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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

31. 5. 2011 - 20:59

Journal 2011. Eintrag 107.

Vom kleinen Glücksspiel und der kleinen Prostitution. Und warum eine absurd lobbyierende Politik da so klare Unterschiede macht.

2011 ist Journal-Jahr - wie schon 2003, 2005, 2007 und 2009. Das heißt: Ein täglicher Eintrag, der als Anregungs- und Denkfutter dienen soll, Fußball-Journal '11 inklusive.

Hier finden sich täglich Geschichten und/oder Analysen, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo finden konnte; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.

Heute mit einer Art Fortsetzung zum Journal-Eintrag 95, der sich auch mit dem unverhohlenem Lobbying in punkto Glücksspiel-Gesetz, der Lex Novomatic, befaßt hat. Und dem Vergleich von Unvergleichbarem, den aktuellen Diskussionen um Gesetze gegen Straßenprostitution bzw das sogenannte "Kleine Glücksspiel" - und zwar nicht inhaltlich, sondern formal.

Der angesprochene Niki Kowall war im Journal '11 schon im März auffällig - und wird morgen Mittwoch Gast in FM4-Connected sein.

Eigentlich sollte es gar nicht auf der Agenda stehen.
Aber dann machte die Sektion 8 der Wiener SPÖ einen Antrag ein, der den Parteitag der mächtigen Stadt/Regierungs-Partei dann in ein anderes, unerwartetes Fahrwasser führte.

Die Rede von Niki Kowall aber brachte die vielgeschmähte Basis dazu (knapp, aber doch, mit 302 zu 294) für die Abschaffung des kleine Glücksspiels in der Stadt Wien zu votieren.

Ein Ansatz dessen, was man linkspopulistische Politik nennen könnte, und - wenn man den Ankündigungen der SPÖ ernst nehmen darf - durchaus etwas, was nicht nur in Wien passiert.

Die neue Qualität dieser Forderungen ist die Abkehr vom naiven Fortschrittsglauben hin zu einem aktionistischen Pragmatismus.

Vor dem haben die Parteigranden, die versuchen alles noch zu verhindern merklich größere Angst, geraten sie dabei doch zunehmend in Erklärungs-Not.

Linker Populismus legt die Finger auf die Wunde

Jetzt stellt sich die Frage, warum denn beim Thema Glücksspiel überhaupt so viel herumgeschissen wird. Alle Studien zeigen die Gefahren auf, alle Experten wünschen sich klarere Verbote - trotzdem lauten die Standard-Ausrede der im Fall des Glückspiels erstaunlich liberalen politischen Kaste, dass "sowas" (also das Glückspiel an sich) "eh nie zu kontrollieren" wäre.

In diesem Zusammenhang gibt es auch ganz offizielle, sehr erstaunliche Ansagen aus zuständigen Bereichen; die sich mit dieser Argumentation letztlich selber ad abursurdum führen. Denn auch Drogensucht oder Einbruchs-Kriminalität sind kaum bis schwer zu verhindern - trotzdem ist eine gesetzliche Verbotsregelung durchaus sinnvoll.

Wie ja auch beim Thema Prostitution.
Und, wie es der Zufall, dieser bösartige kleine Teufel, so will - just dieser Tage wird genau da ein neues Verbotsgesetz installiert.
In nämlichem Wien.

Keine Probleme mit dem Straßenstrich aufzuräumen

Das neue Wiener Prostitutionsgesetz, das Ende Juni beschlossen werden und im Spätherbst in Kraft treten soll, räumt auf mit dem Straßenstrich in Wohngebieten.
Dort, wo der Straßenstrich aktuell regiert (Gürtel, Äußere Mariahilfer Straße, Felberstraße, Linzer Straße und Stuwerviertel) sorgt er für Ärgernis, seit jeher.

Und allen ist klar, dass diese Ausweitung der Schutzzone nicht die Prostitution an sich verschwinden lassen wird - die ziehen ein paar Ecken weiter: vom Stuwerviertel in den Prater, von der Mariahilfer-, Linzer-, Felberstraße in die anliegenden Parks (einer davon trägt den Namen Heinz Conrads'...).

Zwar gibt es auch beim neuen Prostitutionsgesetz Einwände, denen zu viel staatlicher Dirigismus das Geschäftsgebahren stört - trotzdem gibt es im Fall des Straßenstrichs keine Bedenken.

Massives Bedenkenträgertum beim kleinen Glücksspiel

Im Fall des ziemlich ähnlich gelagerten Glückspiels hingegen werden die Bedenkenlosen zu Bedenkenträgern.

Dabei betrifft das sogenannte "Kleine Glücksspiel" auch die vielen Automaten in den vielen Wettcafes in den Wohngegenden, und nicht Glücksspiel-Inseln wie den Prater (schon wieder) oder die Casinos, hat letztlich also genau den gleichen Zweck: die Belästigung, die Verführung aus den Wohnbereichen rauszukriegen.

Komisch, was?
Entgegen den gefühlten Erfahrungswelten, die aus österreichischen Krimis rausströmen, hat die Zuhälter-Innung offenbar keine wirklich gute Lobby in der Politik (nicht einmal mit der Polizei stehn sie so gut wie vor den großen Aufräumearbeiten, die da in Wien in den letzten fünf Jahren passiert sind).

Die Glücksspiel-Industrie hingegen ist blendend im Thema - wenn die politisch Verantwortlichen sich selbst bei einem kleinen Gesetz gegen ein kleines Glücksspiel so sehr im Sinn der Wirtschaft aus ihrem gesellschaftlichen Auftrag herauszuwinden versuchen, dann hat das schon enorme Aussage-Kraft und erzählt mehr über die Verflechtung von Politik und Konsum-Wirtschaft, als vielen lieb ist.

Das kleine Glückspiel, der Straßenstrich der Dealer

Ich empfinde die Lobby-Politik von Novomatic und Co diesbezüglich ja als ausgesprochen ungeschickt. Wenn nämlich alle Verantwortlichen im Gesetzgebungs-Bereich sich so deutlich als Lobbyisten zu erkennen geben, dann kommt das imagemäßig ganz schlecht.

Aber wahrscheinlich ist genau diese staatlich geförderte Abzockerei das Wunschziel der Glücksspiel-Wirtschaft. Im Fußball ist es ja schon soweit, dass die Glücksspiel-Mächtigen als Generalsponsoren die Herrschaft de facto übernommen haben und sich dann selber die Persilscheine der Unbedenklichkeit - was die Pest des Sports, den Wettbetrug betrifft - ausstellen).

Eine solche, an die bildliche Bananenrepublik gemahnende Struktur also ist die Wunschvorstellung derer, die jetzt alles in Bewegung setzen werden das "Kleine Glücksspiel", diesen Straßenstrich der Dealer, zu verhindern.