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Martin Fritz

Gewinner von Wortlaut 2009, schreibt für Demut, Erkenntnis und Weltrevolution

7. 7. 2011 - 12:45

Mein Leben als Hase

Literatur, Schwimmen und Gruppendynamik: Der 15. Klagenfurter Literaturkurs

Der Bachmannpreis auf FM4

Der Bachmannpreis
Es wird wieder gelesen. Kritisiert. Diskutiert. Von Zita Bereuter

Mein Leben als Hase
Literatur, Schwimmen und Gruppendynamik: Der 15. Klagenfurter Literaturkurs. Von Martin Fritz.

Von Ausgesetzten und Ausgestelltem
Der Auftakt des Bachmannpreislesens am Donnerstag, den 7. Juli 2011. Von Viktor Gallandi.

Das vielmäulige Ganze
Klagenfurt am Wörthermeer – der zweite Tag des Bachmannlesens. Von Viktor Gallandi

Literatur als Suppe oder: Sprengung herzloser Onkologinnen
Samstag, der letzte Lesetag. Von Viktor Gallandi

High Noon in Klagenfurt Preiskampf bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur. Von Viktor Gallandi

Niemand weiß so genau warum, aber der im Robert-Musil-Museum abgehaltene Literaturkurs im Rahmenprogramm der Tage der deutschsprachigen Literatur wird hier in Klagenfurt “Häschenkurs” genannt. Nicht nur, aber auch nicht zuletzt aus diesem Grund war es mir eine große Freude, heuer zu den TeilnehmerInnen zu zählen. Anscheinend passiert beim Häschenkurs wie beim Preislesen selbst jedes Jahr in etwa dasselbe, aber doch immer irgendwie anders und vor allem mit anderen ProtagonistInnen, für die diese Tage in Klagenfurt dann naturgemäß einzigartig und unvergleichlich sind.

Robert Musil Museum mit Stencils von Jef Aerosol

Martin Fritz

Unsere Arbeitsstätte: Das Robert-Musil-Museum mit den Stencils von Jef Aerosol

Tatsächlich eine Besonderheit war dieses Jahr die parallel mit dem Eröffnungstag unseres Kurses abgehaltene Ironman-Veranstaltung, dank deren Publikumsandrang sich nicht nur das Besorgen von Leihrädern (erste klassische Häschen-Handlung) schwierig gestaltete, sondern sich auch schöne Kontrastszenen im Frühstücksraum des Hotels ergaben: hier wir schmächtigen, lichtscheuen Geistesmenschen, da die kraftstrotzenden, sich mit Startnummern und Laufzeiten ansprechenden Ausdauersportler. So etwas schweißt natürlich zusammen und so wurde aus uns neun, aus allen Winkeln des deutschsprachigen Raumes angereisten NachwuchsautorInnen binnen kürzester Zeit ein eingeschworener Kreis, dessen Geschlossenheit für Außenstehende wohl im besten Fall schwer nachvollziehbar, in jedem Fall aber suspekt wirken muss (zweite klassische Häschen-Handlung).

Man darf sich den Häschenkurs also als eine Art Sommersportwoche vorstellen, zu der nur die Nerds der Klasse mitfahren dürfen. Und statt Segeln, Paddeln und Greifvogelschau standen bei uns Tutoriumsgespräche mit Elfriede Czurda, Friedericke Kretzen und Julia Schoch auf dem Programm. Konkret heißt das für jedeN von uns jeden Vormittag eine Stunde konzentrierte Arbeit am Text mit den Tutorinnen und in Summe dann zumindest drei neue Meinungen zu einem eigenen Text, über die nachzudenken am Nachmittag im Strandbad am Wörthersee dann ausreichend Zeit bleibt.

unscharfe Enten vor dem Wörthersee

Martin Fritz

Unscharfe Enten vor Steg. Manche glauben auch, es seien Gänse, wer weiß es schon.

Neben dem Reflektieren über den Input des Vormittags ist ebendort dann Zeit für die dritte klassische Häschen-Handlung: Bis zu dem Schlösschen dort drüben schwimmen wollen, dabei vergessen, dass es einen Rückweg auch noch gibt und sich so völlig verausgaben und den Hotelschlüssel im See versenken (ich könnte Namen nennen, aber siehe 2. klassische Häschen-Handlung). Wie bei allem wirklich Guten ist eben auch beim Literaturkurs das Drumherum fast wichtiger als die Sache selbst: Das ganze Kaffeetrinken und Textdetails wie Weltzustände besprechen in den gefühlten fünf Millionen (MathematikerInnen könnten das sicher ausrechnen) möglichen Kleingruppierungen am Nachmittag und das viele Biertrinken und Textdetails wie Weltzustände besprechen im Plenum am Abend (4. klassische Häschen-Handlung).

Bei Letzterem sind Lektionen in Demut zu lernen. Bei unserem Besuch in der weltbesten Kneipe Klagenfurts steht ein Mann am Tresen und stellt bei einem in Überzimmerlautstärke geführtem Telefonat alles in den Schatten, was wir in diesen Tagen Literarisches zustande gebracht haben: Er erzählt von seinem Besuch in London, seinen Investionen in Goldminen in Südamerika und die dort für dortige Verhältnisse unverhältnismäßig teuer gemietete Villa, dem Besuch bei seiner Mutter und allem anderen, das ihn zur besseren Romanfigur macht als alles, was sich irgendjemand ausdenken könnte. Leben schlägt Literatur, immer wieder.

Reihenfolge der TeilnehmerInnen beim Bachmannpreis-lesen, notiert von Angela Leinen

Martin Fritz

Von Angela Leinen notierte Reihenfolge der Lesungen

Mit der Eröffnung der Literaturtage am Mittwochabend endete dann unser Mittelding zwischen soziologischem Langzeitexperiment, Selbsthilfegruppe und allem ermöglichenden Raum-Zeit-Fenster und der Wettbewerb stand im Vordergrund. Wir Häschen dürfen noch als Zaungäste dabei sein (5. klassische Häschen-Handlung) und den ganzen unbeschreiblichen Wahnsinn dieser größten Casting-Show des Literaturbetriebs nicht nur aus dem Fernsehen, sondern direkt vor Ort miterleben. Was die Beschreibung ebendavon betrifft: Viktor Gallandi, bitte übernehmen Sie!