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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

4. 6. 2011 - 18:48

Halle, Halle, Halle.

Springfestival Tag 3: Crystal Fighters, I-Wolf, Hercules & Love Affair, Patrick Wolf.

Wir senden dieser Tage immer wieder live aus dem FM4-Studio in der Festival-Zentrale beim ppc. Besuch erwünscht! Mehr zum Programm im FM4-Studio hier.

Und alles rund ums Springfestival auch unter fm4.orf.at/springeleven.

Das Wort "Stadthalle" ist kein Witz. Nach zwei Tagen feinster Livedarbietungen hat man sich jetzt schon ein bisschen an die gute, alte Helmut-List-Halle gewöhnt, da müssen nun, um die Dinge spannend zu halten, am Tag 3 des Springfestivals in Graz, dem Freitag, und am Samstag dann auch noch, die großen, großen Darbietungen in der Stadthalle über die Bühne gehen. Wer es nicht weiß: Die Stadthalle ist eine Stadthalle. Für gewöhnlich finden hier Konzerte der Spider Murphy Gang statt, Show-Veranstaltungen der World Wrestling Foundation, das Kinder-Musical "Lisa und die Frösche" und ähnlich stadthallenhafte "Events". Dementsprechend groß und dem subkulturellen Spirit eines Festivals undienlich ist der Komplex. Patina findet nicht statt, auf dem Weg aus dem Konzertraum in den Raucherbereich sollen schon etliche Menschen in den Korridoren verloren gegangen sein. Alles hat sein Gutes: Es soll sich wirklich niemand mehr beschweren, dass man nicht mehr rein gekommen sei, das Personal (wie eigentlich beim gesamten Springfestival) ist ausnahmslos (Stichproben) bestens in Schuss. Das an diesem Abend in die Stadthalle gebuchte Programm ist so gut und dicht - man bekommt den Eindruck man hätte es hier mit einem eigenen, separaten Mini-Festival zu tun, das mit dem Springfestival selbst nur kaum in Kontakt steht. Man bekommt wirklich den Eindruck.

Crysatl Fighters

Philipp L'heritier

Crystal Fighters
Crystal Fighters

Philipp L'heritier

Crystal Fighters

Philipp L'heritier

Nach dem sehr guten steirischen Herrn Effi, dem Singer/Songwriter mit elektronischem Knusperbeiwerk, können die Crystal Fighters die Stadthalle schon durchaus recht gut füllen, es bleibt aber genug Platz für den Ausdruckstanz. Der auch auf der Bühne stattfindet. Sänger Sebastian inszeniert sich als sexy Hippie-Erlöser-Figur im schönen Hanf-Mantel: "Graz! Are You Fucking Ready To Go To the Beach With Me? Baby! Babyyy!"

Über die Crystal Fighters stand hier schon einmal etwas geschrieben.

Und hier.

Das alles ist immer noch wahr. Die Band scheint aber mittlerweile besser zu einem eigenen Sound gefunden zu haben: Die akustischen Aspekte werden stärker herausgearbeitet, die Gitarre betont und gar Metal-Riffs eingestreut. Die Elektronik hat man zurückgeschraubt und sich selbst weitgehend vom Nu Rave befreit. So wird sogar die sonst nervenaufreibende Nummer "I Love London" zu einer zwingenden, von Klopf-Arbeit an den Rhythmus-Hölzern getragene Tanzstunde. Das beste Stück der Band bleibt "At Home" - "Are You Ready For The Megahit?" - das sieht auch das Publikum so. Die Crystal Fighters sind eine sehr gute Liveband, die zwei, drei, vier doofe Lieder im Gepäck hat, sich in ihrer kalkulierten Weirdness etwas zu toll gefällt und sich hinsichtlich des eigenen erotischen Peps verschätzt. Sebastian: "Feelin' aaaawright? FEELIN' AWWWRIGHT?"

