Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Die FM4 Charts vom 17. 9."

Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

17. 9. 2011 - 19:00

Die FM4 Charts vom 17. 9.

"Gürtellinien": Maria Fekter ist in die Falle getappt.

Ich hoffe sehr, die User acromion und Co. können mir noch einmal nachsehen, ich wollte ganz in echt heute tatsächlich kurz über die großartigen Beirut schreiben, immerhin ist Zachs neue Single, "Santa Fe" gleich mal auf Platz 10 eingestiegen.
Doch dann ist wieder mal etwas dazwischen gekommen, Frau Minister Fekter, um präzise zu sein.

Ihre Partei hat ja aktuell das Problem, von diversen Korruptionsskandalen gebeutelt zu sein, als Gegenmittel möchte man – wieder – auf das Lieblingsthema "Leistung" setzen.

  • "Gürtellinien": Maria Fekter ist in die Falle getappt, befindet Robert Zikmund.
  • "Den Reichen reichts: Rainer Springenschmid ist überzeugt, dass Maria Fekter bewusst tut, was sie tut.

So wird gerne behauptet, dass es nicht angehen kann, dass ein "Leistungsträger" mittlerweile drei "Transferbezieher" mit erhalten muss, die es sich in der sozialen Hängematte bequem machen – aus diesem Grund will man nun auch die Mindestsicherung "evaluieren".

Ebenfalls im Gespräch war eine Steuerentlastung für Spitzenverdiener ab etwa 60.000 Brutto Jahresgehalt – welcher Arbeit man allerdings nachgehen muss, um auf diese Summe zu kommen, ist nicht leicht ersichtlich.

Genau so wenig wie der Umstand, warum der tatsächliche Mittelstand, der vielleicht auf 24 bis 50 Tausend Brutto kommt, nicht in die Pläne involviert war. Erst am Donnerstag legte der renommierte österreichische Wirtschaftsforscher Markus Marterbauer dar, wie schädlich es gesamtwirtschaftlich ist, dass Vermögen immer ungleicher verteilt sind. Die Vermögen der wirklich großen Einkommen der obersten 10 %, die man mit einigem bösen Willen als Fekters "Leistungsträger" missverstehen könnte, speisen sich außerdem weniger aus Arbeit denn aus Kapitaleinkünften – die noch dazu weniger besteuert werden als Arbeit.

So haben wir etwa in den USA die Situation, dass die Reichsten (die von leistungslosen Kapitalerträgen enorm gut leben) etwa im Schnitt 17% Abgaben zahlen – während Arbeit massiv besteuert ist.

Auch auf Konjunktur und Beschäftigung haben Steuergeschenke an die obersten Prozent leider nicht den gewünschten Effekt: Während Arme und Mittelstand ihr Einkommen zum Großteil konsumieren (müssen) und damit direkt für Einnahmen und Beschäftigung sorgen, gehen die Vermögen der Reichen vor allem in die Kapital- und Geldmärkte – und bilden damit jenes Spielkapital, das für die lustigen Blasen auf Rohstoff-, Immobilien oder Aktienmärkten sorgt.

Grob um den Daumen kann man sagen, dass auch in Österreich 90% der Menschen Zinsnettozahler sind, also in allen Ausgaben auch versteckte Zinskosten tragen müssen, während 10% Nettoempfänger sind, also von diesen Erträgen leben – schon lange Zeit ist die systemimmanente Umverteilung von unten nach oben bekannt.

Dramatisch wird es allerdings nun in einer Zeit, da die von Banken- und Finanzindustrie ausgelöste Krise die Staatsschulden explodieren lässt: Da wird, wie auch von Marterbauer diagnostiziert, sofort der Sozialstaat als Sündenbock ausgemacht und die gewaltigen Verluste werden wieder auf alle, und somit auch auf den Großteil, der nicht profitierte, sozialisiert.

Zum Vergleich: Bereits jetzt ist klar, dass österreichische Banken, sollte ihr Ost-Geschäft noch stärker in Bedrängnis kommen, wieder vom Steuerzahler gerettet werden.
Jene Banken also, die ebenso Geld (jüngst Dollar) zum Discount-Zinssatz von etwa 1% von der Zentralbank bekommen und dieses Geld dann um ein vielfaches höher verzinst verborgen und später zurückfordern.

Natürlich kommt hier in weiten Teilen der Bevölkerung Wut auf, von ganz links bis ganz rechts, von den spanischen "Echte Demokratie Jetzt"-Aktivisten bis zu den Rechtspopulisten, die aus dem Euro raus wollen. Schon längere Zeit behaupten Teile der Wirtschaftswissenschaft, dass unser auf Schuld basierendes Geldsystem im Zinseszins System regelmäßig crashen muss – und kurz vor dem Crash ist das natürlich ein Biotop für Rattenfänger aller Art.

So hat schon der – in Sachen Antisemitismus nicht unumstrittene – Ökonom Silvio Gesell am Anfang des 20. Jahrhunderts gesagt, am Ende dieses Zinseszins-Wachstums von Vermögen und Schulden steht stets zuerst der Nationalismus und dann der Krieg.

Insofern wäre eine Abrüstung der ideologischen Aufgeregtheit vielleicht ganz hilfreich, ein nüchternes Analysieren und vor allem eine demokratische Debatte darüber, wie ein Wirtschaftssystem aufgebaut sein muss, um möglichst viele Menschen am noch immer enormen Reichtum und Fortschritt unserer Zivilisation partizipieren zu lassen.

Wenig hilfreich ist es natürlich, sowohl die fundierte Fach-Kritik Andersdenkender als auch die verständliche Wut der Leute von der Straße in irgendein Eck zu drängen.
Und dabei im schlimmsten Fall auch noch das größte Verbrechen und Leid der Geschichte zu instrumentalisieren.
In diese Falle ist Finanzministerin Maria Fekter aber nun leider getappt.

feist

http://www.listentofeist.com/

Und nun überblicksartig zu den Charts – mehr zu Beirut dann nächste Woche, versprochen: Die Band mit dem ausgeflippten Namen "Totally Enormous Extinct Dinosaurs" landet mit "Trouble" heute auf Platz 3 der Charts.

Platz 2 geht an Rapture mit "How Deep Is Your Love". Und die entzückende Frau Feist schafft es im vierten Anlauf endlich an die Spitze unserer Hitparade, "How Come You Never Go There" ist unsere neue Nummer 1.

Ein erbauliches Wochenende Euch allen!