzten Tönen vor „Time Loops“ fällt der Strom aus. Und die Umbaupause für das auf 20:10 angesetzte Abschiedskonzert der Mediengruppe Telekomander beginnt.

Die Mediengruppe Telekommander, namentlich Florian und Gerald, sagen nach elf Jahren Tschüss und Baba! Nach dem vierten Album "Die Elite der Nächstenliebe" ist Schluss. Gefeiert wird mit Sektflasche auf der Bühne, es wird erinnert und angestoßen auf die Silvesternacht vor zehn Jahren, als die beiden das erste Mal in einer Berliner WG an ihren Songs gearbeitet haben. Abschiedskonzerte hat die Mediengruppe Telekommander schon in Hamburg und Salzburg absolviert. Anfang Februar steht noch ein Remmidemmi-Abend im Berliner Festsaal Kreuzberg an, aber heute werden erst mal die FM4-Hörerinnen verabschiedet. Vor allem die, die seit dem Mediengruppe Debütalbum "Die ganze Kraft einer Kultur" einen der zahlreichen Slogans, Reime und "Wir gegen die Welt"-Schlachtrufe an ihre Federpennale und T-Shirts und Häuserwände gekritzelt haben. Es ist Zeit, weiterzuziehen. Man muss seinen Hut ziehen vor Bands, die erkennen, dass Veränderung nur was Gutes bedeuten kann. So spielt sich die Band durch ihr letztes Liveset auf österreichischem Boden und natürlich muss man nicht extra erwähnen, dass man nicht weniger vor hat, als einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Wenn schon, dann mit "Wow" und "Geil" die Karriere beenden. "Telekommaaanda"-Rufe erreichen die beiden schon von Anfang an, gegen Ende wird die Hymne nochmal angespielt. Die Wettersituation hat sich nicht gebessert, es gibt jetzt aber einen passenden Soundtrack zur Vergesslichkeit der Nasssituation. Seid ihr alle noch da?

Gleich kommen die Ölfässer des Kaizers Orchestra. Dranbleiben bitte...

Es scheint, als ob die 17. Ausgabe des FM4 Geburtstagsfestes ein Wiedersehen mit Freunden ist. Mit Bands, die einem in den letzten Jahren schon mal wo über dem Weg gelaufen sind. Wie dem Kaizers Orchestra aus Norwegen. Diese Band hat zumindest meine Ohren dahingehend geschult, dass ich weiß, wenn mir jemand Ompa til du dor hinterherruft, muss ich mich schnell hinter der nächsten Mülltonne verstecken. Die Band vermittelt auf der Bühne einen Hang zum Endzeitszenario. Bei dem es nur einen Rettungsanker gibt, nämlich die den bösen Mächten den Kampf ansagende Musik.

Warum beginnt jede der heute auftretenden Bands ihr Set so derart brav, dass ich glaube, ein „November Rain“ zu hören!? Ach, auch das Kaizers Orchestra, die Band mit dem schönen Hang zur Dramatik, muss sich warmspielen, bis sich auch der Frontman das Jackett auszuziehen traut und mit dem Finger ins Publikum zeigt, um auch ja jede einzelne Traube der Menschen vor der Openair Bühne mit einem „Hallelujah“ zu erreichen. Gleich geht es hier weiter mit den großen, großen Kettcar aus Hamburg, die mit ihrem aktuellen Album „Zwischen den Runden“ zwar leise Töne anschlagen, aber sicher nicht auf ihre Hits vergessen werden. Es bleibt aufgeregt und aufregend.

Das große Finale

Und dann wären wir also bei Kettcar. Die Band mit dem schönen Namen, die sich mit neuem Album ein wenig angreifbarer macht, weil sie sich doch so sehr in ruhige, erzählerische Gefilde begibt. Nicht, dass man nicht große Geschichten gewohnt wäre von Marcus Wiebusch und Co, aber nach der „Sylt-Platte“ – so scheint es – wollte man sich wieder konzentrieren. Das neue Album „Zwischen den Runden“ bezieht sich vom Titel her auf „die kurze heftige Phase des Boxkampfes, die kurze Phase der Reflexion: zwischen den Runden“ eben.

Als Marcus Wiebusch am Nachmittag im Studio steht, meint er noch, „Indierock ist für uns tot!“ und bezieht sich auf die Instrumentierung des neuen Studiowerkes: mehr Klavier, mehr Streicher, mehr Bläser. Mehr Opulenz, könnte man meinen. Sie wollten mit der „größtmöglichen Offenheit“ an dieses Album herangehen. Entstanden sind Songs wie „Nach Süden“ oder „Im Klub“, der letzte Track im Set von Kettcar.

Geburtstagstorte für FM4

Florian Wieser/Shootingmusic

Der Tortenanschnitt

Danach wurde traditionell die Torte auf die Bühne gerollt, die FM4-Mannschaft versammelt sich auf der Bühne, um zum letzten Song nochmal das durchnässte durchgefrorene Tanzbein zu schwingen: Kettcar und Frittenbude performen gemeinsam den Track „Raveland“. Mit diesem Stück wird das 17. Lebensjahr dieses Senders gefeiert und gewürdigt.

Aber Zeit zum Ausatmen bleibt uns noch nicht viel: Fiva und ihr Phantomorchester stehen schon auf der Bühne der großen Halle. Die Frittenbudes sammeln sich noch und jede Menge FM4-DJs schwirren auch noch durch die Räumlichkeiten der Arena. Ganz zu schweigen von Euch, dem Publikum, das dieser Wettertortur getrotzt hat und uns hoffentlich noch einige Jahre gewogen bleiben wird. Es ist Raveland mit Euch.