Erstellt am: 9. 4. 2011 - 20:11 Uhr
Falling Into Spring
Schniefend, mit geröteten Augen und einem Haufen Taschentüchern sitze ich hier und versuche durch Tränen die richtigen Buchstaben auf der Tastatur zu treffen. Nein, Schlimmes ist nicht passiert. Es ist nur die leidige Pollenallergie, die wie jedes Jahr um diese Zeit zuschlägt.
Doch diesmal kann sie mir nichts anhaben. Denn weder zum Schniefen, noch zum Augenreiben bleibt Zeit. Meine ganze Aufmerksamkeit konzentriert sich schon sein einigen Wochen auf die österreichische Musikszene, mit der wir in dieser Nacht gemeinsam einen Teil ihrer großartigen, neuen Releases feiern.
Die Perfektion der Indirektheit
Ernst Tiefenthaler war schon öfter hier zu Gast und erwies sich immer als spannender, überlegter und tiefsinniger Gesprächspartner.
Ernesty International live:
- 15 April 2001, Rhiz Wien (Album Release Konzert "Not a Ship an Aeroplane")
- 16 April 2001, Kino Ebensee (in cooperation with PARAVENT)

Ernetsy International
Diesmal hat er als Ernesty International nicht nur sein neues, drittes Album "Not A Ship An Aeroplane" im Gepäck, er ist auch frisch gebackener Labelbetreiber. Ernesty Music Group, kurz EMG (die Anspielung auf EMI und BMG sind da wohl kaum zu übersehen), folgt dem schon seit Anbeginn des Projekts aufgestellten "politischen Konzept" der non-governmental, non-profit organization für Musik, die jedoch nicht einen "David gegen Goliath"-artigen Kampf gegen die ach so böse Musikindustrie verfolgt, sondern sich mit Problemen der Globalisierung, Medienmanipulation, gesellschaftlicher Vereinsamung und Verarmung sowie Kommunikationsunfähigkeit auseinandersetzt.

Edgar Bültemeyer
Was hier großtrabend klingt, findet bei Ernesty International allerdings auf ganz kleiner Ebene statt. Gespeist von persönlichen Erlebnissen, Beobachtungen des eigenen Mikrokosmos, indifferenten Empfindungen und bedachter Reflexion erzählt Ernst Tiefenthaler in assoziativen Bildern abstrakte Geschichten realen Ursprungs von menschlichen Schattenseiten aber auch von hoffnungsvollen Entwicklungen. So wird zwischenmenschliche Beziehung zum Beispiel über die gemeinsame "Abhängigkeit" von Schiffen und Flugzeugen abgehandelt, die ohne ihr Radar Gefahr laufen würden, ihren Weg zu verlieren. Das Schöne an Ernesty international ist jedoch, dass man aus den derart vielschichtigen Texten seine ganz eigenen Geschichten im Kopf formen kann. Schließlich geht es dem Sänger, Multiinstrumentalisten und passionierten Produzenten Ernest Tiefenthaler um die Indirektheit, mit der er sich über die Musik ausdrückt. Spannend bei all diesen sprachlichen Umwegen ist die berührende Unmittelbarkeit seiner Songs, die diesmal musikalisch abwechslungsreicher instrumentiert sind, wobei neuerdings auch elektronisch-analoge Sounds die poppigen Stücke infiltrieren. Ein spannendes Werk also, das neben wunderbaren Melodien und cleveren, stimmungsvollen Arrangements viel an Gesprächsstoff hergibt.
Die Kunst des Fallens
Vor kurzem noch auf der Bühne des Weekender in Innsbruck anlässlich des FM4 Überraschungskonzerts, bald auf der Bühne des Wiener WUK. Clara Luzia huscht von einem Gig zum anderen, nachdem die Produktion und die Promotion zu ihrem neuesten, vierten Album im Kasten ist.
Clara Luzia live:
- 20 April 2011, WUK Wien (Release Party "Falling Into Place")
- 04 Mai 2011, PPC Graz
- 06 Mai 2011, Spielboden Dornbirn
- 07 Mai 2011, Röda Steyr
- 13 Mai 2011, Utopia Werkstätten Klagenfurt
alle weiteren Termine findest du hier.

Clara Luzia
"Falling Into Place" ist einerseits selbstproduziert, andererseits unter fachkundiger Anleitung von Hubert Mauracher entstanden und birgt viel trauriges, verstörendes und zugleich schönes, berührendes und hoffnungsvolles Songmaterial. Reduziert, erdig und rau, eingedampft auf das Wesentliche entfaltet sich auf Clara Luzias neuem Album eine düster und magisch Grundstimmung. Von schweren Klavierakkorden werden die zerbrechlichen Stücke beherrscht, untermalt mit sehnsuchtserweckenden Streicherkompositionen, gespickt mit silbern glitzernder Akustikgitarre und über allem schwebt die Stimme einer Sängerin, die sich auf diesem Album ihren existentiellen Ängsten, schwärzesten Träumen aber auch schönsten Zukunftsvisionen stellt.

