Erstellt am: 3. 12. 2009 - 14:05 Uhr
Nothing. Zero. Zilch.
Ich würde gerne an dieser Stelle eine rare Spezies von Menschen hochleben lassen, die mir im Gegenzug vielleicht dafür die kalte Schulter zeigen. Oder eventuell sogar eine kleine Watsche verbaler Natur androhen.
Die Rede ist von scharfzüngigen Ungusteln, begnadeten Giftschleudern, hochbegabten Spöttern. Typen, die sich nicht auf den öden Gegenwartskonsens zur krampfhaft konstruktiven Meinung einlassen, die auch schon mal aus purem Vergnügen gemeine Sätze loslassen, die das Dumme und Böse offen attackieren, ohne sich auf eine falsch verstandene, alles umschmiegende Toleranz einzulassen.
Um auch gleich zu differenzieren: An durchgeknallte Fanatiker, Verschwörungstheoretiker oder Radikaleremiten denke ich dabei kaum. Ich schätze es, wenn die Wut auf das Dasein eben nicht mit einer Verbitterung einhergeht, die zur Stagnation, zum Einfrieren und zum lebendigen Tod führt.
What the hell does it all mean anyhow? Nothing. Zero. Zilch. Nothing comes to anything. And yet, there's no shortage of idiots to babble. Not me. I have a vision. I'm discussing you. Your friends. Your coworkers. Your newspapers. The TV. Everybody's happy to talk. Full of misinformation. Morality, science, religion, politics, sports, love, your portfolio, your children, health.
Christ, if I have to eat nine servings of fruits and vegetables a day to live, I don't wanna live. I hate goddamn fruits and vegetables. And your omega 3's, and the treadmill, and the cardiogram, and the mammogram, and the pelvic sonogram, and oh my god the-the-the colonoscopy, and with it all the day still comes where they put you in a box, and its on to the next generation of idiots, who'll also tell you all about life and define for you what's appropriate.
My father committed suicide because the morning newspapers depressed him. And could you blame him? With the horror, and corruption, and ignorance, and poverty, and genocide, and AIDS, and global warming, and terrorism, and the family value morons, and the gun morons. "The horror," Kurtz said at the end of Heart of Darkness, "the horror." Lucky Kurtz didn't have the Times delivered in the jungle. Ugh... then he'd see some horror.
But what do you do? You read about some massacre in Darfur or some school bus gets blown up, and you go "Oh my God, the horror," and then you turn the page and finish your eggs from the free range chickens. Because what can you do. It's overwhelming! I tried to commit suicide myself. Obviously, it didn't work out.
But why do you even want to hear about all this? Christ, you got your own problems. I'm sure your all obsessed with any number of sad little hopes and dreams. Your predictably unsatisfying love lives, your failed business ventures. "Oh, if only I'd bought that stock! If only I purchased THAT house years ago! If only I'd made a move on THAT woman." If this, if that. You know what? Gimmie a break with your could have's and should have's.
(Zitat Boris Yelnikoff)
Im Gegenteil, einige der schönsten Formen des Weltekels kommen verpackt in einen fröhlichen Nihilismus daher, würzen die Frustration mit Humor und lassen einem das Lachen im Hals steckenbleiben. Siehe einige Schlüsselszenen in "Funny People", den großen Freitzeitphilosophen Hank Moody in "Californication", siehe Bücher von Heinz Strunk, Stermann/Grissemanns grimmigste TV-Momente, Comics von Warren Ellis oder die herrlich negativen Tweets einer Sibylle Berg, um schnell ein paar Beispiele zu nennen.
Selbst übertroffen hat sich jetzt in dieser Hinsicht aber einer der verlässlichsten Grantler des Kinos. Woody Allen toppt mit seiner vierzigsten Regiearbeit "Whatever Works" die Sarkasmus-Charts 2009.
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Boris Yelnikoff heißt Mr. Allens neuestes Alter Ego und dieser Mann hat euch etwas auszurichten. Eure lächerlichen Hoffnungen und Träume, euer unbefriedigendes Liebesleben, eure verkrampften Karrieren, das alles ist jämmerlich. Wissenschaft, Religion, Politik, Sport, Kinder kriegen, der Gesundheitswahn, lauter armselige Ablenkungen davon, dass wir ohnehin alle sterben.
"What the hell does it all mean anyhow? Nothing. Zero. Zilch. Nothing comes to anything", bringt der Rabiat-Intellektuelle, Ex-Physikprofessor und Beinahe-Nobelpreisträger seine Privatphilosophie auf den Punkt. "And just so you know, this is not the feel good movie of the year", grummelt er direkt der Kamera zugewandt. "So if you're one of those idiots who needs to feel good, go get yourself a foot massage".
Boris, der seine Mitbürger gerne Kretins, Neandertaler und Maden nennt, der seine kleinen Schachschüler mit dem Spielbrett schlägt, der Marxisten belächelt, weil sie prinzipiell an das Gute und die Lernfähigkeit glauben, dieser Typ ist ein Hardcore-Pessimist und Bilderbuch-Misanthrop. Und eine der erfrischendsten, unterhaltsamsten, befreiendsten Filmfiguren des Jahres.
Alleine die köstlichen Hasstiraden von Boris sind den Kinobesuch wert. Dass diesen alten, weißhaarigen, hypochondrischen Menschenfeind der formidable TV-Komiker Larry David spielt ("Curb Your Enthusiasm"), macht diesen Film noch besser.
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Woody Allen hat allerdings auch eine Geschichte zu erzählen. Und die ist zugegeben auf den ersten Blick ein bisschen dubios. Denn ausgerechnet ein hochgradig naives Mädchen vom Land, zufällig auf Herbergssuche im New Yorker Boheme-Milieu, verfällt dem Schwarzseher Boris.
"Whatever Works" ist also, wie die meisten Woody-Allen-Filme, letztlich ein Märchen, eine Großstadtfabel, mit der charmanten Evan Rachel Wood ("The Wrestler") als wandelnder Altherrenfantasie.
Wer jetzt zusätzlich noch storytechnische Abzweigungen befürchtet, die in romantischen Hollywoodcomedys unvermeidlich wären und den Zuschauer für blöd verkaufen, kann sich jedoch beruhigt zurücklehnen. Der schrullige Boris, soviel sei verraten, behält zwar nicht seine Südstaatenschönheit, dafür aber den Zorn gegen das sinnlose Dasein.
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Das Einzige, was Herr Yelnikoff trotzdem auf seine alten Tage lernt, ist, dass beim Warten auf den Tod ein paar Umarmungen und etwas Wärme nicht schaden können. "Whatever love you can get and give, whatever happiness you can filch or provide, every temporary measure of grace, whatever works."
Dieses kleine und doch so große Fazit, das in einen rabiaten, waffenscheinpflichtigen Blickwinkel einen Hauch Hoffnung einschleust, macht "Whatever Works" nicht nur zu Woody Allens bester Arbeit seit langer Zeit. Da steckt eine Weisheit in diesem Film, die noch lange nachhallt.