Erstellt am: 12. 7. 2011 - 11:18 Uhr
Hilarious Larry
Dir müsste das gefallen, mir ist das zu arg, aber du, du findest ja auch „The Office“ lustig, während ich im Boden versinke. Mit diesen Worten drückte mir S. die erste Staffel Curb Your Enthusiasm in die Hände, setzte ein und behalt sie, ich will sie nicht zurückhaben nach und so begann meine Bekanntschaft mit dem Meister der Misanthropie, dem Zapano der Zwistigkeiten, der haarpracht- und launentechnisch manchmal an den Simpson’schen Krusty erinnert.
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"Seinfeld" der Träume
Der gebürtige New Yorker Larry David wollte eigentlich Stand Up Comedian werden, sein größter Erfolg gelingt ihm aber als Mann im Hintergrund. Als Schöpfer, Autor und Produzent von „Seinfeld“. Die Serie mit dem nervtötenden Bass als Szenentrenner und Frisuren, die die Schmerzgrenze weit hinter sich gelassen haben, wird zu einer der erfolgreichsten der 1990er Jahre. Neurotische New Yorker, die erfrischend unhip aussehen, quasselten sich durch zehn Jahre Serienlaufzeit, machen Larry David zum Multimillionär und brachten jüdischen Humor in den Vorabend. Das aprupte Türöffnen von Kramer und der Suppen-Nazi gehen in die Annalen der Popkultur ein.
Nach Serienende im Jahr 1998 wagt David ein eigenwilliges Projekt, das sich zu einer Serie entwickelt, die inzwischen in die achte Staffel geht: „Curb Your Enthusiasm“, richtet sich mit seinem Titel erstens an potentielle Zuseher, die gleichmal ihre Erwartungshaltung dämpfen sollen und an all die Menschen, die laut Larry David mit soviel Enthusiasmus durchs Leben gehen und einem damit nur die eigene Unterlegenheit unter die Nase reiben wollen.
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Larry David spielt in der HBO Serie eine fiktionalisierte Variante seiner selbst. Eine sture, unbeirrbare Variante seiner selbst. Die Eckdaten stimmen, auch sein Serien-Ego ist dank "Seinfeld" reich geworden und als sich der "echte" Larry David scheiden lässt, kommt es auch in der Serie zu einer Trennung von Larry und seiner TV-Ehefrau Cheryl.
Mücken und Elefanten
Sein Alltag bewegt sich zwischen reichtumbedingtem Nichtstun, gelegentlichen Treffen mit TV-Produzenten, Ausflügen zum Golfplatz, hypochondrisch motivierten Arztbesuchen und teuren Restaurants in Los Angeles. Er sucht nicht unbedingt Streit, der Streit findet ihn aber stets. Larry David ist kein bequemer Zeitgenosse, sein Leben, das so bequem sein könnte, ist alles andere als eine Hollywood-Schaukel. Eher ein Nagelbrett, auf das jemand auch noch Juckpulver gestreut hat. Er stellt vieles in Frage, worauf sich andere ohne zu hinterfragen einlassen: Höflichkeitsfloskeln und soziale Konventionen, Arrangements, auf die man sich irgendwann mal eingelassen hat, um den Alltag reibungsloser zu gestalten, werden für ihn zu Stolpersteinen. Lügen, Missverständnisse und höchst unglückliche Zufälle machen zunächst aus Mücken Elefanten, die dann mit großem Getöse Porzellanläden niedertrampeln.
Alles endet in größtmöglichen Peinlichkeiten, in Gestammel oder Geschrei, im öffentlichen Eklat. Manchmal ist er zu ehrlich und manchmal lügt er zu schlecht, in jedem Fall hagelt es Karma-Watschen für den Mann in den weißen Sneakers. Eindeutig sind für ihn, "die Hölle die Anderen" und dem von Ben Stiller in "Greenberg" gemurmelten "Life is wasted on people", würde er ohne mit der Wimper zu zucken, zustimmen. You know what you are? A social assassin. diagnostiziert sein Manager Jeff.
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Wohligen Eskapismus gönnt einem Larry David nicht: Der unaufgeregte Doku-Look von „Curb your Enthusiasm“ heuchelt Realismus und erhöht so das Fremdschämen, das einen regelmäßig bei Davids soziopathischen Rundumschlägen heimsucht. Manchmal sucht die Serie gesellschaftliche Konflikte und bricht sie runter auf eine Alltagsbegegnung, in Staffel 8 wird sich der jüdische Larry David mit einem palästinensischen Restauranbesitzer anlegen. Somit gibt es bald kaum noch eine Bevölkerungsgruppe, mit der er noch nicht im Clinch gelegen ist. Dabei ist er einfach nur konsequenter, was den Grundatz, dass alle Menschen gleich sind, angeht. Er behandelt auch wirklich alle gleich. Alte Freunde, Zufallsbekanntschaften, Menschen mit Behinderungen, Menschen aller Religionen und sogar Kinder. Nur weil jemand blind ist oder im Rollstuhl sitzt, macht ihn das nicht zu einem sympathischen Menschen, hier bricht „Curb Your Enthusiasm“ mit einer filmischen Tradition.
