Erstellt am: 28. 10. 2011 - 12:05 Uhr
Vlog#8 Win/Win/Winslet
Es ist Halbzeit, sagt die Viennale und als würden wir nach fußballähnlichen Regeln spielen, übernimmt ab morgen Markus Keuschnigg das Viennale-Tagebuch. Zeit für ein kleines Was-bisher-geschah, Dinge, die sich eingefressen haben: Der tänzelnde Andre Wilms auf der Bühne des Gartenbaukinos bei der Eröffnung, der Kommissar mit der Ananas in "Le Havre", der raffinierte Soundeinsatz im "Stummfilm "The Artist", die Gesangsnummer in "La Guerre est declarée", die projizierten rosa Punkte in "Crazy Horse", die gezeichnete Rose von Saul Bass im Vorspann von "Carmen Jones", der im Sand eingebuddelte John Merriman in "You hurt my feelings", die Liftszene aus "Drive", die nerdige Filmbegeisterung von Allan Arkush und Joe Dante in "Roger Corman: Exploits of a Hollywood Rebel", Kathy Gilleran, die nach "Gone" im Gartenbaukino ist und die Wucht, mit der mich "Take Shelter" getroffen hat.
viennale
Der Satin-Skorpion
Und weil wir uns hier im Forum mal über das unterhalten haben, was Film auch noch ist, nämlich das elektrisierte Übernehmen von Verhaltensweisen oder gar Kleidungsstil von Filmfiguren, auch davon ist die Viennale ein Teil. "Drive" und das Satin-Skorpionjackerl macht alle verückt, in den USA werden bereits fleißig im DIY-Verfahren Skorpione auf Kleidungsstücke genäht und mit Hammer in der Hand und Zahnstocher im Mund für Fotos gepost. Die Originaljacke um 159 Dollar ist ausverkauft. Was Marlon Brando für das T-Shirt getan hat, macht Ryan Gosling für den Satin-Skorpion.
viennale
Mildred!
Ich hingegen bin "Mildred Pierce" (und all seinen Kostümen) verfallen. Mit Todd Haynes' Miniserie für HBO, die noch am 1.11 im Uraniakino läuft, ist nur ein Beispiel für zahlreiche Serien, die dem Kino um nichts mehr nachstehen. Fernsehen im Kino und genau da gehört "Mildred Pierce" auch hin, lautet doch schließlich auch der HBO Slogen It's not TV. Basierend auf dem Roman des hard-boiled Autors James M. Cain ist "Mildred Pierce" ein Porträt der USA der 1930er Jahre und die Geschichte einer Frau in den 1930er Jahren, Mildred hat zwei Töchter, trennt sich vom untreuen Ehemann und versucht sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten als Geschäftsfrau. Während sie mit ihren Restaurants Erfolge feiert und auch abseits des Berufs Unabhängigkeit und Eigenständigkeit lebt, gibt es etwas, was Mildred stets zurückhält, kleinmacht und zermürbt: Veda. Veda ist Mildreds ältere Tochter, ein Balg vor dem Herrn, ein Wesen mit Standesdünkel und angetrieben von Bosheit und Arroganz.
HBO
Veda (Evan Rachel Wood) verachtet ihre Mutter zunächst dafür, dass sie berufstätig ist und Mildred ist trotzt aller Beleidigungen stets um Verständnis für ihre Tochter bemüht. Das Kind soll es einmal besser haben, war stets Mildreds Antrieb, sie ist schließlich etwas ganz Besonderes. Karriere zu machen und eine alleinerziehende Mutter zu sein, ist ohnehin schon eher schwierig, wenn die Tochter einen aber auch noch für die Arbeit verachtet, wird es fatal.
hbo
Stolz und Vorurteil
Kate Winslet ist fantastisch, sie spielt Mildred, ist geerdet, mutig, eigenwillig. Die Entscheidung, arbeiten zu gehen, fällt ihr nicht leicht. Mildred übergibt sich am Tag der Jobzusage. Bei einer Vorstellung als Haushälterin verlässt sie das Vorstellungsgespräch, nachdem die Dame des Hauses ihr die Regeln erläutert, die unter anderen beinhalten, dass sie sich nur auf Einladung ebenjener Dame hinsetzt. Mildred steht auf und geht.
HBO
In langen Szenen entfaltet Todd Haynes den Sog von "Mildred Pierce", ein hypnotischer Sog, der von amerikanischen Urthemen wie Aufstieg, Unabhängigkeit, Erfolg, Sex und Klassenbewusstsein erzählt. Und ganz nebenbei erinnert einen Guy Pearce als slicker Slacker Monty Beragon daran, dass man ihn gern öfter auf der Leinwand sehen würde.
Und sonst so?
Ich wunder mich immer noch, warum es keinen Viennale-Leinenbeutel gibt, den ganz Hipsterhause mit Stolz tragen würde, ich war immer noch nicht in der "Bigger than Life" Ausstellung im Jüdischen Museum. Vor mir liegen noch die Harry Nilsson -Doku, "Hesher", "Totem", "Dragonslayer" und der Überraschungsfilm. Steve Collins, der Regisseur von "You hurt my feelings" hat meine Review mit Google-Translate übersetzt und mir geschrieben, wenn ich jemals in Connecticut bin, soll ich mich bei ihm und seiner Frau melden.