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Arthur Einöder

POP: Partys, Obsessionen, Politik. Ich fürchte mich vor dem Weltuntergang, möchte aber zumindest daran beteiligt sein.

1. 6. 2011 - 14:10

Real Democracy Now?

Ein Beispiel aus der Kommunalpolitik. #kleinesgluecksspiel #spoe

Der Blumenau hats schon erwähnt: In der Wiener SPÖ ereignen sich seltsame Dinge. Am Landesparteitag (Land wie Bundesland Wien) ist gegen den Wunsch der Parteispitze ein Antrag abgestimmt worden, der es in sich hat: Der Landesparteitag hat auf Antrag der Sektion 8 aus Wien-Alsergrund überraschend beschlossen, das so genannte Kleine Glücksspiel in Wien zu verbieten.

Ändert die SPÖ den Kurs?

Warum das bemerkenswert ist? Die SPÖ war bislang einhellig für die gefinkelten softwaregesteuerten Automaten, die zwar Menschen in den Privatkonkurs treiben, aber wichtige Steuergelder in die Landeskassen spülen. Außerdem gilt die größte Automatenaufstellerfirma des Landes als politisch einflussreich.

Ja eh, sagst du, und zuckst resigniert mit den Schultern, die Mächtigen aus Politik und Wirtschaft richten sichs mal wieder, und schielst mit einem Auge Richtung Spanien, wo die Hilflosigkeit gegenüber einem schwer durchschaubaren System aus Politik und Wirtschaft die Menschen auf die Straße treibt.

Dass da ausgerechnet aus "der Politik" jetzt ein Vorschlag kommt, der tatsächlich was weiterbringen könnte, mag den einen oder die andere erstaunen. Engagierte Menschen und Parteipolitik - das geht 2011 schwer zusammen. Wer etwas weiterbringen will, geht zu einer NGO oder zu einem ad-hoc-Bündnis, das sich als unpolitisch deklariert, um nur ja nicht an - pfui teufel! - Parteipolitik anstreifen zu müssen. Egal ob an der Uni, in deinem Dorf oder auf Facebook.

Die politischen Parteien sind im Ranking der Möglichkeiten zum Mitreden und Mitgestalten offenbar unter ferner liefen. Attraktiv sind sie als Möglichkeit, um Karriere zu machen oder als Möglichkeit, an Jobs ranzukommen. Und natürlich zur Demonstration von Stärke. Wenn am 1. Mai die roten Fahnen wehen oder wenn es minutenlange standing ovations für den neuen Parteivorsitzenden braucht. Als Stärke gilt da offenbar, möglichst wenig zu hinterfragen und möglichst laut zu klatschen. Weil Diskurs ist Streit, und sowas kommt in Umfragen nicht gut.

Die Sektion 8

Menschen aus NGOs und Engagierte aus ad-hoc-Bündnissen: interessanterweise ist genau das der Pool, aus dem sich die Sektion 8 der SPÖ Alsergrund zusammensetzt.

Die Sektion - das ist in der SPÖ die kleinste Organisationseinheit. In Wien-Favoriten etwa, dem einstigen Arbeiterbezirk, gibt es fast vierzig davon. Die GenossInnen werden älter und älter. Was so eine Sektion politisch macht, darüber wirst du im Netz nicht viel finden. Ab und zu werden Jubiläumsanstecknadeln zur 50jährigen Parteimitgliedschaft verliehen. Manche Sektionsvorsitzende haben immerhin ihre E-Mail-Adresse im Netz angegeben. Würdest du an diese E-Mail-Adresse ein politisches Anliegen schreiben?

Die Sektion 8 der SPÖ Wien-Alsergrund hingegen hat einen eigenen Blog und diskutiert politische Themen nachvollziehbar und offen im Netz. Im Moment ist sie eine kuriose Ausnahme in der österreichischen Großparteienlandschaft: Eine Art Demokratiebewegung, die innerhalb der Parteipolitik steht.

Und deswegen auch eigenwillige Wege gehen muss. Um nämlich aus der Parteibasis heraus tatsächlich ein Gesetz umzusetzen, braucht es jetzt noch weitere Überzeugungsarbeit. Der Landesparteitag kann wollen was er will, das Gesetz wird im Wiener Landtag gemacht. Ob da die SPÖ-Abgeordneten auch so abstimmen werden wie die Basis das beschlossen hat, bleibt abzuwarten. Am Koalitionspartner sollte es nicht scheitern: Die Grünen wollen das Automatenspielen schon länger verbieten.

Für FM4 Connected habe ich heute Nikolaus Kowall, den Vorsitzenden der SPÖ-Sektion 8 Wien-Alsergrund zum Interview getroffen:

FM4 Kleines Glücksspiel Niki Kowall

Und das hier ist die Rede von Nikolaus Kowall am SPÖ-Landesparteitag. Thema: Kleines Glücksspiel.