Und, dass man mit Kindern anders umgehen soll, als mit Erwachsenen, sieht er nicht so. Die gesangliche Darbietung der Tochter von Bekannten bringt er auf einer Dinnerparty zu einem jähen Ende, denn that's by far the worst thing I’ve ever heard. Wenn ein kleines Mädchen ihn bittet, die langen Haare seiner Puppe zu einem Pagenkopf schneiden, dann macht er das auch. Sie hat schließlich danach gefragt. Beim zornigen "No, you shut up"-Dialog, den er mit der Person in der Kinoreihe vor ihm hin- und her echot, stört es ihn nicht, dass diese Person noch nichtmal in die Schule geht.
Das Kreuz mit der Religion
Religion ist für Larry David mit all ihren Traditionen und Regeln ein gefundenes Fressen, er wirft das alles über Bord und bricht Weltreligionen auf familiäre Konflikte runter: Darf man mit einem Originalrequisit-Nagel aus "The Passion of Christ", den der Schwiegervater ersteigert hat, eine Mezuzah im Türrahmen befestigen? Die Christen sind Larry David ohnehin zu aufdringlich, ihr Drang zu missionieren sei absurd, so als würde er, nur weil er gern Hummer isst, allen anderen auch Hummer aufzwingen. Do I go around pushing lobster on people? Do I say "You must like lobster"? "Eat lobster! It's good. It's good." You know, it's not only where you live; you go to Africa. You travel all over the world. "Eat lobster! Have some more lobster! It's good!".
So indifferent er oft gewissen Alltagsarrangements gegenübersteht, so stur ist er manchmal bei der Umsetzung eigener Prinzipien. Grandiose Dialoge gibt es dann zb Bei der Schlacht ums kalte Buffet, wenn für Larry Davids Empfinden, sich Christian Slater zuviel Kaviar einverleibt. Sehr oft hat Larry auch einfach nur Recht. "You know who wears sunglasses inside? Blind people and assholes."
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Auf dem glatten Parkett der political correctness schlittert der Mann mit dem weißen Haarkranz und dreht Pirouetten der Peinlichkeit; gesteigert noch durch die vorauseilende Freundlichkeit und Höflichkeit der amerikanischen Umgangsformen, wo man schon bei der ersten Begegnung mit „How do you do“ und „Nice to meet you“ geherzt wird. Umso größer und schmerzhafter sind die Verletzungen, die er sozialen Verhaltensmustern zufügt.
Die HBO Freiheit
Manchmal ist er allerdings auch völlig unschuldig am Malheur, aber das glaubt ihm dann auch niemand. Da kann er noch so oft bestätigen, dass es ein, aber nicht sein Tippfehler war, die Tatsache, dass in der Todesanzeige einer Tante seiner Frau Beloved cunt steht, wird ihm so schnell nicht verziehen. Die Offenherzigkeit der Sprache, die Fluchexplosionen von Susie Green und Szenarien wie Larry Davids Besuch einer Inzest Selbsthilfegruppe oder Dialoge über einen kleinen Jungen mit einem großen Penis (und ob das was ist, wozu man dem Vater des Jungen gratuliert) sind nur möglich, weil man sich bei HBO befindet, dem Pay-TV-Sender, bei dem man Fuck nicht piepsen muss und der ein stetiger Produzent grandioser Serien ist.
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Die achte Staffel "Curb Your Enthusiasm" ist am 10. Juli 2011 in den USA gestartet, Staffeln 1.-7 sind auf DVD erhältlich und schwerstens zu empfehlen
Pretty, pretty, pretty good
"Curb Your Enthusiasm" ist das unangenehmste und unterhaltsamste, was das amerikanische Fernsehen für mich im Angebot hat; Larry David ist mein Don Quixote in Freizeitkleidung, im ewigen Kampf gegen die Windmühlen des "Das ist halt so" und "Das war schon immer so" und "Das tut man nicht". Er reisst und rüttelt am festgezurrten Korsett unserer Sprache und Verhaltensweisen, tanzt einen Veitstanz auf sozialen Minenfeldern. Im Trailer zur aktuellen Staffel, in der es ihn nach New York verschlägt, stößt er auf einem Gang mit Michael J. Fox zusammen und fragt ihn erbost, I suppose that was Parkinsons too?. Ich kann es kaum erwarten.