Crystal Fighters

Philipp L'heritier

Crystal Fighters Sänger

Philipp L'heritier

Crystal Fighters
I-Wolf

Philipp L'heritier

I-Wolf
I-'Wolf

Philipp L'heritier

I-Wolf

Philipp L'heritier

Beinahe hätte man sich schon Sorgen gemacht, wie denn der wunderbare I-Wolf da an diesem Abend hineinpassen würde in diese bunte Schachtel Pop-Konfekt. Zumal sein aktuelles - unter bürgelichem Namen "Wolfgang Schlögl" veröffentlichtes - Album "Caught In The Act" zwar ein sehr gutes, tendeziell jedoch ein eher schwieriges ist, versammelt es doch Musik aus gut 6 Jahren Produktions-Arbeit für Theater und Bühne. Eine kleine E-Musik. Für den Auftritt beim Springfestival jedoch hat er besagtes Material zu großen Stücken zuhause im Kasten gelassen und sehr viel bislang unveröffentlichten Stoff mitgebracht, der noch einem Erscheinungsdatum harrt. Man darf hoffen, I-Wolf nämlich ist mit zwei Sängerin/Tänzerinnen, Schlagzeug, sich selbst als MC im Wortsinne an Elektronik und Mikrofon plus dem fettesten Rock-Dub oder andersrum Dub-Rock der jüngeren Erdgeschichte, der auch noch den ahnungslosesten Heiden aus Babylon in den süßen Groove zwingt, nach Graz gekommen. Wolfgang Schlögl ist auch ein sehr guter Tänzer.

HErcules and love affiar

Philipp L'heritier

Hercules & Love Affair
Hercules and love affair

Philipp L'heritier

Hercules and Love Affair

Philipp L'heritier

Es folgen zwei solide Darbietungen der beiden komplett herrlichen Acts Hercules & Love Affair und Patrick Wolf - "solide" bedeutet bei diesen Menschen mehr als anderswo "sehr gute Live-Band" bedeutet. Das aktuelle, zweite Hercules-Album "Blue Songs", auf das sich das Konzert großzügig stützt, ist dann leider doch nicht ganz der erwartete Genie-Streich geworden, zu Stücken wie "My House" aber so richtig Abzuvoguen wird auch beim vierten Mal nicht langweilig. Die Choreografien der SängerInnen sind erbaulich und der nackte Oberkörper von Mastermind Andy Butler ein in Marmor gehauenes Gedicht.

Patrick Wolf ist zunächst und verständlicherweise ein bisschen böse, da er aufgrund ewiger Verzögerungen erst um 3 Uhr morgens mit seinem Konzert beginnen darf. Angesichts der Dimension "Patrick Wolf" ist die Stadthalle mittlerweile auch schon eher dünn besucht. Nach wenigen Momenten aber schon kommt Patrick Wolf in Fahrt und ist der funkelnde Entertainer mit jener Grandezza, die er eben besitzt, nein, ist. Er hat Violine, Harfe und Saxophon mitgebracht und spielt klarerweise einiges an neuem Material vom sehr bald erscheinenden neuen Album: Das sehr gute "House" beispielsweise, oder "Time Of My Life". Zwischendurch bricht er den alten Hit "Magic Position" ab und meint, dass er heute irgendwie keine Lust hätte, dieses Lied zu spielen, und durchaus so frei sein könne, dies eben auch nicht zu tun. Das ist ein bisschen affig. Zum Abschluss gibt's das großartige "The City", das seinerzeit leider nicht zur Titelmelodie von "Melrose Place" gewählt worden ist, angeblich. Alles wird gut.

Hercule & Love Affair

Philipp L'heritier

PAtrick Wolf

Philipp L'heritier

Patrick Wolf
Philipp L'heritier

Philipp L'heritier

Patrick Wolf

Philipp L'heritier

Weil es an der an diesem Abend massiv gewordenen Zeitverschiebung liegt, hat man nun so ziemlich den ganzen anderen Rest des Springfestivals versäumt: Joyce Muniz, Makossa & Megablast möglicherweise im Dom, Drum & Bass im ppc oder KOMPAKT-Meister Michael Mayer in der Postgarage. Mit etwas Glück kann man noch den Macher des Labels Poker Flat, Steve Bug, ebenda mit einem knackigen Set erhaschen. Insgesamt scheint die Postgarage bislang an allen Tagen des Festivals feier- und qualitätstechnisch die gute, alte quirlige Verve und den Elan des Spring traditonsbewusst am Besten weitertragen zu können. Drei Portionen Luftschlangen und Konfetti, bitte!

Heute nicht verpassen: Tensnake, Apparat, Brandt Brauer Frick.

Wolfram

Philipp L'heritier

Steve Bug

Philipp L'heritier

Steve Bug