Sarah Haas
Exklusiv hören wir uns mit Clara Luzia durch ihr neues Album, plaudern über den Entstehungsprozess, welche Neuerungen sich auf "Falling Into Place" ausgewirkt haben, was für Geschichten hinter den Songs stecken und warum sich doch schlussendlich ein heller Hoffnungsschimmer durch das ganze Werk zieht. Und was das alles mit griechischen Göttern zu tun hat, die auf Claras Welt herabschauen, und sie zum Wanken gebracht hat, das soll sie Euch am besten selbst erzählen ...
Die Kraft der Melancholie
"Wir sind große Spezialisten, was die Möglichkeiten des Scheiterns betrifft", meint Naked Lunch Sänger Oliver Welter und spielt hier offensichtlich auf ihre bewegte und bewegende Bandgeschichte an.
Naked Lunch live:
- 11. April 2001 Stadtsaal Wien

Arnold Pöschl
Nur wenig österreichische Bands haben eine Erfolgsachterbahn mit derartig starken Gravitationskräften überstanden, wie die sich immer wieder wandelnde Formation aus Kärnten. Von Pionierarbeit in den 1990ern, zerknirschenden Erfahrungen der Musikbusinessmühlen, die sich dann bald selber aufreiben sollte, über neue Betätigungsfelder am Theater bis zu ihrem bis dato wohl schönsten und strahlensten Werk "This Atom Heart of Ours" haben sich die Überlebensstrategien der Musiker als extrem nützlich erwiesen. Vom österreichischen Süden aus operierend schicken sie ihre kreativen Wellen nach allen Seiten aus und transportieren so ihren musikalischen Vibe auf ganz subtile und effektive Weise.

Naked Lunch
Neuester Geniestreich ist eine "Dienstleistung", wie Oliver es im Interview ganz unironisch und keineswegs negativ wertend beschreibt. Denn Naked Lunch haben zu Bernd Liepold-Mossers Neuinszenierung des Romanfragments "Amerika" von Frans Kafka neun tief melancholische Stücke für die Aufführung am Stadttheater Klagenfurt geschrieben. Jedoch ist die Band um Sänger Oliver Welter und Bassist Herwig Zamernik mehr als nur die Begleitband. Sie sind Teil der Inszenierung und haben es darüber hinaus geschafft, mit dem Material ein eigenständig funktionierendes Album zu schreiben. Neben aller beseelten Poppigkeit griffen Naked Lunch auch manchmal in die krachende Noise-Kiste und komponierten mit ihrem über die vielen Jahre entwickelten, handwerklichen Geschick. So ist diese Kafkaeske Musikreise auch ein weiterer Teil des immer größer werdenden Naked Lunch Universums.
Für diese Sendung am Sonntag hat Clemens Fantur mit Oliver Welter und Bassist Herwig Zamernik ein ausführliches Interview geführt und dazu natürlich auch die neue Platte mitgenommen.
Die Macht des Tropical Emo
Ich finde es ja sehr super, wenn Bands ihre eigene Schubladisierung in kreativer und vor allem zitierwürdiger Weise übernehmen. Klar, für Schreiberlinge wie mich, die immer wieder neue Wortschöpfungen und schiefe Metaphern bemühen müssen, um bei dem Versuch auch nur ansatzweise Musik beschreiben zu können, zu scheitern, ist eine Bezeichnung wie tropical emo ein gefundenes und nahrhaftes Fressen.
Die Gurlfriends:
- 12 April 2011, Shelter, Wien (cheep!cheep!, record release)
- 7 Mai 2011, Lend Wirbel, Graz
- 24 Mai 2011, Arena, Wien (w/ Moffarammes)

Gurlfriends
Darüber hinaus treffen die Gurlfriends damit auch den Nagel auf den Kopf. Ihre raue, dreckige, surflastige Punk-Attitüde, die garniert mit dezenter Selbstironie gern in krachendem Gitarrennoise versinkt, spielt sich in einer jugendlich erscheinenden Leichtigkeit mit subkulturellen Genres, ohne dabei zu vorlaut auf die Pauke hauen zu wollen. Insofern passt der Debüt-Release einer Vinyl-7" perfekt zu dem sympathischen Label Fettkakao.
Ob das fetzige Tiro es wirklich schafft, dem Labelbesitzer mit dem Verkauf dieser Platte einen goldenen Hammer finanzieren zu können, und ob der Ruhm ihrer unverkrampften Musik wirklich ihre Träume erfüllen wird, in Zukunft mit Iron Maiden und Bon Jovi auf Tour gehen zu können, das hat Christian Pausch im Interview versucht herauszufinden.
Wer nicht unter Schlaflosigkeit leidet oder ungern in der Nacht arbeitet, kann hier die Sendung online hören, ab Montag 11.04. Mittag eine Woche lang!
Fahrplan durch die Sendung:
- 01:00 bis 02:00 Uhr: Listening Session mit Ernesty International durch das neue Album "Not A Ship An Aeroplane"
- 02:00 Uhr bis ca. 02:45 Uhr: Naked Lunch im Interview mit Clemens Fantur zum Album "Amerika"
- 02:45 bis ca. 03:20 Uhr: Die Gurlfriends im Interview mit Christian Pausch
- 03:20 bis ca. 04:10 Uhr: Neues von Hella Comet und Bernhard Schnur & Band
- 04:10 bis ca. 05:00 Uhr: Neue Elektronik-Tracks aus dem FM4 Soundpark in the mix
- 05:00 Uhr bis 06:00 Uhr: Listening Session mit Clara Luzia durch ihr neues Album "Falling Into Place"