Erstellt am: 14. 10. 2011 - 12:45 Uhr
Körpertausch im Vollrausch
Doppelgänger, Verwechslungen und Körpertausch sind drei der mindestens 17 Musketiere der albernen amerikanischen Komödie. Wenn Ich dann plötzlich tatsächlich ein Anderer ist - oder zumindest für einen Anderen gehalten wird - lernt man eine Außensicht auf sich selbst, plattelt oft eingefahrene Konventionen auf und gegen Ende hat die Lektion, dass man mit dem zufrieden sein soll, was man hat, einen großen Auftritt auf der Showtreppe namens Showdown. Die Komödie des Körpertausches zieht ihren Reiz aus der Diskrepanz zwischen Körper und Verhaltensweisen und Erwartungshaltungen, die abgewatscht werden. Mütter und Töchter, Enkel und Großväter haben das auf der Leinwand bereits durchgemacht, gerne auch landet man zwar im eigenen Körper, der aber plötzlich der eines Erwachsenen ist, oder man findet sich plötzlich im eigenen Teenagerkörper wieder.
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"The Change Up" hat relativ wenig Interesse an diesen Diskrepanzen, die beiden Hauptfiguren sind männlich und im gleichen Alter und spätestens nach dem body switch frönen beide der Infantilität des erwachsenen Mannes, an der sich die jüngere, amerikanische Komödie festgebissen hat.
Grünes Gras zum Rauchen
Dass das Gras auf der anderen Seite grüner ist, denkt sich Anwalt, Ehemann und dreifacher Vater Dave (Jason Bateman), denn auf seiner Seite, da ist gar kein Gras, zumindest keines das man rauchen kann. Sein alter Collegefreund Mitch (Ryan Reynolds) hingegen raucht zum Frühstück bereits Bong, hat eine Armada an sexuellen Abenteuern und slackert in Jogginghose durch den Tag. Als wenig erfolgreicher Schauspieler hat man eben jene Menge Zeit. Manchmal beneidet man in dieser Zeit den ältesten Freund um dessen Leben im Kreis einer Familie.
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Nach ein paar Getränken in einer Bar meldet sich eines Nachts die schwache männliche Blase und Dave und Mitch urinieren gemeinsam in einen Brunnen. Und wünschen sich dabei das Leben des anderen. Es blitzt, donnert und ein Close Up zeigt uns den Kopf der Brunnenfigur, die ein Lächeln andeutet. Aufwachen werden die beiden im Körper des Anderen. Zügelloses Singleleben statt Verantwortung und Stress. Windelwechseln statt Ausschlafen. Bürstenschnitt statt Slackerflusen. Gleich von Anfang an stellt David Dobkins "The Change up" klar, dass das hier ein Körpertauschfilm mit Betonung auf Körper ist. Mit all seinen Ausscheidungen.
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Mi Penis es su Penis
Nach dem ersten Schreck klärt man die brennende Fragen, ob der eigene Penis denn nun eigentlich noch der eigene Penis ist und versucht dann das Leben des Anderen nicht zu zerstören. Sei es in einer wichtigen Sitzung der Anwaltskanzlei oder am Set eines light pornos aka Lornos. Mit Arschlöchern haben es beide zu tun, mal mehr und mal weniger wörtlichen. Schließlich ist "The Change Up" eine r-rated comedy und möchte das auch ausnutzen; Sigmund Freuds Kopf wäre hinsichtlich der Aneinanderreihung von Fäkalien- und Busenbesessenheiten der Kopf explodiert. Für den DVD-Release träume ich auf einen Slavoj Zizek-Audiokommentar. Der würde dann wohl auch noch einiges dazu zu erzählen haben, dass die Selbstbefriedigung im Körper eines Anderen dann wohl die bis jetzt körperlichste und sexuellste Erfahrung in Sachen bromance ist.
"The Change Up" ist nicht die Einbettung eines derberen Humors in einen Film, in dem ein goldenes Herz pocht, wie man das von Judd Apatow kennt. Die Komödie hat nämlich gar kein Herz und ist bizarrerweise vulgär und verklemmt zugleich. Die Nacktheit, zum Beispiel, die ohnehin stets nur eine weibliche ist, ist Fake. Plastikbusen aus dem CGI-Universum werden einem entgegengehalten. Nackt und irgendwie doch nicht nackt. Frauen haben hier nur eines zu sein: Sexy. Dass aber auch sexy Frauen mal auf die Toilette müssen ist eine harte Lektion für den Neo-Ehemann, der sich gerade auf Sex mit der Frau seines besten Freundes gefreut hatte. Shit happens. Vor allem nach zu scharfem Essen.
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Jon Lucas und Scott Moore, die das Drehbuch zum herrlichen "The Hangover" geschrieben haben, haben bei "The Change Up" jegliches Gespür für Komik, Übertreibung, Derbheiten und auch bromance verloren. Schlingernd wie ein betrunkener Teenager poltert "The Change Up" dahin und rülpst, kotzt die Leinwand voll, zieht dann gestreckten Mittelfinger und und packt dann den Zeigefinger aus. Die Moralkeule, das man mit dem glücklich sein soll, was man hat, schlägt erst dann zu, wenn man von den Derbheiten des Films ohnehin schon schwach auf den Beinen ist.
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"The Change Up" läuft seit 14. 10. 2011 in den österreichischen Kinos
Jason Bateman, stets festgelegt auf ruhige, lakonische Charaktere, genießt es offensichtlich, den Single-Slacker zu spielen und die Mimik und Gestik mal weniger in Zaum zu halten. Selbst Ryan Reynolds, verschrien als Strahlemann ohne Ausstrahlung schlägt sich wacker, doch der Film hat ohnehin kein Interesse an komödiantischen Nuancen. Als running gag knallt ein Kleinkind immer und immer wieder den Kopf gegen die Stangen seines Gitterbetts. Man kann es ihm nicht verübeln.