Erstellt am: 2. 1. 2012 - 18:28 Uhr
Gegen die Welt
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Uta Neumann
Jeder hat einmal klein angefangen. Außer Jan Brandt - der ostfriesische Autor legt als Debütroman gleich mal einen 900-seitigen Wälzer hin. Das sind eine ganze Menge Wörter und Sätze. Zehn Jahre lang hat Jan Brandt an seinem ersten Buch gearbeitet und wurde damit prompt für den Deutschen Buchpreis nominiert. Gegen die Welt enthält viele Geschichten, die sich aber zu einer großen Geschichte zusammenfügen. Die Zusammenhänge entstehen nach und nach. Doch trotz seines Umfangs ist sein Roman kein schwerfälliger Schinken sondern sondern liest sich sehr leicht. Aber schnell muss man ihn lesen, denn sonst verliert man den Überblick über die vielen Handlungsstränge.
Der erste Satz mit Schnee
Es war Mitte September. Die Temperatur war in der Nacht von über fünfzehn Grad auf null gesackt, und vor den Fenstern fiel der erste Schnee, ein paar Flocken nur, weiße Schatten, die vom Himmel schwebten und, kaum auf den Boden angekommen, wieder verschwanden, als wären sie nie da gewesen. (Seite 49)
Schnee fällt in
Jericho - einem kleinen Dorf in Ostfriesland, inspiriert von dem Ort, aus dem der Autor selbst stammt.
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DuMont Verlag
Darum geht's
Auf 900 Seiten verfolgen wir das Leben des Protagonisten, Daniel Kuper, der sich von Kindheit an immer wieder und immer tiefer in Ärger verstrickt, teils aus Eigenverschulden, teils zu Unrecht. Irgendwann wird er vom einfachen Außenseiter zum Sündenbock des Ortes. Für alles was passiert, wird er von den Leuten im Dorf und selbst von seinen Eltern verantwortlich gemacht. Schließlich sind alle gegen ihn.
Die Geschichte umspannt drei Jahrzehnte und konzentriert sich dabei nicht allein auf Daniel Kupers Weg nach unten, sondern beleuchtet auch die Geschichten von Nebenfiguren äußerst ausführlich. Am Ende kennt man fast jede Person aus Jericho samt ihren dunklen Geheimnisse.
Gegen die Welt ist wie ein Walzer, bei dem man sich führen lassen muss und der mal dahin, mal dorthin dreht, mal schneller und mal langsamer. Irgendwann ist einem ganz schwindlig von all den Handlungssträngen, Geschichten, Figuren und Zeitsprüngen. Aber wenn man bis zum Schluss dran bleibt, fügt sich am Ende alles zu einem großen Ganzen zusammen.
Schnee von gestern oder Neuschnee
Schnee von vorgestern, der schon getaut und dann wieder gefroren ist, und darüber eine Schicht Schnee von gestern und darüber noch eine Schicht frischer Pulverschnee.
Und das lernen wir daraus
Man kann sich zu leicht in Menschen täuschen und manchmal verwechselt man echte und falsche Freunde. Und hie und da trifft die Unschuldsvermutung auch zu.
So liest sich das
"Na, wen haben wir denn da?" Eisen drehte sich um, die Hände in die Hüften gestemmt. "Der klein Kuper."
"Tschuldigung."
Eisen beugte sich zu ihm herab, klemmte zwei Finger hinters Ohr und fragte: "Was?"
"Tschuldigung."
"Das reicht nicht", sagte Eisen und richtete sich wieder auf. "Das reicht bei Weitem nicht.
Berg oder Tal
Jan Brandts Debütroman ist eine 900-seitige Berg- und Talfahrt, bei der es allerdings hauptsächlich bergab geht.
Neuschnee - Bücher wärmstens zu empfehlen
Ist wärmstens zu empfehlen für
Puzzle-Fans, die gerne aus vielen Teilen ein großes Bild zusammensetzen. Und für Walzer-Tänzer, die sich führen lassen können, mal ins eine, dann wieder ins andere Eck einer Erzählung.