Erstellt am: 5. 12. 2011 - 16:53 Uhr
Das Sub im Pop
Das Plattenlabel Subpop braucht man meist nicht mehr vorzustellen, zumindest wenn man gleichzeitig die Worte Nirvana und Soundgarden fallen lässt. Und selbst nach einer Krise Ende der 90er Jahre konnte sich die Musikplattform mit Sitz in Seattle mit Songs wie "Such Great Hights" von The Postal Service oder "Phantom Limb" von den Shins wieder ins Business zurück kämpfen. Mittlerweile bringen über sechzig verschiedene Artists ihre Platten bei dem nordamerikanischen Label heraus. Der Teenbeat Club macht uns das passende vorweihnachtliche Geschenk und lädt für Mittwoch, 7. Dezember gleich drei vorzügliche Subpop-Bands ins Wiener B72.
Sexy und sleazy Elektropop im Pelz

Lorena Meichelböck
Ich kann mich noch gut an das letzte Konzert der Handsome Furs im B72 erinnern. Es war vor ziemlich genau zwölf Monaten, ohne Schnee und herbstlichen Temperaturen. Der Schweiß tropfte wie so oft bei einer derartigen Witterung und einem prall gefüllten Konzertraum von der Decke. Das Elektro'n'Roll Ehepaar Dan Boeckner und Alexei Perry heizte uns mit ihrer sexy Performance richtig ein, lasziv und distanziert zugleich.
Ganz nach David Bowie, in "Low"-Manier, eiern bei den Handsome Furs funkelnde Keyboardflächen durch den Raum, drücken warme und tiefe Synthie-Bässe in den Bauch und lassen treibende Drumcomputer-Loops die Tanzbeine zucken. Mich faszinierte, wie locker und treffsicher das Duo seinen dichten Sound auf die Bühne zauberte. Zwischen den Tracks waren Dan und Alexeri dann auch noch derart charmant, dass sie schon nach den ersten Minuten das gesamte Publikum auf ihrer Seite hatten.

newmusicmichael.com
Dieses Mal kommen die geschmeidigen, perfekt sitzenden und glamourösen Soundpelze mit neuen Songs nach Wien. Das aktuelle Album Sound Kapital hat Eva Umbauer im Sommer schon detailliert besprochen. Spannend wird es auf alle Fälle, dieses komplett auf Keyboards komponierte Werk live zu erleben. Die Umsetzung dürfte dem kanadischen Duo, das unentwegt auf Tour ist, nicht schwer fallen. Man kann es sich schon richtig vorstellen, die siebenminütige Pophymne "No Feelings" mit seinen kecken Melodien und Gesangslinien und den Gitarrennoise-Mittelteil so richtig um die Ohren geschleudert zu bekommen. Die metallisch hämmernde, hypnotisch treibende Single "What About Us" wird exzessive Bewegung nicht nur im Publikum hervorrufen. Soweit wie im zugehörigen, recht expliziten Video wird es an diesem Abend sicher nicht gehen, aber eine heiße Disco-Nacht steht uns allemal bevor.
Fledermausfolk
Vor ein paar Tagen feierte Eric D. Johnson, der Mastermind und einzig fixe Bestandteil der Band Fruit Bats, das zehnjährige Jubiläum seines Band-Debüts. Dieses Debüt, das den wundervollen Titel "Echolocation" trägt, war für den Keyboarder der Shins 2001 der erste Schritt auf Solopfaden.

Alissa Anderson
Die Besetzung der Fledermausband, die ganz klar sanften Folktönen die Ehre erweist, wechselt nämlich bis heute stetig. "Tripper" nennt sich das neueste Werk, dessen atemberaubend schönes Coverartwork gleich zum Träumen verleitet: ein wolkenverhangener, blitzblauer Himmel über einer weitläufigen, amerikanischen Steppe. Das ideale Bild für den federleichten und zugleich tiefgründigen Akustik-Pop der Fruit Bats. Mit dem Opener "Tony The Tripper" entführt uns Eric D. Johnson gleich in sein Reich glitzernder Akkordzerlegungen und filigraner Arrangements, über denen seine charismatische Stimme dahinfliegt. Das folgende "So Long" besticht mit Glockenspiel, hintergründigem Groove, eingängigen Gesangsmelodien und einem unwiderstehlichen 70ies Flair.

Fruit Bats
Bei Balladen wie "Shivering Fawn" reichen akustische Gitarre und dezente Elektronikversatzstückchen aus, damit uns Eric seine Geschichte mit eindrücklicher Intimität erzählen kann. Mit "You're Too Weird" swingen die Fruit Bats dann auch gleich im fröhlich schunkelnden Holzkarren über die Prärie dem Sonnenuntergang entgegen. Das alles geschieht mit viel Gefühl für Harmonien und einem cleveren Kompositionshändchen. Eric D. Johnson schafft es nicht nur, sich selbst aus der großen Stadt Chicago gedanklich wegzubeamen. Seine zerbrechlichen Folkgebilde lassen auch uns von der amerikanischen Weite träumen, von zurückgelehnter Langsamkeit und einer betörenden Sinnlichkeit, die in der Reduktion auf das Wesentliche eines Poposongs steckt. So werden die Fruit Bats in der Subpop Festival Night unseren Wiener Fledermäusen viele ihre sehnsüchtigen, transatlantischen Melodien vorspielen.
Goldener Pop
Mit allen Instrumente die Grant Olsen in die Hand nimmt, scheint dieser Singer/Songwriter Songs aus purem Gold zu spinnen.

Kyle Johnson
Dabei ist das harmonische wie auch instrumentale Geflecht seiner berührenden Stücke sehr dicht verwoben. Undurchdringlich wirkt manchmal das Gemisch aus schweren Orgelakkorden, dumpfem Bass, locker dahinschwingenden Gitarrensounds und breitem Chor, etwa im ersten Song "The Silver Lining". Nach seinem Musikprojekt Arhtur & Yu öffnet Grant Olsen nun mit Gold Leaves seine Arme, um uns herzlich zu umarmen. Egal ob sein countrybeeinflusstes "Endless Dope" uns in breite Klangsphären hebt, wir während "Honeymoon" Zeugen einer Liebesaffäre mit psychedelischem 1970iger Folk sein dürfen oder uns zum Abschluss mit "Futures" ein Blick in die musikalische Zukunft gewährt wird, Olsen schafft es mit seinem unglaublich vielschichtigen Soundspektrum jede Minute zu fesseln.

Gold Leaves
Wie so oft hat "The Ornament" viele Verwandlungen durchmachen müssen, bis die neun Songs schließlich auf Platte gebannt wurden. Vom Dieb, der Grant Olsens Laptop und seine Notizbücher gestohlen hatte, bis zu Gastmusikern im Studio hat es rund vier Jahre gedauert. Dafür versprüht das Ergebnis, das uns Gold Leaves bei der Subpop-Festival-Nacht präsentieren werden, eine magische Intimität, die niemanden ausschließen will und hoffentlich wird. Denn öffnet die Seattler Band erst einmal sein "Hanging Window", dessen altes Scharnier nach großen Songwritern der 60er klingt, so dürfte der dadurch gewonnene Einblick in die mit Doo Waps verzierte Soundwelt einen nicht mehr loslassen.