Erstellt am: 5. 1. 2012 - 15:45 Uhr
Asylpolitik 2012
2011 sind die Asylanträge in Österreich stark gestiegen, 14.426 waren es und damit um ein Drittel mehr als im Vorjahr. Anny Knapp von der Asylkoordination Österreich rechnet damit, dass es 2012 ähnlich sein wird: „Das Flüchtlingsproblem ist ja weltweit ein enormes. Die Flüchtlinge, die es bis nach Österreich schaffen, sind ja nur ein Bruchteil davon. Die Situation, wie wir sie jetzt haben, wird im nächsten Jahr sicher weiterbestehen.“
Mehr Geld für QuartiergeberInnen
In Österreich sind die Aufnahmezentren derzeit überfüllt, es gibt zu wenig private QuartiergeberInnen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hat deswegen vorgestern in einem Hintergrundgespräch Maßnahmen angekündigt. Einerseits möchte sie die Zuwendung für QuartiergeberInnen von 17 auf 19 Euro erhöhen. Dadurch soll es mehr Unterkünfte in den Bundesländern geben.
Die Asylkoordination hält diesen Schritt für längst überfällig: „Wir fordern schon seit mehreren Jahren, dass es eine Valorisierung des Tagessatzes gibt“, sagt Anny Knapp. „Wenn man bedenkt, wie sehr seit 2004 die Energie- oder die Lebensmittelpreise gestiegen sind, dann sieht man, dass mit dem Tagessatz von 17 Euro nicht wirklich eine ausreichende Versorgung und Unterbringung gewährleistet werden kann.“ Aus diesem Grund hätten viele Quartiere zugesperrt und viele NGOs, die Flüchtlinge beherbergen, müssten Spendengelder zuschießen, um ihre Betreuung aufrecht zu erhalten.
Was in den Vorschlägen der Innenministerin allerdings nicht enthalten ist, sind die Gelder für AsylwerberInnen, die privat unterkommen, also sich ein Zimmer mieten. Diese liegen mit 300 Euro weit unter der Mindestsicherung, die ÖsterreicherInnen und Gleichgestellte bekommen, kritisiert Anny Knapp. Und auch die Zuwendungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die eine besonders intensive Betreuung brauchen, sind seit Jahren nicht angehoben worden.
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Taschengeld nicht in bar?
Um die „Flut“ an Neuanträgen in den Griff zu bekommen, denkt die Innenministerin aber auch darüber nach, das Taschengeld nicht mehr bar, sondern in Form von Gutscheinen oder Quick-Karten auszubezahlen. So sollte sichergestellt werden, dass das Geld in Österreich verwendet und nicht in die Heimat geschickt wird.
Anny Knapp findet dieses Vorhaben skurril. „Ich glaube nicht ernsthaft, dass an die Umsetzung solcher Maßnahmen gedacht wird“, sagt sie, „man muss sich nur überlegen, was das für einen Verwaltungsaufwand mit sich bringt, wenn man ein solches Gutscheinsystem einführt. „Das andere ist, dass AsylwerberInnen über diesen Betrag für ihren persönlichen Bedarf verfügen können und das lässt sich ja nicht mit Gutscheinen vorschreiben, was jetzt dieser Bedarf ist.“ Schließlich könne man niemandem vorschreiben, wie viel Geld man für Essen oder Fahrscheine ausgebe und auch mit Quick-Karte könne man nicht überall bezahlen.
Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge
2011 sind auch mehr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Österreich gekommen. Hier gab es ein Plus von 65 Prozent. „Wir haben vor allem viele junge afghanische Flüchtlinge, die nach Österreich gekommen sind“, erklärt Knapp. „Wir wissen, dass Afghanistan nicht gerade ein Land ist, wo Menschenrechte besonders hochgehalten werden. Dort werden viele Kinder in die Flucht getrieben oder eben vorausgeschickt. Weil es dann, wenn die Kinder schon da sind, ein Recht auf Familienzusammenführung gibt, und der Rest der Familie dann eben auf sicherem Wege nachkommen kann.“
Um das zu unterbinden, möchte Innenministerin Mikl-Leitner diese Familienzusammenführung einschränken. Anny Knapp gibt hier zu bedenken, dass es sich dabei um eine völkerrechtliche Verpflichtung Österreichs handelt, die nicht so leicht abzuschaffen sein wird. Und wenn nachgekommene Angehörige nicht automatisch auch Asylstatus bekommen, dann schafft man sich hier weitere bürokratische Probleme, die extra verwaltet werden müssten.
HELMUT FOHRINGER
Grundsätzlich meint Knapp zu diesem Thema: „Bei der ganzen Asyldebatte geht es immer wieder darum, zu schauen, ob man nicht irgendwo einen Missbrauch konstruieren kann.“ Hier eben, dass Kinder missbräuchlich vorgeschickt werden, um ganze Familien nachholen zu können.
Wunsch: Selbstständigkeit fördern
Anny Knapp würde sich überhaupt ein Umdenken in der Asylpolitik wünschen: „Man sollte in der gesamten Asylpolitik den Fokus darauf legen, wie man diese Menschen unterstützen kann, damit sie möglichst bald selbstständig sind und ohne weitere Unterstützung leben können. Man löst das Problem nicht, wenn man versucht, an irgendwelchen kleinen Schräubchen herumzudrehen, und sagt, 'wir schaffen damit jeden Asylmissbrauch ab.'“
Sehr optimistisch meint Knapp daher, sie hofft, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt für AsylwerberInnen im nächsten Jahr endlich erleichtert wird. Und sie wünscht sich einen entkrampften Umgang mit dem Bleiberecht, und dass Österreich auf der EU-Ebene seine Bremserfunktion, was Änderungen der Asylrichtlinien betrifft, aufgibt.