Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "High Noon in Klagenfurt"

Viktor Gallandi

Der Wortlaut-Sieger 2010 berichtet vom Wettlesen in Klagenfurt

10. 7. 2011 - 14:22

High Noon in Klagenfurt

Preiskampf bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur

Um 11.30 beginnt das große Preiswählen im ORF-Studio in Klagenfurt. Während die Sonne dem Zenit entgegengeht, versuchen die Juroren, ihre Schützlinge durch die vier Wahlrunden um den Bachmann-Preis, den KELAG-Preis, den 3sat-Preis und den Ernst-Willner-Preis zu lotsen.
In der Luft flimmert Spannung und Hitze. Die Kandidaten sitzen ernst in einer Reihe und warten auf die Ergebnisse der kollektiven Jury-Intelligenz.

Ingeborg-Bachmann-Preis

Es geht mit dem wichtigsten Preis los. So ist der große Knaller gleich am Anfang draußen, aber so werden die Preise natürlich auch gerechter verteilt.

Die Begründungen der Jury will natürlich keiner mehr hören. Sobald man in der blumigen Lobesbeschreibung eines Jurors den Kandidaten erkennt, rascheln die Notizen im Pressecafé. Es geht ans Stimmenzählen. Niemand will wissen, warum, das weiß man im Zweifelsfall immer selbst besser, alle brennen auf den Preisträger.
Der erste Wahlgang ergibt ein Kopf an Kopf-Rennen zwischen Haderlap, Randt und Popp. In jedem Fall eine illustre Auswahl und drei Highlights dieser Tage.
Die drei Verdächtigen sitzen in der Kandidaten-Reihe zufälligerweise nebeneinander – sie tuscheln, nachdem es raus ist, leider hat die Kamera keine Ohren.

Maja Haderlap

APA/GERT EGGENBERGER

Gewinnerin Maja Haderlap

Nach dem zweiten Wahlgang ist klar: Haderlap vs. Popp. Als Sulzer "Haderlap" sagt, kommt lauter Protest aus dem Publikum. Haderlap macht das Rennen dann auch. Meiner Meinung nach wird da ein Thema gekürt und weniger die Ästhetik, was ich zweifelhaft finde, aber der Schriftstellerin ist der Preis zu gönnen.

Das Überreichen gerät leider sehr unprofessionell und steif, stumm fast, aber Maja Haderlap lächelt tapfer.

Der Bachmannpreis auf FM4

Der Bachmannpreis
Es wird wieder gelesen. Kritisiert. Diskutiert. Von Zita Bereuter

Mein Leben als Hase
Literatur, Schwimmen und Gruppendynamik: Der 15. Klagenfurter Literaturkurs. Von Martin Fritz.

Von Ausgesetzten und Ausgestelltem
Der Auftakt des Bachmannpreislesens am Donnerstag, den 7. Juli 2011. Von Viktor Gallandi.

Das vielmäulige Ganze
Klagenfurt am Wörthermeer – der zweite Tag des Bachmannlesens. Von Viktor Gallandi

Literatur als Suppe oder: Sprengung herzloser Onkologinnen
Samstag, der letzte Lesetag. Von Viktor Gallandi

High Noon in Klagenfurt Preiskampf bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur. Von Viktor Gallandi

KELAG-Preis

Zweite Runde, es geht immerhin noch um 10.000 Euro. Diesmal fällt die Vorauswahl auf Popp, Bußmann und Randt. Am Ende poppt es dann ganz eindeutig und der Preis ist auch verdient, denn Steffen Popps Text ist sprachlich innovativ wie kein anderer in diesem Wettbewerb. Nur den Vortrag muss man krampfhaft ausblenden, da er besonders den eigenen Witz unter sich begraben hat.

3sat-Preis

Jetzt werden ganz ordentlich alle Favoriten abgeklappert. Nina Bußmann erhält den 3sat-Preis. Das, was man vielleicht unter Freude versteht, erkennt man nicht in ihrem Gesicht, aber das muss ja nicht stören. Sie wird nur etwas rot und die Braue wandert noch etwas weiter nach oben. Als Paul Jandl die Laudatio jandlt, schaut sie fast zerknirscht drein. Der Programmchef von 3sat erfreut dann noch durch die völlig unmögliche Bemerkung, dass sie das Geld noch wird gebrauchen können – "am Besten auf die hohe Kante legen für schlechtere Zeiten".

Ernst-Willner-Preis

Duell zwischen Rabinowitsch und Randt, Randt gewinnt mit einer Stimme mehr und klatscht gleich mit – sichtlich erleichtert. Alain Claude Sulzers Laudatio enthält mal wieder Blödsinn, zum Beispiel, dass Stil immer beiläufig, wie versteckt sein sollte. Da haben aber einige Literaturgiganten versagt – unter anderem die Schutzpatronin des Wettbewerbs, die einen großartigen, aber sicher nicht beiläufigen Stil hat.
Die Übergabe ist ebenfalls kühl und etwas steif. Ganz zum Text passend äußert Randt nur ironisch gebrochen ein bisschen Freude, in dem er kurz diese unmögliche "Glaskunst" in die Höhe reißt.

Publikumspreis

Zum Schluss wird der Publikumsliebling gekürt. Mit überwältigender Mehrheit und völlig zurecht gewinnt Thomas Klupp. Als allgemein beliebter Dozent des kreativen Schreibens in Hildesheim – und gerade für meinen Jahrgang eine prägende Figur – hat er von seinen Studenten sicher die ein oder andere Stimme bekommen, aber wenn man sich die Zahlen anschaut, ist dieser Anteil wohl verschwindend. Trotzdem kündigt er an, seinen Zöglingen in Hildesheim eine oder zwei Runden auszugeben – dort wird man bestimmt nicht Nein sagen, nachdem dort großes Public Viewing für Leif Randt (ebenfalls Hildesheimer) und Klupp veranstaltet wurde.

Bachmann Preis-GewinnerInnen 2011

APA/GERT EGGENBERGER

Damit ist es vorbei und alle können noch einmal, und diesmal erleichtert, in den Wörthersee springen, bevor es mit Zug oder Flugzeug in die Heimat geht. Insgesamt ist die Preisvergabe sehr versöhnlich und jeder, der einen Preis verdient, hat auch einen bekommen.
Diese "wundervoll-grauenhafte und grauenhaft-wundervolle" (Burkhard Spinnen) Veranstaltung ist zu Ende und man darf sich bei viele Texten auf die kommenden Neuerscheinungen freuen. Davor wird jetzt aber erstmal das obszön gute Wetter genutzt und ich flüchte aus dem künstlichen Hell der Pressecafés in die Sonne.