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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

8. 1. 2012 - 11:19

Zwischen "Freundfeind" und "Todfeind"

Reinhold Messners Roman "Pol" erzählt vom Schicksal des Polfahrers Hjalmar Johansen, der an den Egos zweier norwegischer Nationalhelden zerbrochen ist.

Reinhold Messner, das Alphatier, der Mann, der als Erster alle 14 Achttausender bestiegen hat, noch dazu ohne künstlichen Sauerstoff, wechselt in seinem neuen Roman "Pol" die Perspektive. Er beleuchtet die Geschichte eines jener Abenteurer, die stets im Schatten eines anderen Mannes gestanden sind. Hjalmar Johansen war der beste Schiläufer und Turner Norwegens, und wurde zu einem ausgezeichneten Schlittenhundeführer. Mit Fridtjof Nansen war er auf dem Weg zum Nordpol und mit Roald Amundsen zum Südpol. Weder den einen, noch den anderen hat er je erreicht. Zerbrochen ist er aber nicht daran, sondern an den Egos der jeweiligen Expeditionsleiter, die ihm seine Leistung aberkannt haben.

Buchcovern von Reinhold Messners Roman "Pol". Auf dem Cover ein Hundeschlittengespann.

Malik Verlag

"Pol. Hjalmar Johansens Hundejahre" von Reinhold Messner ist im Malik-Verlag erschienen.

Der Schnee fällt in:
Arktis und der Antarktis.

Wie viel Schnee kommt vor?
Sehr viel, wenn man Eis dazu rechnet.

Der erste Satz mit Schnee:
findet sich auf Seite 23. Das verschneite Land erschien weiter als der freie Himmel darüber, und bald gab es nichts mehr zu essen. Die unbegrenzte leblose Tundra vor sich, taumelte De Longs Mannschaft zwischen Hoffnung und Verzweiflung dahin, fast alle starben.

Schneesorte:
Eis, Eis, und Eis. Wenn Schnee vorkommt, dann nur in Form von Sturm.

Darum geht’s:
Hjalmar Johansen bewirbt sich 1893 für die Nordpolexpedition des norwegischen Polarforschers Fridtjof Nansen. Dort steigt er bald vom Heizer zum Assistenten Nansens auf und wird erwählt, Nansen zum Pol zu begleiten. Doch der Versuch, den Nordpol zu zweit mit Hundeschlitten zu erreichen, scheitert. 15 Monate lang ziehen Johansen und Nansen über das Packeis, ständig von der Kälte, Eisbären und Walrossen bedroht, bis sie auf Franz-Josef-Land gerettet werden.

Zurück in Norwegen wird die Nansen-Expedition feierlich empfangen. Sie hat zwar den Nordpol nicht erreicht, aber so weit nördlich wie sie war zuvor noch niemand. Nansen streicht den ganzen Ruhm ein, wird Diplomat und erhält später sogar den Friedensnobelpreis. Johansen dagegen verschwindet bald in der Versenkung und bringt sein Privatleben nicht auf die Reihe. Fast unerwartet ergibt sich für Johansen eine Chance auf ein Comeback, als ihn Nansen auf Roald Amundsens Südpolexpedition unterbringen kann.

Schnee von gestern oder Neuschnee?
Schnee von gestern. Die Nordpolexpedition Nansens hat von 1893 bis 1896 gedauert, die Südpolexpedition Amundsens von 1910-1912.

Weiße Pracht oder Weiße Gefahr?
Beides. Die mathematischen Punkte von Süd- und Nordpol üben eine gewaltige Faszination auf Forscher und Abenteurer aus. Um dort hinzukommen, müssen sie aber gewaltige Risiken und Entbehrungen auf sich nehmen. Leben von Mensch und Tier werden leichtfertig geopfert.

So liest sich das:

Endlich, am 19. November, fragt mich Nansen, ob ich bereit sei, ihn auf der Expedition zum Nordpol zu begleiten. [...] Wir würden Ende Februar oder Anfang März nächsten Jahres vom Schiff aufbrechen, mit allen 28 Hunden. [...] Bei der von ihm ausgearbeiteten Logistik müssten wir im Durchschnitt 15 Kilometer täglich zurücklegen und die Hunde sukzessive schlachten. Denn für die Tiere könnten wir maximal für fünfzig Tage Futter mitnehmen. Sonst bliebe nicht genügend Raum für unseren Proviant. "Alle Hunde, bis auf fünf vielleicht, müssen unterwegs geschlachtet werden", sagt Nansen trocken und mit eisigem Blick.
"Als Futter für die anderen?" frage ich verunsichert.
"Vielleicht auch als Nahrung für uns." Mir läuft es kalt über den Rücken.

Ewiges Eis oder Tauwetter?
Ewiges Eis. Johansen erreicht weder Nord- noch Südpol und scheitert auch im Privatleben. Zwar heiratet er nach der Nansen-Expedition seine Jugendliebe Hilda, doch die verlässt ihn wenige Jahre später mit den vier gemeinsamen Kindern. Johansen wird zum Alkoholiker. Seine Chance auf Rehabilitierung vermasselt er, als er einen Streit mit Amundsen beginnt und ihn sich zum Todfeind macht.

Und das lernen wir daraus:
Dass auch das Alphatier Messner eine Sympathie für Antihelden hegt.

Ist wärmstens zu empfehlen für:
All jene, die eine spannende Abenteuergeschichte lesen wollen und über den moralisierenden Vortrag Messners in Prolog und Epilog hinwegsehen können.